Solarthermie statt Erdgas – neue Chance für die Industrie

Im Bild eine von den bereits realisierten Parabolspiegel-Prozesswärmeanlagen in Belgien.Foto: Avery Dennison / Azteq
Parabolspiegel-Prozesswärmeanlage im Werk des Verpackungsmaterialherstellers Avery Dennison im belgischen Thurnhout.
Parabolspiegel-Prozesswärmeanlagen bieten eine kostengünstige Wärmequelle für die Industrie. Sie können in Deutschland solare Prozesswärme bis 400 Grad Celsius zu Wärmegestehungskosten ab 3 Cent/kWh bereitstellen. Solche Anlagen eignen sich auch zur Agri-Solarthermie und sie können zudem Regenwasser zur Bewässerung auffangen.

Die Dekarbonisierung des riesigen Prozesswärmebedarfs in der Industrie ist nicht nur mit Wärmepumpen, Biomasse, Photovoltaik, Windenergie und Geothermie zu lösen. Konzentrierende Solarthermie kann stark zur grünen Prozesswärme-Versorgung in Deutschland beitragen. Große Parabolspiegel-Prozesswärmeanlagen mit etwa 6 Meter Spiegeldurchmesser kommen bereits seit Jahrzehnten in Spanien zur Dampfturbinen-Stromerzeugung zum Einsatz. Dort sind die Einstrahlungsverhältnisse so hoch, dass die Systeme Temperaturen die von mehr als 500 Grad Celsius erreichen und somit effizient und wirtschaftlich Dampfturbinen zur Stromerzeugung antreiben können.

In Deutschland haben wir zwar eine geringere Einstrahlung und weniger Jahres-Sonnenstunden als in Spanien aber sehr wohl ausreichend viel für einen wirtschaftlichen und effizienten Ganzjahresbetrieb zur industriellen Versorgung mit Prozesswärme und sehr niedrigen Wärmegestehungskosten. Grob eingeordnet liegt der Temperaturbereich von Parabolspiegel-Prozesswärmeanlagen in Deutschland bei 70 bis 400 Grad Celsius, was die Anforderungen der meisten Industrieunternehmen und Wärmenetze mit deren Prozesswärmebedarf erfüllt. Bis zu 20 % der Wärmewende in Deutschland kann mit Parabolspiegel-Anlagen gelöst werden.

Optischer Wirkungsgrad über 70 %

Seit etwa dem Jahr 2000 wurde die Technologie enorm weiterentwickelt, es wurden sowohl der Wirkungsgrad als auch die Robustheit und Langlebigkeit optimiert. Die belgische AZTEQ-Gruppe hat sich erfolgreich über Jahrzehnte dieser Herausforderung angenommen und es gelang zum einen durch hochreflektive Präzisionsspiegel, zum anderen durch ein Hightech-Absorber-Rohr, das von einem Glasrohr umgeben ist, in dem sich ein stabiles Vakuum befindet. Den maximalen Wirkungsgrad, der bei Umgebungstemperatur auftritt, hat das Unternehmen so auf über 70 % gesteigert.

Das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) hat mit der Uni Stuttgart und dem Fraunhofer ISE schon 2021 die Eignung des Parabolspiegel-Systems für Deutschland zur Erzeugung von Prozesswärme in einer Studie untersucht. Es wurde festgestellt, dass Parabolspiegel-Systeme ab etwa 70 Grad Celsius einen höheren Ertrag und niedrigere Wärmepreise erreichen als andere Solarthermie-Systeme. Sie können Prozesswärme bis 400 Grad Celsius erzeugen und damit Erdgas, Heizöl oder Holz, das als Rest- oder Abfallholz nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht, in großen Mengen ersetzen.

Wärme der Parabolspiegel-Prozesswärmeanlage kostet ab 3 Cent/kWh

Eine Verstromung der erzeugten Wärme lohnt sich mit den Sonnenverhältnissen in Deutschland nicht, jedoch die Erzeugung von Prozesswärme ist lukrativ. Denn mit Wärmepreisen ab zirka 3 Cent/kWh ergibt sich eine attraktive Alternative zum Erdgas mit laufend steigender CO2-Steuer. Dabei sind 3 Cent/kWh bei optimalen Bedingungen erreichbar. Wie bei jeder Solarthermie-Anlage hängt der Wärmepreis von den Rahmenbedingungen wie der Solareinstrahlung, der Flächenausrichtung, der Vorlauf-Temperatur und dem Delta-T zur Rücklauftemperatur ab. Auch das Lastverhalten und der Wärmespeicherbedarf spielen eine Rolle. Jede Anlage ist ein Unikat und es wird individuell errechnet, wo das Optimum der Konfiguration liegt. Für einen Chemie-Standort in Bayern, der eine Parabolspiegel-Prozesswärmeanlage mit 20 MW Dampflieferung bei 280 Grad Celsius plant, konnte für ein Contracting über 20 Jahre ein Wärmepreis von 3,1 Ct/kWh dargestellt werden.

