Weniger Kohle, weniger Industrie: CO2-Emissionen in Deutschland 2023 auf Rekordtief

Rauchende Schlote eines Kohlekraftwerkes - CO2-Emissionen in Deutschland 2023Foto: Ana Gram / stock.adobe.com
Weniger Strom aus Kohle war 2023 ein Hauptgrund für sinkende Emissionen.
Laut Agora Energiewende sind die CO₂-Emissionen in Deutschland 2023 auf den niedrigsten Stand seit 70 Jahren gefallen. Doch nur ein kleiner Teil davon gehe auf Klimaschutz-Maßnahmen zurück.

Im Jahr 2023 emittierte Deutschland rund 673 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente – das sind 46 Prozent weniger Emissionen als im Referenzjahr 1990 und entspricht dem Stand der 1950er. Das Jahresziel aus dem Klimaschutzgesetz wurde damit um 49 Millionen Tonnen unterschritten. Dies besagen vorläufige Berechnungen aus der Bilanz des Energiejahres 2023 von Agora Energiewende.

Im Vergleich zum Vorjahr sanken die Emissionen 2023 demnach um 73 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Agora sieht dafür vor allem zwei Gründe. Erstens wurde seit den 1960ern nicht mehr so wenig Strom aus Kohle erzeugt. Das zeigte sich bereits anhand der ersten Auswertungen der AG Energiebilanzen, über die der Solarserver im Dezember berichtete. Die geringere Kohleverbrennung senkte die Emissionen um 44 Millionen Tonnen. Zweitens haben energieintensive Unternehmen einfach weniger produziert – und zwar laut vorläufigen Zahlen stattliche elf Prozent. Die gesamtwirtschaftliche Leistung ging „nur“ um 0,3 Prozent zurück.

Lediglich 15 Prozent der Emissionsminderung sind laut Agora langfristig. Dazu zählt der Thinktank vor allem den Zubau Erneuerbarer Energien, Effizienzsteigerungen sowie den Umstieg auf weniger CO2-intensive Brennstoffe. Die Hälfte ordnet Agora hingegen Effekten wie dem krisenbedingten Produktionsrückgang und geringeren Stromverbrauch zu.

Die Gesamtemissionen der Energiewirtschaft inklusive Raffinerien und lagen laut Agora bei nur noch 210 Millionen Tonnen CO₂ und damit 46 Millionen Tonnen CO₂ (18  Prozent) unter dem Vorjahresniveau. Laut Agora dabei auch der gestiegene Stromimport eine Rolle, der Kohlestrom aus Deutschland verdrängte. Allerdings stammten die Stromimporte laut Agora ohnehin zu 49 aus Erneuerbaren Energien – vor allem Wasser- und Windkraft – und 24 Prozent aus Kernkraft.  

Industrie: Klimaschutz-Ziele unfreiwillig übererfüllt

Für den Industriesektor hat Agora auf Basis von vorläufigen Energieverbrauchs- und Produktionsdaten für 2023 eine Minderung der Emissionen um 20 Millionen Tonnen CO₂ (12 Prozent) im Vergleich zum Vorjahr berechnet. Mit nunmehr 144 Millionen Tonnen CO₂ übererfüllte der Bereich das Jahresziel von 173 Millionen Tonnen CO₂ deutlich und erreichte den niedrigsten Stand seit der erste Erfassung der Industrieemissionen im Jahr 1990. Grund zur Freude sieht der Thinktank darin aber keinesfalls. „Der krisenbedingte Produktionseinbruch schwächt den Industriestandort Deutschland. Wenn in der Folge Emissionen lediglich ins Ausland verlagert werden, ist auch für das Klima nichts gewonnen“, sagt Simon Müller, Direktor von Agora Energiewende Deutschland. Auch eine stärkere Konjunktur in Deutschland würde die Emissionen sofort wieder steigen lassen. Müller drängt auf mehr Finanzierungs- und Planungssicherheit für die Unternehmen, um den Umstieg auf strombasierte Prozesse zu stemmen. Wertschöpfungsketten vor Ort müssten gesichert werden. Positiv bewertet Müller die Stärkung des europäischen Emissionshandels, die Einigung auf CO₂-Ausgleichszahlungen für Rohstoffimporte in die EU und Klimaschutzverträge für die Industrie.

Gebäudesektor lässt hoffen, Verkehrssektor weiter ohne Konzept

Die Sektoren Gebäude und Verkehr rissen hingegen mit nahezu unveränderten Emissionen zum vierten beziehungsweise dritten Mal ihre Klimaziele. So werde Deutschland 2024 voraussichtlich seine Zusagen im Rahmen der „Effort Sharing Regulation“ der EU nicht halten können. Das heißt, die Bundesregierung muss Emissionsrechte aus anderen EU-Staaten kaufen oder Strafe zahlen.

Der Gebäudesektor emittierte laut Agora 109 Millionen Tonnen CO2 – 8 Millionen Tonnen zu viel. Die kleine Minderung um 3 Millionen Tonnen führt der Thinktank auf mildes Wetter und sparsames Heizen wegen hoher Gaspreise zurück. Im vierten Quartal habe sich bereits wieder ein leichter Anstieg beim Heizenergieverbrauch abgezeichnet. Der Verkehrssektor emittierte 145 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent – 12 Tonnen mehr als erlaubt und lediglich 2 Prozent weniger als 2022. E-Autos machten weiterhin lediglich knapp 20 Prozent der Neuzulassungen aus. Während Agora für den Gebäudesektor Hoffnung sieht, wenn die angestoßenen Änderungen umgesetzt werden, fehle es im Verkehrssektor an einem schlüssigen Gesamtkonzept, das von Steuern und Abgaben auf Pkw über mehr öffentlichen Nahverkehr bis zu mehr rechtlichen Möglichkeiten für eine kommunale Verkehrswende reiche.

Auch die Landwirtschaft unterschritt mit rund 61 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent ihr Sektorziel von 67 Millionen Tonnen. Das liege aber vor allem an einer neuen Berechnungsmethode für Lachgas-Emissionen, so Agora. Tatsächlich seien die Emissionen seit 2022 um etwa eine Million Tonnen CO2-Äquivalent gesunken. Die Gründe: weniger Schweine und Rinder sowie weniger Stickstoffdüngung.

Quelle: Agora Energiewende | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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