Solarer Photoreaktor für Chemie und Medizin

Ein roter Photoreaktor von der Größe eine rSolarzelle auf einer grünen WieseFoto: Noël Research Group
Der Photoreaktor nutzt vor allem energiereiches rotes Licht, um Medikamente und Feinchemikalien herzustellen.
Die Universität Amsterdam hat einen solarversorgten Mini-Reaktor entwickelt, der ortsunabhängig Chemikalien und Medikamente produzieren kann. Der Photoreaktor nutzt vor allem energiereiches rotes Licht.

Die Universität Amsterdam hat einen mini solaren Photoreaktor vorgestellt, der Produkte für der Chemie und Medizin synthetisieren kann. Das teilte die niederländische Hochschule mit. Verantwortlich zeichnet dafür Professor Timothy Noël und seine Mitarbeiter in der Gruppe Flow Chemistry des Van ‚t Hoff Institute for Molecular Sciences der Universität Amsterdam. Der solar betriebenen Mini-Reaktor könne die Herstellung von Feinchemikalien an abgelegenen Orten auf der Erde und möglicherweise sogar auf dem Mars ermöglichen. In einem in der Zeitschrift ChemSusChem veröffentlichten Artikel stellt das Team sein netzunabhängiges Photochemiesystem vor. Ähnliche Prinizipien wenden auch künstliche Blätter an.

Das neue System, das in der Lage ist, Medikamente und andere Chemikalien in wirtschaftlich relevanten Mengen zu synthetisieren, „glänzt in isolierten Umgebungen und ermöglicht die Dezentralisierung der Produktion von Feinchemikalien“, so Professor Noël. Das Minikraftwerk basiert auf dem Konzept der Photochemie, bei dem das Sonnenlicht direkt für die chemische Synthese zum Einsatz kommt. „Wir verwenden einen Photokatalysator, eine chemische Spezies, die die Synthese antreibt, wenn sie beleuchtet wird“, so Noël weiter. Normalerweise kommen für die Beleuchtung leistungsstarke LEDs oder andere Beleuchtungsgeräte zum Einsatz. Das Forscherteam entschied sich aber bewußt für das Sonnenlicht. Das macht die Synthese zunächst einmal völlig nachhaltig. Aber es ermöglicht auch den autonomen Betrieb an abgelegenen Orten. „Wir träumen davon, dass unser System auf einer Basis auf dem Mond oder auf dem Mars laufen kann, wo autarke Systeme für die Versorgung mit Energie, Nahrungsmitteln und Medizin benötigt werden.“

Solar betriebener Strömungsreaktor

Die Entwicklung des Minikraftwerks begann vor etwa fünf Jahren, als die Noël-Forschungsgruppe – damals an der Technischen Universität Eindhoven angesiedelt -einen „Solarkonzentrator“ entwickelte. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine transparente Kunststoffplatte mit mikrometergroßen Kanälen, in denen die chemische Synthese stattfindet. Durch die Zugabe spezieller Farbstoffe entwickelten die Forscher den Kunststoff zu einem Solarleiter und Lumineszenzkonverter. Er fängt das Sonnenlicht ein und lenkt es in die Kanäle, während er einen großen Teil des Lichts in rote Photonen umwandelt, die die chemische Umwandlung antreiben.

Der nächste Schritt bestand darin, den Konzentrator in einen voll funktionsfähigen Durchflussreaktor zu verwandeln. „Das bedeutet, dass wir ein Reaktionsgemisch aus Ausgangsstoffen und Photokatalysator durch die von der Sonne beleuchteten Kanäle pumpen“, erklärt Noël. Die gewünschte chemische Umwandlung findet in diesen Kanälen statt. Noël erklärt weiter, dass ein solcher „Strömungsreaktor“ trotz der Winzigkeit der Kanäle durchaus relevante Ergebnisse liefern kann, da er von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang kontinuierlich arbeitet. Außerdem“, fügt er hinzu, „ermöglicht die Verwendung von Kanälen eine weitaus effektivere Kopplung zwischen Licht und Chemie, als dies bei der Verwendung herkömmlicher Kolbenreaktoren möglich ist“.

