Bundesverfassungsgericht: Veto gegen schnellen Heizungsgesetz-Beschluss

Ansicht des Eingangsbereichs des Bundesverfassungsgerichts - außen - im Vordergrund sprießt das grünes GrasFoto: nmann77 / stock.adobe.com
Das Bundesverfassungsgericht hat spät am Mittwochabend, dem 5. Juli, entschieden, dass der Bundestag den für Freitag geplanten Beschluss des Gebäudeenergiegesetzes (GEG 2023) – bekannt als Heizungsgesetz – verschieben muss. Das Gericht folgt dem Antrag auf eine einstweilige Anordnung des CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Heilmann. Über das Gesetz kann der Bundestag nun erst nach einer etwas längeren Beratungszeit entscheiden.

Heilmann hatte den Antrag auf einstweilige Verfügung gegen das Heizungsgesetz am Mittwoch vor einer Woche beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Denn ihm erscheint die Zeit zwischen der Vorlage weitreichender Änderungen des Gesetzes durch die Ampelkoalition am 30. Juni und dem geplanten Beschluss am 7. Juli als zu kurz. Zudem hat er ein Organklageverfahren angestrengt. Der Politiker, der auch Vorsitzender der Klimaunion ist, betont, dass eine Änderung und Verschärfung des GEG absolut notwendig sei, um dem Klimaschutz gerecht zu werden. Doch das Gesetzesvorhaben sei komplex und mit dem von der Ampel vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren sei ein „anständiges Gesetz“ nicht zu erreichen. „Das Verfahren zum Gebäudeenergiegesetz missachtet Parlamentsrechte“, erklärt Heilmann.

Heilmann: Verfahren beschädigt Abgeordnetenrechte

In seinem Antrag führt der Abgeordnete aus, dass seine Rechte aus seinem Abgeordnetenstatus beschädigt würden. Außerdem gelte dies für die verfassungsrechtlich verankerten Grundsätze der Öffentlichkeit des demokratischen Parlamentarismus und die grundlegenden Regeln des Gesetzgebungsverfahrens. Heilmann, der von 2012 bis 2016 Senator für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlin war, sagt: „Ich meine, es ist Zeit, wieder zu sauberen parlamentarischen Prozessen zurückzukehren und es gibt keinen besseren Anlass dafür als eine gut geführte Klimaschutz-Debatte.“

Seit 2017 sitzt Heilmann für die CDU im Bundestag. Auf die Frage, der Solarthemen, warum er sich nicht bereits gegen Gesetzgebungsverfahren in der früheren schwarz-roten Koalition, die ähnlich kurz wahren, gewehrt habe, antwortete er, dass er auch da schon Bedenken gehabt habe. Da sei er aber auch ein Neuling im Bundestag gewesen. Das Heizungsgesetz ist für ihn nun der Anlass, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

Bundesverfassungsgericht wägt zugunsten des Abgeordneten ab

Das Bundesverfassungsgericht bestätigt, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung habe in der Sache Erfolg. Der Hauptsacheantrag im Organstreitverfahren erscheine jedenfalls weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Dabei geht es um die gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG).

Die Folgenabwägung des Gerichts führt nach dessen Aussage zu dem Ergebnis, dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen. In diesem speziellen Fall überwiege das Interesse an der Vermeidung einer irreversiblen Verletzung der Beteiligungsrechte des Antragstellers aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gegenüber dem Eingriff in die Verfahrensautonomie des Deutschen Bundestages. Denn die Umsetzung des Gesetzgebungsverfahrens werde lediglich verzögert. Das Gericht spricht sich hier also nicht gegen das Gesetz aus, sondern es legt lediglich ein Veto gegen das schnelle Verfahren ein.

Heizungsgesetz auf Eis, aber nicht abgelehnt

Heilmanns Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zielte darauf ab, dem Deutschen Bundestag die zweite und dritte Lesung des vorgenannten Gesetzentwurfs nur vorläufig zu untersagen. Das Gesetz könne nicht beschlossen werden, solange nicht allen Abgeordneten die wesentlichen Textpassagen des für die zweite Lesung maßgeblichen Gesetzentwurfs mindestens 14 Tage vorher zugegangen sind.

Das Gericht stimmt dem von Heilmann geforderten Fristen nicht unbedingt zu. Eine weitergehende Entscheidung ist erst im Hauptverfahren zu erwarten. Es bedürfe einer näheren, im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht leistbaren Prüfung, ob die Beteiligungsrechte von Heilmann ohne ausreichenden sachlichen Grund beeinträchtigt wurden, so das Bundesverfassungsgericht. Diese mögliche Gefährdung des Abgeordnetenrechts überwiegt nach dessem Ansicht, weil sie nach dem Beschluss des Gebäudeenergiegesetzes nicht reversibel sei. Dagegen sei ein rechtzeitiger Beschluss des Gesetzes aber immer noch möglich, auch wenn dies nicht in dieser Woche erfolgt. Im Hauptverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wird es nicht um das Heizungsgesetz als solches gehen, sondern nur um die Art und Weise des parlamentarischen Verfahrens.

Kommt eine Sondersitzung zum Heizungsgesetz?

Heilmann hatte bereits im Vorfeld argumentiert, der Bundestag könne für den Heizungsgesetz-Beschluss zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Das Bundesverfassungsgericht sagt, auch der Hinweis, dass sich der Bundesrat bei einem späteren Beschluss des Gebäudeenergiegesetzes durch den Bundestag nicht mehr rechtzeitig mit ihm befassen könne, ziehe nicht. Denn der Präsident des Bundesrates sei zu dessen – auch unplanmäßiger – Einberufung verpflichtet, wenn die Bundesregierung dies verlangt.

Heilmann hatte bereits in der vergangenen Woche im Gespräch mit Journalist:innen erklärt, er sehe die besondere Eilbedürftigkeit des Heizungsgesetzes nicht. Denn es solle erst am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Es spreche aus seiner Sicht daher nichts dagegen, es etwas später in einer Sondersitzung zu beschließen und so Beratungszeit im Parlament zu gewinnen.

Mit dem Gebäudeenergiegesetz will die Ampelkoalition – mit nun längeren Fristen – das Ende von Erdgas- und Ölheizungen einläuten. Künftig soll möglichst jede neue Heizung in neuen und Bestandsgebäude mit einem Anteil von mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien versorgt werden. Details zu den geplanten neuen Regelungen lesen Sie hier.

6.7.2023 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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