Green Hydrogen Esslingen: Grünen Wasserstoff sektorenübergreifend nutzen

Im Bild ist Florian Henle, Geschäftsführer von Polarstern, der Muttergesellschaft der Green Hydrogen Esslingen.Foto: Polarstern
Florian Henle, Geschäftsführer von Polarstern: „Die energieintensive Wasserstofferzeugung so zu gestalten, dass sie die Energiewende auf breiter Ebene beschleunigt, geht über den Ersatz von Erdgas hinaus.“
Ein Projekt der Green Hydrogen Esslingen zeigt, dass die energieintensive grüne Wasserstofferzeugung sektorenübergreifend geplant werden muss, um marktfähig zu sein: Erdgas-Ersatz, Abwärmenutzung und energiewendedienliche Fahrweise.

Seit über eineinhalb Jahren sammelt die Green Hydrogen Esslingen, eine Tochter des Ökoenergieversorgers Polarstern, Erfahrung mit der Erzeugung von grünem Wasserstoff im Quartier. Im Juni 2021 war die offizielle Inbetriebnahme des Elektrolyseurs mit einer elektrischen Leistung von 1 Megawatt. Angesichts der Energiekrise und des dringend erforderlichen Ausbaus erneuerbarer Energien gewinnt eine Besonderheit dieses Wasserstoffprojekts laut Polarstern an Bedeutung: Die vielfältige und sektorenübergreifende Nutzung von Vorteilen der grünen Wasserstofferzeugung für die Energiewende. „Die energieintensive Wasserstofferzeugung so zu gestalten, dass sie die Energiewende auf breiter Ebene beschleunigt, geht über den Ersatz von Erdgas hinaus“, sagt Florian Henle, Geschäftsführer von Polarstern.

Abwärme der Elektrolyse nutzen

Der Abwärmenutzung im Elektrolyseprozess kommt eine große Bedeutung zu, da sie den niedrigen Wirkungsgrad der Wasserstofferzeugung deutlich erhöht und zugleich die Energiewende in der Wärmeversorgung unterstützt. Im Falle des Pilotprojektes der Green Hydrogen Esslingen steigt der Wirkungsgrad von 60 auf 90 Prozent. Mit der Abwärme steht dem lokalen Markt einmal mehr erneuerbar erzeugte Wärme zur Verfügung.

Genauso bietet die energiewendedienliche Fahrweise des Elektrolyseurs wichtige Flexibilitäten im Energiemarkt und senkt die Energiekosten. „Um die grüne Wasserstofferzeugung mit ihrem hohen Ökostrombedarf sinnvoll in den Energiemarkt der Zukunft zu integrieren, darf es nicht nur um die erzeugte Wasserstoffmenge gehen. Entscheidend für den Ausbau erneuerbarer Energien mit ihrer meist volatilen Erzeugung ist eine energiewendedienliche Fahrweise des Elektrolyseurs. So verstärkt der hohe Energiebedarf der Elektrolyse nicht die Netzengpässe, sondern lindert sie“, sagt Felix Mayer, Projektleiter der Green Hydrogen Esslingen

Mit grünen Wasserstofflieferungen aus anderen Ländern und Kontinenten bliebe dieses Potenzial für die deutsche Wärmewende ungenutzt. „Nur wenn wir hier in Deutschland grünen Wasserstoff erzeugen, können wir die dabei entstehende Abwärme nutzen“, so Mayer. Dabei ergeben sich durch die Abwärmenutzung direkt Effizienzvorteile bei der Elektrolyse und damit auch Heizkostenvorteile für die an das Wärmenetz angeschlossenen Haushalte. Der Nachteil der hohen Wirkungsgradverluste bei der Elektrolyse wird zu einem direkt spürbaren Vorteil: mehr saubere Wärme.

Das Beispiel der Green Hydrogen Esslingen zeigt laut Betreiber die Chancen des dabei entstehenden Abwärmepotenzials für die Immobilienwirtschaft. Perspektivisch erzeugt das Pilotprojekt in Esslingen 85 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr. Mit der entstehenden Abwärme können den Berechnungen zufolge die Hälfte des Wärmebedarfs für Heizung und Warmwasser eines Gebäudes mit 167 Wohnungen, eines 14-stöckigen Bürogebäudes sowie der Hochschule Esslingen gedeckt werden.

Green Hydrogen Esslingen: Energiewendedienliche Fahrweise des Elektrolyseurs

Im künftigen Energiemarkt übernimmt Wasserstoff durch seine Speicherfähigkeit von grünem Strom eine wichtige Rolle. Schließlich wird es häufiger zu Stromüberschüssen im Stromnetz kommen, die dann sinnvoll genutzt werden müssen. Durch die Verknüpfung des Elektrolyseurs mit einem bivalenten Blockheizkraftwerk wird im Esslinger Wasserstoffprojekt Energie per Power-to-Gas-to-Power (P2G2P) stets in die benötigte Form gewandelt. Dazu reagiert der Elektrolyseur auf die Strompreise an der Energiebörse und erzeugt dann Wasserstoff, wenn viel erneuerbare Energie im Netz vorhanden ist und der Energiebedarf vergleichsweise gering. Umgekehrt kann durch das Blockheizkraftwerk eine Rückverstromung erfolgen, wenn ein Energiemangel besteht. Beides soll den Strompreis nachhaltig senken und wirkt Netzengpässen entgegen. Das aktuelle Pilotprojekt der Green Hydrogen Esslingen bezieht bereits heute im Reallabor nur erneuerbar erzeugten Strom. Der erzeugte grüne Wasserstoff wird ins Erdgasnetz eingespeist und dekarbonisiert die daran angeschlossenen Verbraucher.

Mehr Wasserstoff braucht mehr Praxisnähe

Laufende Forschungsprojekte wie das der Green Hydrogen Esslingen zeigen auch Herausforderungen, die für die Wasserstoffpraxis wichtig sind. So fehlt es bislang an Fachkräften, um das Hochlaufen der Wasserstofferzeugung in die Breite zu bringen. Im Betrieb ergeben sich bei Wartung und Reparatur lange Verzögerungen. Und ein Ersatzteilmarkt ist quasi nicht vorhanden, da fast alle Teile eine Spezialanfertigung sind. Eine verstärkte Ausbildung und die Einführung von DIN-Normen würden die Praxis der Wasserstoffproduktion erleichtern. Auch Störungen könnten so schneller behoben werden.

Aktuell beeinträchtigen beim Wasserstoffausbau zudem Rohstoff- und Lieferengpässe Umsetzung und Inbetriebnahme. Hinzu kommen Investitionsunsicherheit und fehlende Förderungen, um die noch recht teuren Wasserstoffprojekte anzustoßen. Bremsend wirken auch die aufwändigen Genehmigungsverfahren. In Deutschland sind derzeit mehr als 60 Wasserstoff-Projekte in Betrieb, in denen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Mehr als 80 weitere sind in Planung oder befinden sich bereits im Bau, so eine Auswertung der Agentur für Erneuerbare Energien.

13.2.2023 | Quelle: Polarstern | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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