Solarzelle liefert Strom

Die Noël-Forschungsgruppe hatte das Konzept des Solarstromreaktors bereits durch die Synthese einer Reihe medizinisch relevanter Moleküle demonstriert. Der Prototyp des Solar-Flow-Reaktors bedeckt eine Fläche von etwa 0,25 Quadratmetern. Um ihn völlig autonom zu machen, haben die Forscher ihn mit einer Solarzelle ausgestattet. Diese liefert den Strom für Hilfsaggregate wie Pumpen und die Steuerung. Sie befindet sich hinter dem Strömungsreaktor in einer gestapelten Konfiguration, die laut Noël eine maximale Effizienz pro Quadratzentimeter gewährleistet. Der Reaktor nutzt die energiereicheren Wellenlängen, um den Photokatalysator anzutreiben. Die verbleibenden Photonen mit Wellenlängen von 600-1100 nm werden in Elektrizität umgewandelt, um die Hilfseinrichtungen zu betreiben.

Auch am Nordkap produktiv

Der völlig autonome Prototyp verfügt auch über ein reaktionsfähiges Steuerungssystem, das die chemische Umwandlung bei verschiedenen Lichtintensitäten optimieren kann. Wenn eine Wolke die Sonne verdeckt, würde die chemische Umwandlung normalerweise sehr schnell abnehmen“, sagt Noël. Unser System ist in der Lage, die notwendigen Anpassungen in Echtzeit vorzunehmen. Feldtests haben bestätigt, dass es in der Lage ist, auch an Tagen mit einer Mischung aus Sonne und Bewölkung eine konstante Menge an Chemikalien zu produzieren. Die Tests wurden in den Niederlanden durchgeführt. Um einen Eindruck von den globalen Einsatzmöglichkeiten zu bekommen, wurden Vergleiche mit Solardaten an Standorten in Norwegen (Nordkap), Spanien (Almeria) und Australien (Townsville) angestellt. Noël: „Selbst am Nordkap, wo die Sonneneinstrahlung relativ gering ist, rechnen wir mit zufriedenstellenden Produktionszahlen.

Die Forscher haben die Leistung des Prototyps auch mit den Produktionszahlen für die bekannte photochemische Synthese von Rosenoxid verglichen. Dieses Produkt für die Parfümindustrie wird industriell auf photochemischem Wege hergestellt, weil es sauberer und effizienter ist als die traditionelle chemische Synthese. Die Forscher haben errechnet, dass für ihr System eine erstaunlich kleine Fläche benötigt wird, um den derzeitigen Jahresbedarf zu decken – nur 150m2 würden ausreichen. Noël: „Das ist nur ein Fabrikdach voll mit unseren Minipflanzen! Die Kosten für das System wären ähnlich hoch wie bei den derzeitigen kommerziellen Photosynthesesystemen. Aber wir brauchen nur Solarenergie, es fallen also keine Energiekosten an. Das könnte also wirklich eine nachhaltige Strategie für die zukünftige Produktion von Chemikalien wie Rosenoxid oder Pharmazeutika sein.

Chemie aus den Wänden

Noël ist der Ansicht, dass die Forschungsergebnisse seiner Gruppe jegliche Skepsis gegenüber dem Potenzial solarbetriebener chemischer Technologien widerlegen: „Wir zeigen, dass es auch hier in den Niederlanden Möglichkeiten für eine solarbetriebene chemische Produktion gibt. Man muss dafür nicht nach Katar gehen. Darüber hinaus lässt sich das System auch an unerwarteten Orten einsetzen. Man könnte sogar die Fassade eines Gebäudes verkleiden. Natürlich wäre die Leistung dann geringer, als wenn das System in einem optimalen Winkel zur Sonne steht. Aber es ist durchaus möglich – und wie cool wäre es, wenn die Wände Chemikalien herstellen würden.“

22.10.2021 | Quelle: Universität Amsterdam | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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