Solarthermie für Randbereiche großer Fernwärmenetze

Luftbild der SOlarthermieanlage der Stadtwerke in Senftenberg.Foto: Stadtwerke Senfenberg
Die Solarthermieanlage der Stadtwerke Senftenberg ist ein Paradebeispiel für die Einspeisung solarer Wärme in einen peripheren Netzbereich.
Solarthermieanlagen können dezentral in die Randbereiche eines Fernwärmenetzes eingebunden werden. Dies schafft Spielräume bei der Suche nach geeigneten Standorten für die Kollektorfelder. Außerdem ermöglicht Solarthermie hydraulische und thermische Verbesserungen für das Wärmenetz. Ein Erfahrungsbericht von Daniel Heiler und Annika Brecht vom Fernwärmeverband AGFW.

Die Integration von Solarthermieanlagen in große Fernwärmenetze ist ein komplexes Projekt. Besonders in urbanen Gebieten, in denen große Fernwärmenetze in den kommenden Jahren in Richtung Klimaneutralität transformiert werden sollen, besteht ein großer Bedarf an erneuerbaren Wärmequellen wie der Solarthermie. Allerdings benötigt die Solarthermie Freiflächen für ihre Kollektorfelder. Doch im Stadtzentrum, wo sich Fernwärmenetze typischerweise um Heiz- oder Heizkraftwerke bündeln, sind Flächen knapp und teuer.

Dezentrale Einbindung als Lösung

Eine Lösung für dieses Dilemma könnte die dezentrale Einbindung der Solarthermie in Randbereiche des Netzes sein. Dabei wird die solarthermische Anlage nicht an ein zentrales Heizkraftwerk angeschlossen, sondern an einem anderen Punkt im Netz. Dieser Punkt muss jedoch die technischen Voraussetzungen erfüllen. So muss das Netz natürlich die anfallenden Leistungen und Wärmemengen aufnehmen können. Außerdem sollte die Solarthermieanlage nicht zu weit vom bestehenden Wärmenetz entfernt sein. Außerhalb der Stadtzentren gibt es Freiflächen in der Nähe der Fernwärmetrassen, die diese Anforderungen erfüllen. Die gute Nachricht ist, dass Solarwärmeanlagen hier sogar eine Reihe von Vorteilen für die Hydraulik und den Netzbetrieb bringen können.

gGrafische Darstellung einen Solarthermieanlage, die im Randbereich eines Fernwärmenetzes einspeist
Schema einer dezentralen Einbindung

Durch die dezentrale Einbindung einer solarthermischen Anlage in periphere Netzbereiche können hydraulische Netzschlechtpunkte überwunden werden, insbesondere solche, die im Sommer auftreten. Netzschlechtpunkte sind die Punkte im Fernwärmenetz, an denen die Versorgung am schwächsten ist. Diese Schlechtpunkte können im Sommer und Winter unterschiedlich sein. Im Sommerbetrieb treten sie verstärkt bei großen Netzen mit vielen Maschen und Querverbindungen in den Randgebieten der Netze auf. Ein Fernwärmebetreiber muss diese Situationen antizipieren und versuchen, sie durch geeignete Maßnahmen, etwa zusätzliche Pumpen oder Bypässe, zu vermeiden. Eine Solarthermieanlage an geeigneter Stelle kann dazu beitragen, diese Netzschlechtpunkte im Sommer zu vermeiden und Pumpenstrom einzusparen.

Zudem schafft eine Solarthermieanlage in den Randbereichen des Netzes Potenzial für Netzerweiterungen. Die hohe Akzeptanz der Solarwärme kann auch als Argument für die Netzerweiterung gegenüber Kunden und Kommunalpolitik dienen.

Bei der dezentralen Einspeisung von Solarwärme in das Netz beeinflusst die Solareinspeisung die Strömungsverhältnisse. Insbesondere wenn große Wärmemengen in Netzabschnitte gepumpt werden, in denen die Verbraucher wenig Wärme beziehen, kann sich die Strömungsrichtung zeitweise umkehren.

Umkehr der Strömungsrichtung

Wenn eine Solarthermieanlage dezentral in ein Wärmenetz einspeist, werden die in Flussrichtung gelegenen Verbraucher mit Solarwärme versorgt. Steigt die Einspeiseleistung des dezentralen Erzeugers über den Bedarf der in Flussrichtung gelegenen Verbraucher hinaus an, werden auch Verbraucher versorgt, die sich entgegen der normalen Flussrichtung befinden. In diesem Netzbereich kehrt sich die Strömungsrichtung in der Vor- und Rücklaufleitung um.

Wenn die Leistung der Solarthermieanlage den Bedarf übersteigt, muss die überschüssige Wärme zwischengespeichert werden. Hierfür bietet sich ein Speicher an, der am Einbindepunkt oder an anderen geeigneten Stellen im Wärmenetz platziert werden kann.

