Strompreisbremse und Erlösabschöpfung: Gesetzesentwurf rückt näher

Menschen mit Schildern und Megafon - Demonstration gegen Erlösabschöpfung in der Bioenergie-BrancheFoto: Fachverband Biogas
Protest vor dem Bundestag: Die Bioenergie eigne sich grundsätzlich nicht für eine Erlösabschöpfung, sagen Branchenverbände.
Schon seit Wochen kursieren Eckpunkte und einzelne Inhalte der Strompreisbremse und Erlösabschöpfung. Nun klärt sich die Lage mit einem offiziellen Papier.

Die Bundesregierung hat heute die angekündigte „Formulierungshilfe“ für den Gesetzesentwurf zur Strompreisbremse und Erlösabschöpfung bei Energieerzeugern vorgelegt. Die Ökoenergie-Verbände kritisieren durchweg die mit der Regelung einhergehende Verunsicherung. Da in allen Branchen die Kosten gestiegen seien, sei zudem teilweise die Rentabilität von Projekten gefährdet.

Zeitlich sieht der Entwurf vor, dass die Erlösabschöpfung bis mindestens Juni 2023 gelten soll. Eine Verordnungsermächtigung könnte sogar zu einer Verlagerung bis Ende 2024 führen. Beginnen soll die Abschöpfung rückwirkend zum September 2022.

Für die Ermittlung der abzuschöpfenden Erlöse sollen Unternehmen zwischen zwei Möglichkeiten wählen können. Entweder sie legen ihre Verträge offen oder die Erlöse werden anhand der durchschnittlichen Preise am Spot- und Terminmarkt berechnet. Im Falle bereits abgeschlossener Termingeschäfte müssten Unternehmen die erzielten Preise selbst berechnen und diese nachvollziehbar sowie durch zusätzliche Wirtschaftsprüfung bestätigt übermitteln.

Bioenergie-Verbände: „Für Erlösabschöpfung ungeeignet“

Am sichtbarsten war der Protest der Bioenergie-Bauern vor dem Deutschen Bundestag. Unter dem Motto „Zukunft statt Abschöpfung“ demonstrierten Betreiber von Biogas- und Holzenergie-Anlagen gegen die Pläne der Bundesregierung. Aufgerufen hatten zu der Demonstration der Bauernverband, der Fachverband Biogas sowie der Bundesverband Bioenergie und der Fachverband Holzenergie.

Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, hält die Bioenergie generell für das Konzept der Erlösabschöpfung ungeeignet. „Biogas und Holz müssen – wie schon Biomethan – von der Abschöpfung grundsätzlich ausgenommen werden“, sagt Rukwied. Ansonsten drohe ein defizitärer Anlagenbetrieb und damit eine starke Drosselung der Strom- und Wärmeerzeugung aus Bioenergie.

Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas, findet den sogenannten gestatteten Erlös angesichts der gestiegenen Kosten viel zu niedrig. Zudem sollten Erlöse aus der flexiblen Fahrweise in keinem Fall abgeschöpft werden.

BEE rechnet mit Klagewelle gegen die Erlösabschöpfung

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) spricht von einem „Abschöpfungs-Irrweg“.  Der Gesetzesentwurf sei investitionsfeindlich und nicht rechtssicher, es sei mit einer Klagewelle zu rechnen. Besonders kritisch sieht der BEE die Erlösabschöpfung in der Bioenergie-Branche.

BEE-Präsidentin Simone Peter bemängelt auch, dass die Dauer der Abschöpfung deutlich über den europäischen Rahmen hinausgeht und die zeitliche Begrenzung unklar ist.

Die Rückwirkung hält der BEE für verfassungswidrig, wie er bereits in einem Rechtsgutachten dokumentiert hat. Zudem würden unterschiedliche Kraftwerkstypen unterschiedlich belastet. Dieser Ansatz sei nicht mit geltendem EU-Recht vereinbar.

Indem Erlöse statt Gewinne abgeschöpft würden, entziehe man zudem den Unternehmen zu viel Liquidität, die dringend für weitere Investitionen benötigt werde. Auch mit den Sicherheitszuschlägen käme man nicht auf realistische Kostenstrukturen. Eine Steuer auf Gewinne wäre laut BEE nicht nur explizit mit EU-Recht vereinbar gewesen, sie hätte auch viel unnötige Bürokratie vermeiden können.

