Bidirektionales Laden – was geht?

Haus mit Photovoltaikanlage vor rotem Abendhimmel. Im Vordergrund lädt ein ElektroautoFoto: Mediaparts / stock.adobe.com
Die Batteriekapazität, die bereits in Elektroautos auf Deutschlands Straßen herumfährt, ist etwa zehnmal so groß wie die der Heimspeicher. Im Jahr 2024 soll es erste Produkte geben, mit denen sich die Fahrzeugakkus zumindest ins Hausnetz einbinden lassen.

Wenn Jan Figgener von der RWTH Aachen seine Daten zum deutschen Stromspeichermarkt präsentiert, ist das Diagramm zu den mobilen und stationären Batterien immer wieder ein Hingucker. Rund 72 Gigawattstunden (GWh) Batteriekapazität waren 2022 in Deutschland installiert – etwa 65 GWh davon in elektrischen Fahrzeugen. Zum Vergleich: Die Kapazität von Pumpspeichern, der bisher größte Stromspeicherpool in Deutschland, liegt bei 39 GWh. Wenn bis 2030 wirklich 15 Millionen E-Autos in Betrieb sind, wären da theoretisch 750 GWh zusätzliche Speicherkapazität. Praktisch werden allerdings weder alle Fahrzeuge noch alle Ladepunkte für das bidirektionale Laden geeignet sein. Die von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen beauftragte Studie „Bidirektionales Laden in Deutschland – Marktentwicklung und Potenziale“ rechnet mit einer verfügbaren Kapazität von 101 bis 142 GWh im Jahr 2030 und mehr als dem Dreifachen bis Mitte des Jahrzehnts.

Speicherschatz auf Rädern

Dass dieser Speicherschatz auf Rädern genutzt werden soll, steht im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung und ist weitgehend Konsens. Bereits 2022 hat das Bundesministerium für Wirtschaft- und Klimaschutz (BMWK) einen Forschungszuschuss von 22 Millionen Euro mit dem Schwerpunkt bidirektionales Laden bereitgestellt. Ende November lud Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck zudem Vertreterinnen und Vertreter aus sieben europäischen Nachbarstaaten, von Regulierungsbehörden, der Europäischen Kommission sowie der Automobil-, Ladeinfrastruktur- und Energieindustrie zu einem Gipfel für bidirektionales Laden nach Berlin ein. Bis 2025 wollen sie die Technologie „zur Marktreife“ bringen, heißt es in der Pressemitteilung.

„Vehicle to Home“ kommt

Allzu weit kann dieser Weg nicht sein, sollte man meinen, wenn man die Pressemitteilungen von Ladeanbietern verfolgt. Auf der Messe The smarter E Europe im Juni führte Wallbox Chargers sein Modell für das bidirektionale Laden vor: Ein am Messestand geparkter Cupra Volt schickte, per App angesteuert, den Strom aus seiner Batterie zurück in die Messehalle. Verfolgen ließ sich das Ganze live per Visualisierung am Bildschirm. Im September versprach das Verkehrsministerium in seinem einen halben Tag währenden PV-Wallbox-Programm sogar schon einen Zuschuss für bidirektionale Wallboxen, von denen laut der Produktliste der KfW immerhin eine verfügbar sein sollte.

Keine Lösungen für bidirektionales Laden am Markt

Doch selbst für den einfachsten Anwendungsfall „Vehicle to Home“, also das Nutzen der Autobatterie als Heimspeicher, konnte man Ende 2023 noch keine einzige Lösung kaufen. Daran ist ausnahmsweise nicht „die Regulatorik“ schuld, sondern das Fehlen kompatibler Produkte. Das soll sich 2024 ändern. Mit einer Kleinserie will der Stromspeicher-Spezialist E3/DC die Energie aus dem Autoakku ins Haus bringen. Bei „Edison connect“ handelt es sich allerdings nicht um eine klassische Wechselstrom (AC)-Wallbox, sondern um ein Gleichstrommodell (DC), das an die jüngste Version des „Hauskraftwerks“ von E3/DC angeschlossen wird. Doch obwohl es mit dem Standard ISO 1518-20 ein Kommunikationsprotokoll gibt, über das DC-Ladestationen theoretisch mit jedem Elektroauto kommunizieren könnten, das an einem CCS-Stecker hängt, funktioniert das bidirektionale Laden bisher nur in Fahrzeugen des Projektpartners VW. Voraussetzung ist, diese haben eine 77-kWh-Batterie und eine aktuelle Software.

VW begrenzt zudem das gezielte Entladen auf 10.000 kWh (130 Vollzyklen) und 4.000 Betriebsstunden in der gesamten Lebensdauer des Fahrzeugs. Trotz DC-Verbindung lädt das Edison-Modul lediglich mit 11 kW. Das fordert schon einiges an Überzeugung von der Kundschaft. „Es ist ein Pionierprodukt“, fasst Pressesprecher Ralf Ossenbrink zusammen. Auch das aus der KfW-Förderung bekannte bidirektionale DC-Lademodul von Sigenergy mit 12,5 und 25 kW Ladeleistung soll ab 2024 erhältlich sein, bestätigt der Anbieter.

