Photovoltaik, Wind und Speicher versorgen Wärmepumpen im Quartier

Zu sehen ist die im Projekt Wind-Solar-Wärmepumpenquartier untersuchte Solarsiedlung am Südhang des Ohrbergs bei Hameln.Foto: ISFH
Solarsiedlung mit 70 Niedrigenergie-Häusern am Südhang des Ohrbergs bei Hameln, eines der vom ISFH untersuchten Quartiere.
Im Projekt Wind-Solar-Wärmepumpenquartier des ISFH zeigt sich, wie gut die regionale Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien funktionieren kann. Mehr als 80 Prozent des Strombedarfes der Wärmepumpen im Quartier kann regional gedeckt werden.

Das Ende der Kernenergie rückt in Deutschland jetzt auch am Strommarkt näher. Mit der Abschaltung der sechs am Netz verbliebenen Meiler bis Ende nächsten Jahres werden erneuerbare Energien weitere Funktionen im Energiesystem übernehmen, um eine sichere und klimafreundliche Stromversorgung zu gewährleisten. Teil der Lösung: Die innovative Nutzung von Batteriespeichern und das Ineinanderwirken von Strom- und Wärmemarkt, wie sie in der angewandten Forschung etwa im Projekt Wind-Solar-Wärmepumpenquartier getestet wurden.

Speicher und Wärmepumpen für optimierten Einsatz Erneuerbarer nutzen

Begrenzend auf den Ausbau des Stromnetzes und damit auf Anstiege der Netzentgelte kann eine verstärkte regionale Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien wirken. Denn regional verbrauchter Strom muss nicht über lange Distanzen transportiert werden. Zudem dürfte der Stromverbrauch künftig durch den Bedarf von E-Autos, aber auch von Wärmepumpen, die Strom in Heizenergie umwandeln, steigen. Im gerade abgeschlossenen, vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Forschungsprojekt „Wind-Solar-Wärmepumpenquartier“ hat das Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) untersucht, wie sich in verschiedenen Szenarien unter Nutzung von thermischen und elektrischen Speichern in Verbindung mit Wärmepumpen der Anteil erneuerbarer Energien in Wohnquartieren erhöhen lässt.

Zu sehen ist ein Balkendiagramm, das Simulation der möglichen Deckungsgrade von Wind, Photovoltaik und Speicher im Projekt Wind-Solar-Wärmepumpenquartier zeigt.

Die Forschenden haben im Projekt Wind-Solar-Wärmepumpenquartier zwei bestehende Wohnquartiere, eines in Niedersachsen, eines in Bayern, dazu komplett in Sachen Strom- und Wärmebedarf und -erzeugung vermessen. Ebenso wie die Erträge der Solarstromanlagen in den Siedlungen und die Erträge von Windenergieanlagen aus der Region. „Im Ergebnis zeigte sich, dass man durch eine gut gewählte Betriebsführung einen sehr hohen regionalen Deckungsgrad mit erneuerbaren Energien erreichen kann, der die Marke von 80 Prozent überschreitet“, sagt Tobias Ohrdes, Leiter der ISFH-Arbeitsgruppe Elektrische Energiesysteme. Mehr als 60 Prozent des Stromes kann man den Simulationen nach direkt durch Wind- und Photovoltaikstrom decken. Durch Batteriespeicher und eine intelligente Steuerung der Wärmepumpen kann man weitere 20 Prozent des Strombedarfs lokal mit Wind und Sonne bereitstellen. Koordiniert mann zudem den Wärmepumpenbetrieb im gesamten Quartier untereinander, erhöht sich die erneuerbare Versorgung gegenüber einem unkoordinierten Betrieb um weitere vier Prozentpunkte.

Wärmepumpen-Bedarf stimmt gut mit Windkraft überein

Zu bedenken sind für die Ergebnisse allerdings die Bedingungen bei Windparks, deren Strom je nach Gegebenheiten direkt ins Mittelspannungsnetz eingespeist und damit nicht per se für den regionalen Bedarf genutzt wird. „Für die regionale Nutzung der Windenergie spricht, dass ihre Erzeugung im Jahresverlauf meist gut mit dem Bedarf von Wärmepumpen in Gebäuden übereinstimmt“, so Ohrdes.

