Brennstoffzelle – bedingt klimafreundlich

Grafik zeigt Funktionsprinzip einer BrennstoffzelleGrafik: Viessmann
Die Brennstoffzelle erzeugt weder Schadstoffe noch CO2. Es hapert allerdings noch an der klimafreundlichen Erzeugung des Wasserstoffs.
Im Jahr 2020 förderte die KfW erstmals über 5000 Brennstoffzellenheizungen. Die Geräte sind praxistauglich, die Preise sinken. Doch klimaneutral werden sie mit Erdgas nicht.

Forschungsinstitute, Unternehmen und Staat haben in den letzten Jahrzehnten viel Geld und Zeit investiert, um Brennstoffzellenheizungen marktreif zu machen. Nun steigen die Verkaufszahlen. Im Jahr 2020 bewilligte die KfW Zuschüsse für 5264 Brennstoffzellenheizgeräte. Im Vorjahr waren es noch 4767 und 2018 immerhin 3626. Im Vergleich zu rund 100.000 verkauften Luft-Wasser-Wärmepumpen und gut einer halben Million Brennwertkesseln ist das wenig, doch der Trend weist nach oben.

Das Leuchtturmprojekt „Callux“ hat dafür Vorarbeit geleistet. Rund 86 Millionen Euro, davon knapp die Hälfte aus Fördermitteln, flossen zwischen 2008 und 2015 in den Feldtest mit etlichen hundert Geräten. Technisch hat dieser Anschub viel gebracht. Heute passen Brennstoffzellenheizungen in jeden Heizungsraum. Die Stacks halten laut Marktführer Viessmann rund 85.000 Stunden. Das sind bei 5500 Stunden jährlicher Laufzeit gut 15 Jahre. Die Preise sind gesunken, die Zuschüsse attraktiv. Die Heizungsplattform Thermondo nennt einen Beispielpreis von rund 30.000 Euro. Die KfW schießt in ihrem Programm 433 einen Grundbetrag von 6800 Euro zu. Dazu kommen 550 Euro pro angefangene 100 Watt elektrischer Leistung, maximal aber 40 Prozent des förderfähigen Betrags. Bei 1 kW (elektrisch) sind also noch rund 18.000 Euro zu bezahlen. Wer ein Haus in Berlin hat, kann noch mal 3500 Euro aus dem Programm HeizungstauschPlus der Investitionsbank Berlin (IBB) abziehen.

Platzhirsch Viessmann

Bisher ist Viessmann der Platzhirsch im deutschen Brennstoffzellenmarkt. Seit 2014 hat das Unternehmen drei Generationen von Brennstoffzellen-Heizgeräten auf den Markt gebracht. Im Jahr 2020 stammten nach Firmenangaben rund zwei Drittel der KfW-geförderten Geräte aus Allendorf. Doch die Konkurrenz schläft nicht: Der Brennstoffzellen-Spezialist Solidpower schloss zum Beispiel im April eine Vertriebspartnerschaft mit Solvis und im Juni mit der GC-Gruppe. Das heißt, die Geräte werden bei 100 Großhändlern an 850 Standorten erhältlich sein.

Das Habitat der Brennstoffzellenheizung sind Ein- und Zweifamilienhäuser. Dort reicht ihr Einsatzbereich vom Energiesparhaus bis zum ungedämmten Altbau. Weil die Wärmeleistung – 1,1 kW im Falle der Viessmann-Geräte – für die wenigsten Häuser ausreicht, kommt ohnehin ein Gas-

Brenn­wertgerät dazu. Ob 3 oder 30 kW Zusatzheizung kann der Brennstoffzelle also egal sein, das regelt der Kessel. Man braucht auch kein Pelletlager und keine Leitung quer durchs Haus bis zum Sonnenkollektor. Installation und Wartung sind laut Viessmann ähnlich einfach wie bei Brennwertgeräten. Lediglich ein dreiadriger elektrischer Anschluss kommt hinzu. Und während für Brennwertkessel eine jährliche Wartung empfohlen wird, müsse man an der Brennstoffzelle nur alle fünf Jahre Luft- und Wasserfilter wechseln, versichert Viessmann. Die KfW fordert dafür einen zehnjährigen Wartungsvertrag.