Dieser Sonnenwärmepreis bleibt über Jahrzehnte stabil. Dabei ist eine Lebensdauer von 40 und mehr Jahren ohne nennenswerte Wirkungsgradverluste möglich. Dabei überprüfen Sensoren das Vakuum in den Absorber-Rohren, die man bei Bedarf nachevakuieren kann. Die Amortisationszeit der Anlagen liegt durchschnittlich bei 6 bis 8 Jahren.

Hohe Leistung, niedriger Flächenverbrauch

Ein großes Parabolspiegel-System hat einen Spiegel-Durchmesser von 5,77 m und Kollektor-Reihen mit einer Länge von bis zu 144 m. Die Anlagengröße ist variabel von 2 MW bis weit über 100 MW thermischer Leistung skalierbar. Das Solarfeld kann je nach Größe des Wärmeabnehmers auch mehrere Kilometer vom Einspeisepunkt entfernt sein, falls verfügbare Flächen nur weit entfernt zu finden sind.

In den Monaten März bis Oktober liefert eine Parabolspiegel-Anlage die größten Wärmemengen, von November bis Februar sind in Deutschland aufgrund der geographischen Lage schwache Monate. Dennoch liefert eine Anlage zum Beispiel in Bayern auf 1 Hektar Landfläche jedes Jahr etwa 2,2 Millionen Kilowattstunden Prozesswärme.

Da fast alle Sonnenstrahlen, die auf die Spiegel eintreffen vom Absorber aufgenommen werden, entsteht keine Blendwirkung für die Umgebung. Deshalb dürfen diese Anlagen sogar in Flughafen-Einflugschneisen gebaut werden. Parabolspiegel-Prozesswärmeanlagen bedeuten auch keine Belästigung beispielsweise für benachbarte Siedlungen durch Blendeffekte, Geruch oder Geräuschentwicklung. Das viele Grün zwischen den Kollektorreihen sieht natürlich und beruhigend aus, dies mindert auch die Auffälligkeit der Kollektoren als Fremdkörper in der Landschaft.

Landwirtschaftliche Nutzung der Anlagenfläche

Parabolspiegel-Anlagen bieten die Möglichkeit einer sekundären Landnutzung in Form von „Agri-Parabol-Feldern“, auf denen gleichzeitig Grüne Prozesswärme und Lebensmittel erzeugt werden. Dadurch reduziert sich der effektive Flächenverbrauch deutlich. Denn Parabolspiegel Anlagen brauchen ohnehin für den optimalen Betrieb einen ausreichenden Abstand zwischen den Kollektorreihen, dass sich in den Morgen und Abendstunden die Kollektoren nicht wechselseitig verschatten.

Dies kann zum Vorteil genutzt werden, indem man die Abstände der Kollektorreihen über die landwirtschaftliche Sekundär-Nutzung bestimmt. Beispielsweise kann beim Regulär-Abstand von 11 m zwischen den Kollektor-Achsen die Fläche zwischen den Kollektorreihen und auch unter den Kollektoren – wo durch natürliche Wechselbeschattung der bewegten Kollektoren im Tagesverlauf jegliche Vegetation gut wächst – Weidevieh gehalten werden, ob Rinder, Schafe, Ziegen oder Geflügel. Im Hochsommer freuen sich die Tiere auch darüber Schatten unter den Kollektoren zu finden. Hühnerhalter sind froh über die breiten Kollektoren als „Habicht-Schutz“, wohin die Hühner bei Raubvogelangriffen schnell flüchten können.