Der Übergang in den Strommarkt der Zukunft ist gerade in dem niedersächsischen der beiden untersuchten Quartiere mit Händen zu greifen, denn es liegt am Südhang des Ohrbergs bei Hameln in Sichtweite des Kernkraftwerks Grohnde, das Ende dieses Jahres vom Netz geht. Aus den Untersuchungen des Projektes Wind-Solar-Wärmepumpenquartier sollen nun Ableitungen entstehen. „Wir werden Empfehlungen für Planende machen, wie man für Wohnquartiere das Stromangebot aus Windkraft und Solaranlagen am besten mit dem Bedarf von Wärmepumpen miteinander verbindet“, erklärt Ohrdes und kündigt gleichfalls an: „In Kooperation mit der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen wollen wir fünf weitere Wärmepumpen-Quartiere umsetzen und damit unsere Forschungsergebnisse zur Anwendung bringen.“

Software-Agenten können eigenständig Entscheidungen treffen

Für den Ausgleich schwankender Stromeinspeisung aus fluktuierenden erneuerbaren Energien kommt Speichern große Bedeutung zu. Wie dezentrale Energieanlagen dabei agieren können, hat das IT-Institut OFFIS im kürzlich abgeschlossenen und vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Forschungsprojekt ENERA gezeigt. In einem vom OFFIS koordinierten Teil ging es um die Selbstorganisation von Energiespeichern und deren Stromeinspeisung ins Netz. Von der Bäckerei bis zum Industriebetrieb wurden verschiedene mit Batteriespeichern ausgestattete Unternehmen in einen Feldtest zur Erprobung so genannter Software-Agenten geschickt. „Solche Software-Agenten können eigenständig Entscheidungen treffen und sie lassen sich auch sehr gut steuern“, erklärt Martin Tröschel, OFFIS-Co-Gruppenleiter für Distributed Artificial Intelligence, einem Teilbereich der Künstlichen Intelligenz.

Ausgestattet mit den vom OFFIS-Team in die Software eingezogenen Leitplanken durften die Agenten entscheiden, wann die Batteriespeicher die geladene Energie abgeben. Ein maßgebliches Kriterium war das sogenannte Peak Shaving, nämlich das Glätten von Lastspitzen zu Zeiten besonders hoher Stromnachfrage. Zu solchen Zeiten ist das Einspeisen aus dem Speicher wegen der dann sehr hohen Börsenpreise für Elektrizität besonders attraktiv. Der Unterschied gegenüber heute gängigen Systemen, die man zentral steuert und auf Peak Shaving getrimmt hat: „Das System hat sich im Feldtest erfolgreich vollständig selbst organisiert. Es gibt keine zentrale Instanz, die jedem Speicher einen Fahrplan zuweist, wie das in virtuellen Kraftwerken der Fall ist“, erläutert Tröschel.

Strommanagern die Skepsis gegenüber Software-Agenten nehmen

Die dezentrale Arbeitsweise der Software-Agenten sieht auch die Co-Gruppenleiterin Stefanie Holly bei der weiter steigenden Zahl kleinerer Stromerzeugungsanlagen als großes Plus und sogar als Notwendigkeit für eine gelingende Energiewende. „Zentrale Steuerungseinheiten stoßen bei einer zunehmenden Zahl von Stromerzeugern an ihre Grenzen“, warnt die OFFIS-Fachfrau. Für die Zukunft sieht sie eine der Aufgaben der angewandten Forschung darin, Strommanagern die Skepsis gegenüber Software-Agenten zu nehmen. „Schon heute sind Stromspeicher für viele Industriebetriebe aufgrund der zum Teil sehr hohen Netzentgelte attraktiv“, betont die OFFIS-Expertin.

Die Kombination aus Feldstudien und Simulationen in den Projekten ENERA von OFFIS und Wind-Solar-Wärmepumpenquartier des ISFH sowie weiteren Projekten zur Energiewende in der Zuse-Gemeinschaft zeigt den Stellenwert digitaler Lösungen für den Strommarkt der Zukunft. „Mit zunehmenden Anteilen grünen Stroms in den Netzen gewinnen solche Lösungen weiter an Bedeutung“, erklärt Klaus Jansen, Geschäftsführer der Zuse-Gemeinschaft. „Die erfolgreichen Verbundprojekte zeigen zudem den Stellenwert effizienter Förderung und Kooperation zwischen Unternehmen und gemeinnütziger Industrieforschung“, betont Jansen.

10.4.2021 | Quelle: Zuse-Gemeinschaft | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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