Solar Decathlon: Solartechnik als Teil des Ganzen

Foto: Solar Decathlon 2021/22
Der Solar Decathlon sollte ursprünglich die Solartechnik bekannter machen und technisch voranbringen. Heute ist sie einer von vielen Aspekten für nachhaltiges Bauen bei diesem internationalen Wettbewerb.

Für die Ewigkeit gebaut sind die sechzehn Solarhäuser in der Wuppertaler Nordstadt nicht, doch für gut zwei Wochen stehen sie im Rampenlicht. Jedes von ihnen wurde von einem studentischen Team entworfen, auf dem eigenen Campus zusammengeschraubt, getestet und schließlich in Einzelteile zerlegt und gut verpackt auf die Reise nach Wuppertal geschickt. Dort beurteilte die Jury des Solar Decathlon 2021/22 die Gebäude in zehn Disziplinen, um am letzten Tag schließlich die besten auszuzeichnen.

In einigen der Teams haben in der Vorbereitung mehr als hundert Personen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten eingebracht. Fast tausend Teammitglieder waren schließlich beim Wettbewerb dabei. Ihr Job war es, die Häuser wieder zu montieren und einzurichten. Wenn die Jury und die Gäste kommen, muss schließlich die Stromversorgung für den Kühlschrank laufen und das Salatbeet auf der Dachterrasse bepflanzt sein.

Die Solar- und Energietechnik, einst Namensgeberin des Wettbewerbs, ist heute unter dem Titel „energy performance“ als Teildisziplin des Wettbewerbs zusammengefasst. „Solarenergie zu etablieren, war vor rund 20 Jahren ein Grundgedanke des Solar Decathlons in den USA. Das sind Dinge, die heute völlig klar sind“, erklärt Daniel Lorberg, Direktor des Solar Decathlon Europe 2021/22, die Entwicklung. Heute gilt es, nachhaltiges Bauen zum Standard in den Städten zu machen und zugleich dort bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wo eigentlich kaum noch Platz ist. „Wir müssen in Europa die Städte transformieren. Dabei ist Solarenergie ein Aspekt, aber nur darauf zu schauen, würde zu kurz greifen“, sagt Lorberg.

Konstruktionen für die Praxis

Dieser Aufgabe mussten sich auch die Teams des diesjährigen Solar-Zehnkampfes stellen und ihr Haus auf einen konkreten Anwendungsfall auslegen – zum Beispiel die Aufstockung des Cafés „Ada“ oder das Schließen einer Baulücke in der Bandstraße im Mirker Quartier in Wuppertal, das ganz in der Nähe des Wettbewerbsgeländes liegt.

Solartechnik ist bei vielen Beiträgen direkt mit der Gebäudefunktion verwoben. Ein Blickfang sind zum Beispiel die rautenförmigen OPV-Module, die an einer Seilkonstruktion vor der Fassade des Stuttgarter Gebäudes hängen. Die Konstruktion soll im Winter möglichst viel Sonnenlicht einfallen lassen, im Sommer hingegen Schatten bieten. Und das Team der Hochschule Biberach, dessen Haus X4S gleich nebenan steht, hat seinen Dachgarten mit Photovoltaik-Elementen überdacht, die an thermische Vakuumröhrenkollektoren erinnern. Das bietet Pflanzen und Menschen Schutz vor allzu praller Sonne und lässt dennoch Regenwasser passieren, das in einer speziellen Retentionsschicht aufgefangen wird. Glas-Glas-Module, die in ein Wintergarten-Dach integriert sind, sind heute nur noch einen kurzen Fingerzeig wert – sie sind schließlich schon fast normal.

Recyclingmaterialien fast überall

Praktisch durchs ganze Solar-Dorf zieht sich auch der Einsatz von recycelten Materialien. Schließlich sollen die Häuser nicht nur im Betrieb Energie sparen, sondern in ihrem ganzen Lebenszyklus möglichst wenige Ressourcen beanspruchen. Das Team RoofKIT aus Karlsruhe setzt dafür auf standardisierte Baumaterialien, die aus aufbereiteten Materialien gewonnen wurden: neue Backsteine aus Abbruchmaterialien, Keramikplatten aus Bruchglas, Stühle aus recycelten Getränkekartons. Das Team EFdeN aus Bukarest hat hingegen nahezu das gesamte Haus aus direkt wiederverwendeten Materialien errichtet – von Wand­verkleidungen und Küchenmöbeln aus gebrauchten Grobspanplatten bis zur Batterie, die früher mal ein Elektroauto antrieb. Das ist teilweise nicht nur eine Frage der Philosophie, sondern auch des Budgets ­– denn während zum Beispiel das RoofKIT-Team auf seiner Webseite den mehr als 40 Sponsoren dankt, wirbt EFdeN noch immer um Spendengelder.

Verschiedene Nachnutzungen der Solar-Decathlon-Gebäude

Am 26. Juni ging der Solar Decathlon zu Ende. Doch vorbei ist es nicht. Acht der Häuser werden in Wuppertal bleiben. Als „Living Lab“ sollen sie ab dem Spätsommer wieder zu besichtigen sein. Andere Häuser werden am jeweiligen Heimatcampus oder bei den Sponsoren weiter als Ausstellungsstücke dienen.

Daniel Lorberg ist überzeugt, dass der Solar Decathlon seit seinem Bestehen bereits Spuren in der Welt hinterlassen hat. Uner anderem habe sich der Einsatz von Wärmepumpen in den USA durch die öffentliche Sichtbarkeit in dem Wettbewerb wesentlich beschleunigt. Und Gewinnerprojekte des chinesischen Wettbewerbs würden teils schon in Serie gefertigt.

Auch der jüngste Wettbewerb könnte ganz konkrete Resultate bringen. „Wir hoffen, dass für die Situationen hier in Wuppertal nun Lösungen aus dem Wettbewerb umgesetzt werden. Gespräche zwischen den Teams und Eigentümern hat es schon gegeben“, sagt Lorberg.
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Der Solar Decathlon Europe im Überblick

Mit dem Solar Decathlon 2021/22 fand der Solarhauswettbewerb der Hochschulen erstmals in Deutschland statt.
Der erste Preis ging in Wuppertal an das Team RoofKIT des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Auf den zweiten Platz schaffte es das Team VIRTUevon der Technischen Universität Eindhoven. Den dritten Platz teilten sich das Team AuRA der Nationalen Architekturschule von Grenoble und das Team SUM der Universität Delft.
Die zehn Disziplinen des Solar Decathlon Europe:

ArchitekturGebäudetechnik und Bauphysik
Energieperformance
Realisierbarkeit, sozialökonomischer Kontext
Kommunikation und Bildung
Nachhaltigkeit
Komfort
Funktion
Urbane Mobilität
Innovation

14.7.2022 | Autorin: Eva Augsten
© Solarthemen Media GmbH

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