Bis zu 80 % der Anlagenfläche kann auch für landwirtschaftliche Erzeugung genutzt werden, beispielsweise zum Anbau von Gemüse, Salat, Kräuter oder Getreide. Mit entsprechender Skalierung der Reihenabstände können sogar große landwirtschaftliche Maschinen zwischen den Kollektorreihen fahren und arbeiten. Die natürliche Wechselbeschattung der beweglichen Parabolspiegel bringt zudem große Vorteile für den Anbau von Nutzpflanzen zwischen den Spiegelreihen. Der Klimawandel schädigt bereits viele Nutzpflanzen durch Sonnenbrand und hohe Bodenverdunstung. Beides wird durch die Wechselbeschattung der bewegten Spiegel stark reduziert.

Ein Forschungsprojekt mit der Uni Weihenstephan-Triesdorf und dem DLR bezüglich der optimalen landwirtschaftlichen Sekundär-Nutzung von Parabolspiegel Solarthermie-Anlagenflächen ist derzeit in Vorbereitung.

Parabolspiegel-Prozesswärmeanlagen als Insekten-Habitat

Landwirtschaftlich nicht nutzbare Flächen wie Überflutungsflächen, Moore oder alte Deponieflächen können mit Parabolspiegel-Prozesswärmeanlagen als wertvolles Insekten-Habitat für Bienen, Falter & Co. genutzt werden. Imker können ihre Bienenvölker aufstellen und Bio-Honig ernten, viele Insekten wie Schmetterlinge und Hummeln finden ein Habitat zur Nahrungssuche und Regeneration der Artenvielfalt.

Gleichzeitig wird Sonnenwärme bis zu 400 Grad Celsius geerntet, was völlig ungefährlich für Insekten und Vögel ist, da sich das heiße Absorber-Rohr innerhalb eines Glasvakuum-Hüllrohres befindet, worauf sogar Vögel ohne Gefahr sitzen können. Bis zu 95 % der Anlagenfläche kann als Wildblumenwiese angelegt werden, sowohl zwischen als auch unter den Kollektorreihen.

Durch den sich jährlich weiter beschleunigenden Klimawandel erleben wir die zunehmende Entwicklung von ausgeprägten Dürreregionen vor allem im Sommer aber auch oft in den Wintermonaten. Durch eine kleine Umrüstung kann das Parabolspiegel-Feld als Regensammler genutzt werden und das gesammelte Wasser in Auffangbecken leiten, wo es in Dürreperioden zur Bewässerung bereitsteht.

Bei Regen drehen die fast 6 Meter breiten Parabolspiegel dann vollständig nach oben und können somit zu Wasser-Rinnen werden, die robust genug sind, um auch Starkregen aufzunehmen. Sie führen das Regenwasser durch ein Rohrnetz zu kostengünstigen, einfach konstruierten Wasser-Auffangbecken. In den künftig zunehmenden Trockenperioden können dann sowohl das eigene Agri-Parabolspiegel-Solarfeld sowie auch benachbarte Felder bewässert werden.

Erste Parabolspiegel-Prozesswärmeanlagen in Deutschland und Österreich in der Vorplanung

Bereits im Betrieb befindliche Anlagen stehen in Belgien, Dänemark oder Südeuropa für namhafte Brauereien, kommunale Wärmenetze und Chemieunternehmen. Parabolspiegel-Prozesswärmeanlagen können mit Terminvereinbarung auch besucht werden. Derzeit befinden sich in Österreich sieben große Anlagen in der staatlich geförderten Vorplanung mit Machbarkeitsstudien, für drei Großbrauereien, einen Industriehersteller, zwei Großmolkereien und einen großen Wursthersteller.

In Deutschland sind sechs große Anlagen in der Vorplanung, in Belgien entstehen derzeit weitere vier Anlagen mit verschiedenen Industrieunternehmen, wobei zwei Unternehmen die Anlagenfläche erweitern aufgrund der guten Praxiserfahrung und hohen Prozesswärme-Ausbeute. Zahlreiche weitere Planungen laufen parallel dazu für große Parabolspiegel-Anlagen in Europa, USA, Südamerika, Australien und Afrika.

Heineken betreibt größte solare Prozesswärme-Anlage Europas

Im September 2023 ging in Spanien für eine große Heineken Brauerei die größte solare Prozesswärme-Anlage Europas in Betrieb. Sie erzeugt Druckwasser bei 130 Grad Celsius mit 30 MW thermischer Leistung. Mit ihren großen Wärmespeichern erzeugt sie jährlich eine Wärmemenge von ca. 35 Millionen Kilowattstunden. Diese Anlage hat AZTEQ-Gruppe gebaut und betreibt sie im Contracting für Heineken.