Beim Klimaschutz ist es kniffliger. Die Geräte erzeugen aus Erdgas quasi selbst grauen Wasserstoff. Ihr Klimavorteil liegt in der Effizienz der Kraft-Wärme-Kopplung. Dabei sind sie dem klassischen Blockheizkraftwerk mit Verbrennungs­mo­tor sowohl beim elektrischen Wirkungsgrad als auch bei der Gesamteffizienz eine Nasenlänge voraus. Beziffern können den Effekt der Brennstoffzellenförderung die potenziell für diese Frage zuständigen Stellen (UBA, KfW, BMWi) jedoch auf Nachfrage nicht.

Klimaschutzeffekt der Brennstoffzelle ungewiss

Das ist zum Teil verständlich. Weil die Brennstoffzelle sowohl Strom als auch Wärme erzeugt und obendrein ihr Anteil an der Wärmebereitstellung extrem variabel ist, sind allgemeine Aussagen kaum möglich. Einige Zahlen sind dennoch im Umlauf. Knackig formuliert es „Zukunft Gas“ in einer Broschüre: 55 Prozent CO2-Minderung. Das Szenario geht von einem Heizungstausch aus. Auf Anfrage erfährt man Details: Vergleichswert ist ein alter Niedertemperatur-Gaskessel, beim Strom ist der aktuelle Strommix angesetzt worden.

Die Webseite co2-online.de zitiert einen Wert von 30 Prozent CO2-Ersparnis im Vergleich zu Gas-Brennwertheizungen aus dem Callux-Programm. Die Eckdaten lassen sich bei den einst Programmverantwortlichen aber nicht mehr nachvollziehen. Einen Vergleich zu einer aktuellen Brennwertheizung zieht auch Viessmann. Das Unternehmen kommt dabei auf 50 Prozent CO2-Minderung. Das beinhaltet aber die Annahme, dass die Brennstoffzelle nur Kohlestrom verdrängt – schließlich hat der KWK-Strom ja Vorfahrt. Viessmann belegt seine CO2-Minderung auf Anfrage mit einem konkreten Zahlenbeispiel und einem kompletten Rechenweg.

Die Rechnungen verdeutlichen ein Problem: Die relative CO2-Ersparnis hängt vom Strommix ab. Heute steht eine Kilowattstunde Erdgas für rund 220 Gramm CO2, eine Kilowattstunde Strom für rund 400 Gramm. Zukunft Gas rechnet für 2030 mit einem Emissionsfaktor von 131 g/kWh für Strom und 197 g/kWh für Gas. Der heutige CO2-Bonus durch die Kraft-Wärme-Kopplung könnte so in zehn Jahren zu einem Malus werden. Dieser Sorge setzt das BMWi entgegen: Die Brennstoffzellen könnten ja auch mit klimafreundlichem Wasserstoff betrieben werden.

