EU-Gebäuderichtlinie: eine Art Solarpflicht für ganz Europa

Gebäude mit Solardach in Baden-WürttembergFoto: Gyula Gyukli / stock.adobe.com
Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine neue Gebäuderichtlinie liegt vor. Diese schreibt nun Null-Emissionsgebäude vor und definiert, was darunter zu verstehen ist. Außerdem gibt es erstmals Renovierungspflichten für Gebäude. Und vorgesehen ist auch der Einsatz erneuerbarer Energien, also eine Art Solarpflicht.

Bislang ist in der EU-Richtlinie für die Energieeffizienz von Gebäuden beim anzustrebenden Standard von „Nearly Zero Emission Buildings” die Rede. Was dieser Niedrigstenergiegebäudestandard ist, konnten die Mitgliedsländer teils selbst bestimmen. Künftig geht um „Zero Emission Buildings”. Und in Anhang 3 definiert die Kommission, was sie damit meint. Der Primärenergieverbrauch ist dabei abhängig von der Lage des Gebäudes. Während es am Mittelmeer in Wohngebäuden maximal 60 Kilowattstunden je Quadratmeter und Jahr sein dürfen, sind es im Norden Europas höchstens 75. Und die Energie muss sich aus erneuerbaren Energiequellen speisen. Das ist künftig eine Art Solarpflicht für Europa. Hinzu kommt, dass bei neuen Gebäuden auch der Herstellungsaufwand und dessen Einfluss auf das Klima zu betrachten ist.

Niedrigstenergiestandard in der EU schrittweise

Allerdings soll der Null-Emissions-Standard europaweit erst 2050 für alle bestehenden Gebäude verbindlich sein. Auf dem Weg dahin soll es Zwischenziele geben. Und die Staaten sind verantwortlich dafür diese einzuhalten. Wichtig ist es aus Sicht der Kommission auch, dass besonders ineffiziente Gebäude möglichst bald zu renovieren sind. Die Einstufung erfolgt in einer Klassifizierung von A (Null-Emissions-Gebäude) bis G. Diese schlechteste Stufe umfasst in jedem Mitgliedsland 15 Prozent aller Gebäude. Und alle Gebäude der Klasse G, die sich im Eigentum öffentlicher Einrichtungen befinden, sind bis Ende 2026 mindestens auf die Stufe F und bis 2029 auf Stufe E zu bringen. Dies gilt auch für alle privaten Nichtwohngebäude. Eigentümer von Wohngebäuden haben drei Jahre länger Zeit. Zu erwarten sind weitere Renovierungspflichten in den darauffolgenden Jahren. Dazu erwartet die Kommission von den Mitgliedsländern einen Fahrplan.

EU-Gebäuderichtlinie soll Renovierungswelle anschieben

Ziel der Kommission ist es, eine Renovierungswelle anzuschieben. Denn derzeit seien die Renovierungszyklen viel zu langsam. Dafür will sie auch Kapital mobilisieren. Allein aus dem EU-Haushalt sollen bis 2030 rund 150 Milliarden Euro fließen. Außerdem will die Kommission die Beihilferichtlinien so modifizieren, dass die Mitgliedsländer mehr Fördergelder zahlen können – dies soll insbesondere Mietern zugute kommen, die von Energiearmut bedroht sind.

Erneuerbare Energien sind bei der Wärmeversorgung künftig Standard. Es gibt eine Solarpflicht bzw. Pflicht zum Einsatz erneuerbarer Energien. Es sind aber Übergangsfristen vorgesehen. So ist es den Ländern noch bis Ende 2026 erlaubt, mit fossilen Energien betriebene Heizungen zu fördern.

In den Fokus nimmt die Kommission auch Renovierungspässe, wie es sie in Deutschland mit dem vom Bund geförderten individuellen Sanierungsfahrplan bereits gibt. Allerdings soll ein solcher Renovierungspass wohl anders als der deutsche Sanierungsfahrplan bislang die Reihenfolge der Renovierungsschritte vorgeben.

Ladestationen sind künftig oft Pflicht

Mit der Gebäuderichtlinie verfolgt die Europäische Union aber auch andere Ziele. So gibt es künftig mehr Anforderungen für die Ladeinfrastruktur. Bei Parkplätzen mit mehr als 5 Stellplätzen ist dann mindestens eine Ladestation vorgeschrieben. Das betrifft neue und wesentlich renovierte Gebäude. Dabei betont die Kommission den Zusammenhang der Elektromobilität mit der Energienutzung in Gebäuden und will offenbar das bidirektionale Laden voranbringen. Batteriespeicher in Elektroautos könnten dann auch für die Gebäude oder auch das Energiesysten nutzbar sein.

Debatte zur Solarpflicht in Europa steht noch an

Mit dem Beschluss des Richtlinienvorschlags durch die Kommission beginnt die Diskussion im Europäischen Parlament und in den Mitgliedsländern. Und auch die Lobbygruppen, die insbesondere die Vermieter vertreten, haben sich bereits warmgelaufen. So kritisiert Kai Warnecke, Präsident des Verbandes Haus & Grund: „Hohe Ambitionen sind gut, aber Klimaschutzpläne müssen realisierbar sein. Das sehe ich in diesem Entwurf nicht.“ Er hat Zweifel, ob sich die die energetischen Mindestanforderungen bei vielen Gebäuden überhaupt technisch umsetzen ließen und ob ausreichend handwerkliche Ressourcen zur Verfügung stehen.“ Für viele Gebäude der Energieklassen F und G sei eine Sanierung keine Option. Hier deutet sich an, dass es auch im Parlament und mit den Mitgliedsländern noch zu Diskussionen über Verpflichtungen kommen kann. Andererseits betont die Kommission, dass die Klimaschutzziele nur erreichbar sind, wenn man alte Gebäude auf deutlich besseres energetisches Niveau bringt.

22.12.2021 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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