Verbindung mit Heimspeicher

Wie bei E3/DC wird auch bei Sigenergy das Lademodul in ein Heimenergiesystem eingebunden. Darin muss mindestens ein stationäres Batteriemodul enthalten sein, um die Lastflüsse in beide Richtungen steuern zu könne, denn die Autobatterie im Stop-and-Go-Modus zu beladen, sobald ein Sonnenstrahl durch die Wolken bricht, wäre deren Lebensdauer wenig zuträglich. „Man kann davon ausgehen, dass ein einzelnes Batteriemodul mit 5 oder 8 Kilowattstunden – beziehungsweise zwei Batterie­module bei Wärmepumpenheizung – in Kombination mit der Fahrzeugbatterie für nahezu alle Heimspeicheranwendungen ausreicht“, sagt Business Development Director Holger Grau. Die von VW freigegebenen 10.000 kWh würden bei einer bisher typischen Nutzung für die Eigenoptimierung etwa acht bis zehn Jahre reichen. Mit präziseren Erfahrungsdaten lässt sich hoffen, dass die Autohersteller auch mehr Kapazität zur Verfügung stellen. Ein Selbstläufer ohne Zusatzkosten ist das System dadurch aber nicht.

Bidirektionales Laden – DC oder AC?

Die DC-Lader sind auch bei niedrigen Leistungen deutlich teurer als AC-Wallboxen. Das liegt nicht nur an den winzigen Stückzahlen, sondern auch an der relativ kostspieligen DC-DC-Wandlung. Je nach örtlichen Gegebenheiten kommt noch eine Gleichstromleitung vom Anschlussraum bis in den Carport dazu. Dass die Anbieter trotzdem auf sie setzen, liegt nicht nur am Kommunikationsprotokoll. Der Gleichstrom aus der Autobatterie lässt sich auf diese Weise auch gut DC-seitig in das Heimenergiesystem einbinden.

Dennis Schulmeyer, Gründer des Start-ups Lade, setzt hingegen darauf, dass das Iso-Protokoll noch in diesem Jahr auch für das AC-Laden erweitert wird. „Wir wollen im vierten Quartal 2024 eine AC-Wallbox für bidirektionales Laden herausbringen, die weniger als 500 Euro kosten wird“, kündigt er an. Seine Zielgruppe sind zum Beispiel Unternehmen, die eine günstige Lösung für viele Fahrzeuge suchen.

Damit das funktioniert, müsste im Auto selbst statt des bisherigen Gleichrichters ein bidirektionaler Wechselrichter enthalten sein, der für den Netzparallelbetrieb geeignet ist, was natürlich auf der Fahrzeugseite für Mehrkosten sorgt.

Freigabe der Autohersteller für bidirektionales Laden fehlt

Im Gegensatz zu E3/DC fehlt es allerdings sowohl Sigenergy als auch Lade bisher an einem festen Partner aus der Automobilindustrie und allgemeine Freigaben der Autohersteller gibt es noch nicht. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) will das ändern. Er hat es sich auf die Fahnen geschrieben, gemeinsam mit Energiebranche, Verbraucherorganisationen und Automobilindustrie einheitliche Standards zu erarbeiten. „Der Knackpunkt liegt dabei im diskriminierungsfreien Zugriff auf die Batteriedaten im Fahrzeug. Nutzerinnen und Nutzer und die von ihnen für das Lademanagement und die Abrechnung beauftragten Dritten müssen Zugriff auf den Batteriestatus erhalten – unabhängig davon, welche Marke und welches Modell gerade be- oder entladen werden soll. Dieser Zugriff ist Grundvoraussetzung für einen fairen Wettbewerb und vermeidet Lock-in-Effekte bei den Nutzerinnen und Nutzern“, erklärt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Einen Markt für vollständig interoperable Lösungen werde es aber wohl nicht vor 2028 geben, heißt es in einem Positionspapier des BDEW.

Zurück ins Netz

Für die – möglichst nahe – Zukunft setzen Ladesystemanbieter darauf, dass der Strom aus dem Auto auch ins öffentliche Netz fließt. Dann könnten sie mit der gebündelten Flexibilität der E-Autos am Strommarkt teilnehmen oder Regelenergie anbieten und so die zusätzlichen Kosten wieder einspielen. The Mobility House experimentierte 2018 mit einem Nissan Leaf, der erst eine Präqualifizierung durchlief und anschließend Primärregelleistung lieferte. Mit 8 kW zur Verfügung gestellter Leistung habe der Kleinwagen gut 20 Euro wöchentlich eingespielt.

Doch die Realität sieht bisher anders aus. „Die Optimierung, Skalierung und Preisreduktion werden nur erfolgen, wenn es sich für E-Auto-Fahrende lohnt, ihre Flexibilität bereitzustellen. Analog zu den stationären Speichern muss daher insbesondere die Doppelbelastung von mobilen Speichern entfallen“, sagt Marcus Fendt, CSO und Geschäftsführer bei The Mobility House.

Der zweite Knackpunkt ist: Tankt das Fahrzeug Solarstrom und Netzstrom, lässt sich dieser nicht mehr auseinanderhalten. Will man keinen Grünstrom „vergrauen“, muss eine bilanzielle Trennung möglich werden, fordern unter anderem The Mobility House und der BDEW. Der Weg ins Stromnetz ist also noch ein Stück weiter als in das Heimenergiesystem.

Autorin: Eva Augsten
© Solarthemen Media GmbH

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