Wenn ein Industrieunternehmen wie eine große Brauerei derzeit die Prozesswärme für das eigene Dampf- und Heißwassernetz mit Erdgas erzeugt, kann eine Parabolspiegel-Anlage je nach Jahres-Lastprofil der Brauerei etwa 30 bis 50 % des Gasverbrauchs durch Sonnen-Prozesswärme ersetzen. Somit macht es durchaus Sinn – sofern Flächen vorhanden sind – eine Parabolspiegel-Anlage mit dem errechneten Optimum an Leistung und Jahresertrag als Primär-Prozesswärme-Quelle einzusetzen. Mit der preisgünstigsten grünen Wärmequelle wird also sinnvollerweise das maximal mögliche erzeugt und der restliche Bedarf über regenerative Komplementär-Technologien gedeckt, wie etwa Biogas, Treber-Abfall, Bio-Ethanol aus alkoholfreier Bierproduktion, Biomasse oder Hochtemperatur-Wärmepumpen.

Bei den Hochtemperatur-Wärmepumpen kann es jedoch durchaus Probleme mit der Anschlussleistung des Energieversorgers geben, vor allem wenn der gesamte Prozesswärmebedarf mit Wärmepumpen gelöst werden soll, da häufig die Zuleitungen nicht für einen so großen Leistungszuwachs ausgelegt sind.  Wenn die neue, grüne Prozesswärme-Versorgung hingegen aus mehreren hybriden Quellen zusammengesetzt wird, wie aus einer Parabolspiegel-Anlage, einer Verbrennung von Bioethanol oder Biogas aus Treber oder Biomasse, dann braucht die Wärmepumpe für den Rest der Wärmeversorgung nicht allzu groß sein und wird in den meisten Fällen die vorhandenen Stromzuleitungen nicht überlasten.

Kunden wählen investitionsfreies Wärme-Contracting

Die Zeitspanne von der Planung bis zur Inbetriebnahme von Parabolspiegel-Prozesswärmeanlagen erstreckt sich in der Regel über 18 bis 30 Monate. Die staatliche BAFA-Förderung für eine solche Anlage beträgt derzeit 45 % bis 65 % und setzt ein attraktives Potenzial für die Multiplikation dieser neuen Prozesswärme-Anlagen in Deutschland. Auch wenn die Förderung derzeit wegen der Haushaltsperre ausgesetzt ist, ist davon auszugehen, dass sie 2024 wieder einsetzt, da Deutschland sonst im Europavergleich mit den Klimazielen sehr stark abrutschen würde.

Betrieb und Wartung dieser Parabolspiegel-Prozesswärmeanlagen werden meist über einen langfristigen Wartungsvertrag geregelt, wobei sich das Unternehmen um nichts kümmern muss, ob es die Reinigung der Spiegel 3- bis 4-mal jährlich oder die Wartung von Systemkomponenten anbelangt. Die bisherigen Erfahrungen zeigen dass etwa 85 % der Kunden ein Investitionsfreies Wärme-Contracting wählen, wobei der Hersteller als „full service provider“ dann auch eine Flächenverfügbarkeit eruiert und die Flächenpacht in den Wärmepreis integriert.

Werner Langbauer

[1] „Krüger, D.; Fischer, S.; Nitz, P.; Labairu, J.: „Chancen für den Einsatz konzentrierender Kollektoren in Mitteleuropa“, 31. Symposium Solarthermie und innovative Wärmesysteme, 2021

Autor: Werner Langbauer betreibt in Grabenstätt am Chiemsee eine Industrievertretung für Solare Lösungen. Das Unternehmen vermittelt Hersteller zu spezifischen Kunden und entwickelt die Lösungen mit. Dabei arbeitet das Unternehmen mit der AZTEQ-Gruppe und deren 100-%-Tochter Solarlite aus Rostock als Hersteller für Parabolspiegel-Anlagen zusammen. werner.langbauer@parabolspiegel-sonnenkraftwerk.de, www.parabolspiegel-sonnenkraftwerk.de

Im Bild das Titelbild vom Solarthermie-Jahrbuch SOLARE WÄRME 2023.

Weitere Informationen zur Solaren Wärme sind im Solarthermie-Jahrbuch zusammengefasst. Sie können das Solarthermie-Jahrbuch 2023 unter diesem Link bestellen.

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