„Warum Deutschland hier an einem Sonderweg festhält, statt dem Vorschlag der EU und dem Beispiel anderer EU-Staaten wie Österreich, Spanien oder Belgien zu folgen, ist uns nicht begreiflich“, sagt Peter.

Deutsche Umwelthilfe: Gesetzesentwurf aus Österreich als Vorbild

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht im Österreichischen Modell einen guten Kompromiss. Dieses sieht vor, dass Firmen, die ihre Übergewinne in EE investieren, weniger Zufallsgewinne abführen müssen. Diese Regelung könne einfach für die deutsche Situation adaptiert werden.
In Österreich ist der Erlös laut DUH für Firmen, die Strom erzeugen oder damit handeln, auf 180 Euro pro MWh gedeckelt. Können sie keine Investitionen in erneuerbare Energien nachweisen, sinkt die Erlösgrenze auf 140 Euro pro MWh. Abgeschöpft werden 90 Prozent dieser Zufallsgewinne.

Für fossile Energiekonzerne wie Erzeuger und Händler von Öl und Gas sei der durchschnittliche Gewinn aus den Jahren 2018 bis 2021 die maßgebliche Vergleichsgröße. Werde dieser um mehr als 20 Prozent überschritten, würden 40 Prozent der Gewinne abgeschöpft. Würden diese Gewinne in die Umrüstung auf EE investiert, reduziere sich die Abschöpfung auf 33 Prozent. Weiterhin falle eine Körperschaftssteuer von 25 Prozent an.

Bundesverband Solarwirtschaft: Kosten gegenüber 2020 um 60 Prozent gestiegen

Auch der Bundesverband Solarwirtschaft appelliert an die Mitglieder des Bundeskabinetts und des Bundestages, die Strompreisbremse nicht durch unverhältnismäßige Eingriffe in den Solarmarkt und die Erlöse von Solaranlagen-Betreibern zu finanzieren. Der massive Investitionsbedarf in Erneuerbare Energien erfordere einen Solarbooster und keine „Solarbremse“. Der Entwurf sieht Erlösabschöpfungen bei Solaranlagen ab einer Leistung von 1 MW vor.

„Jeder Euro, der in der Solarwirtschaft abgeschöpft wird, kann weniger in neue Solarprojekte investiert werden“, erklärt  BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Auf Grundlage einer Branchenbefragung vor einigen Wochen rechnet der BSW damit, dass im Falle einer Erlösabschöpfung im jetzt geplanten Umfang, insbesondere Neuinvestitionen in förderfrei finanzierte Solarparks in erheblichen Umfang reduziert oder verschoben werden. Die Branche müsse zudem im Vergleich zu 2020 Kostensteigerungen von teilweise über 60 Prozent durch höhere Zinsen, steigende Arbeitskosten und teurere Komponenten abfangen, die in den bisherigen Regierungsplänen noch nicht abgebildet seien. Auch Anbindung an das Stromnetz und die Direktvermarktung seien teurer geworden. Der BSW hatte die Pläne zur Erlösabschöpfung bereits in einem Rechtsgutachten kritisiert.

Elektroverband ZVEI begrüßt Anrechnung von Wärmepumpen auf vergünstigte Verbrauchsmenge

Positiv reagiert hingegen der Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI. Der Verband freut sich darüber, dass die Entlastung bereits ab Januar 2023 greifen soll. Zudem soll bei der Kalkulation der vergünstigen Verbrauchsmenge auch ein möglicher Wechsel auf eine Wärmepumpenheizung berücksichtigt werden. Letzteres müsse auch für andere Investitionen in Elektrifizierung gelten. Zudem plädiert der Verband dafür, den Strompreis dauerhaft zu senken, indem man soweit möglich Umlagen und Abgaben streicht. Insbesondere beim Umstieg auf elektrische Lösungen solle der Strompreis für Endverbraucher unter 30 Cent pro kWh liegen.

22.11.2022 | Quelle: BEE, BSW, Fachverband Biogas, ZVEI | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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