Grüner Wasserstoff hausgemacht

Das geht heute nur, wenn man den Wasserstoff selbst herstellt. Wie das möglich wäre, zeigte 2015 ein Mehrfamilienhaus in Brütten in der Schweiz. Seit ein paar Jahren gibt es für Ein- und Zweifamilienhäuser sogar ein kommerzielles Komplettpaket – das Brennstoffzellensystem Picea von Home Power Solutions (HPS). Den Strom erzeugt eine Photovoltaikanlage. Das Picea-System beinhaltet einen Elektrolyseur und eine PEM-Brennstoffzelle als separate Geräte – diese seien bisher flexibler. Hinzu kommen eine Batterie und ein Wasserstoffspeicher in Form eines Flaschenbündels vor dem Haus. Auf etwa drei Quadratmetern ist Platz für einen großzügigen Wasserstoffvorrat. Er reicht für mehrere Wochen bis Monate komplett ohne Sonne – wenn zum Beispiel Schnee auf den Solarmodulen liegt. Etwa 40 Systeme hat HPS bisher nach eigenen Angaben eingebaut, weitere 60 seien bestellt. Einige Picea-Kunden haben gar keinen Stromanschluss mehr. Doch zum Heizen reicht die Abwärme aus Elektrolyseur und Brennstoffzelle selten, wenn man nicht gerade in einem Passivhaus wohnt. Meist ist also auch hier ein Gasbrennwertkessel im Spiel. In Zukunft will HPS die Wärme aber stärker einbeziehen. Die Steuerung soll künftig auch Wärmepumpen ansprechen können. Damit wäre dann auch eine potenziell CO2-freie Wärmeversorgung möglich.

Stolzes Sümmchen für Autarkie

Zwischen 70.000 und 100.000 Euro muss man in ein Picea-System investieren. Die Photovoltaikanlage und – falls gewünscht – die Wärmepumpe kommen noch hinzu. Auf der Haben-Seite: Fördermittel und, wenn man den Betrieb der PV-Anlage als Gewerbe anmeldet, eine Erstattung bei der Mehrwertsteuer. Wer ein neues Haus mit der Effizienzklasse 40plus baut, spart sich die Anschaffung vieler Haustechnik-Komponenten, die in Picea ohnehin schon enthalten sind. So blieben etwa 30.000 bis 50.000 Euro an Mehrinvestition übrig, rechnet HPS vor. Diese würden sich durch die Einsparungen amortisieren.

Damit auch die anderen Brennstoffzellen klimaneutral werden, müss­te der grüne Wasserstoff aus dem Gasnetz kommen. Die SOFC-Brennstoffzellen von Solidpower können heute schon mit reinem Wasserstoff laufen. Mitte des Jahrzehnts könnte „H2ready“ der neue Standard sein.

Wasserstoff aus dem Netz?

Doch Wasserstoff wird es dann im Netz nur in ein paar Pilotprojekten geben. Gasnetzbetreiber experimentieren damit, bis zu 30 Volumenprozent Wasserstoff unters Erdgas zu mischen. Energetisch betrachtet – und damit auch in Bezug auf die CO2-Minderung – müsste man allerdings von elf Prozent sprechen, denn Wasserstoff hat eine geringere Energiedichte als Erdgas. Im Rahmen des Reallabors „SmartQuart“ soll in drei Quartieren in Deutschland ab 2023 auch reiner Wasserstoff fließen und unter anderem Brennstoffzellen von Viessmann versorgen. Eine Studie von „Zukunft Gas“ geht davon aus, dass es ab 2030 auch im normalen Leben Teilnetze mit reinem Wasserstoff geben wird. In diesen müssten dann jedes Ventil und jede Heizung H2ready sein. Auch die Infrastruktur für Erzeugung und Ferntransport müssten stehen. Das Szenario, das der Studie zugrunde liegt, zielt auf Klimaneutralität bis 2050 ab, was dem Zeitpunkt des Entstehens geschuldet ist.

Wie man die neuen Ziele – also 65 Prozent Treibhausgasminderung bis 2030 und Klimaneutralität bis 2045 – erreichen könnte, hat Agora Energiewende vorgerechnet. Die Schlüsselfaktoren im Gebäudesektor: Wärmepumpen, Wärmenetze und eine Sanierungsrate von 1,75 Prozent. Auch Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle – allerdings vor allem für die Industrie und Kraftwerke. Das Wort „Brennstoffzelle“ kommt zweimal vor. An beiden Stellen geht es um Schwerlastverkehr.

15.8.2021 | Autor: Eva Augsten
© Solarthemen Media GmbH

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