Solarthermie hilft Vorlauftemperatur zu senken

Eine dezentral eingebundene solarthermische Anlage kann sich auch positiv auf die Vorlauftemperatur auswirken. Insbesondere in den Sommermonaten nimmt die Vorlauftemperatur in den Netzrandgebieten stark ab. Um die auftretenden Temperaturverluste zu kompensieren, muss die Vorlauftemperatur im Netz im Sommer deshalb höher gewählt werden. Denn der Versorger ist verpflichtet jedem Kunden – auch dem hydraulisch am ungünstigsten gelegenen – eine Warmwassertemperatur von 60 Grad Celsius nach dem Warmwasserbehälter zu garantieren. Zusätzlich sind oft hydraulische Maßnahmen nötig, beispielsweise absichtliche Kurzschlüsse. Unerwünschte Nebenwirkung solcher Eingriffe: Sie erhöhen die Netz-Rücklauftemperatur und verschlechtern damit die Effizienz des Systems. Eine Solarthermieanlage an der richtigen Stelle kann einen Sommer-Netzschlechtpunkt mit ausreichend hohen Netzvorlauftemperaturen versorgen und ihn damit komplett eliminieren. Die lokale Anhebung der Vorlauftemperatur erlaubt es somit in der Praxis, die Netzvorlauftemperatur am zentralen Heizwerk zu reduzieren.

Flächensuche für Solarthermie in Randbereichen

Besonders in den Randgebieten von Wärmenetzen kann es sich also lohnen, die Verfügbarkeit geeigneter Freiflächen für Solarthermie zu prüfen. Abbildung 2 zeigt mögliche Einbindepunkte von solarthermischen Anlagen in den Randgebieten eines Wärmenetzes.

Grafik eines Beispiel-Fernwärmenetzes mit möglichen Solaranlagen in den peripheren Netzbereichen
Beispiel-Fernwärmenetz mit möglichen Einbindepunkten in den peripheren Netzbereichen

Solch ein Konzept ist natürlich für jedes Wärmenetz mit einer thermisch-hydraulischen Netzberechnung individuell zu planen. Zu untersuchen ist die Größe des im Sommer mit Solarthermie zu versorgenden Gebietes und die optimale Dimensionierung der Einspeisepumpe der Solarthermieanlage. Zusätzlich ist zu analysieren, welchen Einfluss die Solareinspeisung auf den Betrieb der Hauptnetzpumpe hat.

Wärmespeicher am Bedarf ausrichten

Bei der dezentralen Einbindung von Solarthermie in periphere Netzbereiche empfiehlt sich aus regelungstechnischen Gründen ein Wärmespeicher. Ob dieser erforderlich ist, hängt von der Auslegung der Solarthermieanlage und dem Bedarf des Netzes ab. Der solare Deckungsanteil, also das Verhältnis zwischen solarem Jahresertrag und der Last im Wärmenetz, ist dabei eine entscheidende Kenngröße.

Der solare Deckungsanteil bezieht sich auf das tatsächlich mit Solarwärme versorgte Gebiet, also in großen Fernwärmenetzen oft nur ein Teilbereich. Typische Auslegungsfälle sind:

  • Bei niedrigen solaren Deckungsanteilen bis ca. 5 Prozent kann das Netz in der Regel die Solarwärme direkt und zu jedem Zeitpunkt vollständig aufnehmen. Trotzdem sollte ein relativ kleiner Wärmespeicher aus regelungstechnischen Gründen als hydraulische Weiche eingebaut werden.
  • Bei Solaranteilen von rund 15 Prozent der Jahresenergiemenge deckt die Solarthermie üblicherweise den Sommerbedarf im Wärmenetz. Hier ist ein Tages-Pufferspeicher erforderlich (Anhaltswert: 0,2 Kubikmeter Speichervolumen je Quadratmeter Bruttokollektorfläche).
  • Bei höheren solaren Deckungsanteilen ist ein Langzeitwärmespeicher erforderlich (Anhaltswert: 2 Kubikmeter je Quadratmeter Bruttokollektorfläche bei einem solaren Deckungsanteil von 50 Prozent).

Speicher puffert Lastwechsel und beugt Stagnation vor

Auch wenn eine Solarthermieanlage relativ klein ausgelegt ist, so dass die Abnahme durch das Netz die solare Erzeugung jederzeit übersteigt, müssen die dynamischen Lastwechsel der Solarthermieanlage durch Wetterumschwünge berücksichtigt werden. Beispiel Aprilwetter: Ziehen bei sonst sonnigem Himmel häufig dunkle Wolken durch, ergeben sich sehr schnelle Leistungsänderungen von mitunter mehreren Megawatt. Um diese Situationen regelungstechnisch aufzufangen, ist ein Pufferspeicher sehr ratsam.

Auch eine mögliche Stagnation des Solarkreislaufs sollte bei der Dimensionierung des Speichers berücksichtigt werden. Ein entsprechendes Stagnationskonzept ist Teil jeder guten Planung. Die Stagnation beschreibt einen Zustand, bei dem die Wärme nicht mehr abgegeben werden kann, zum Beispiel bei Stromausfällen oder in sommerlichen Schwachlastzeiten, in denen die Wärmelast des Netzes gering ist. Das Stagnationskonzept beschreibt, wie dieser Zustand anlagen- und regelungstechnisch behandelt wird und wie die Anlage danach wieder eigenständig in den Regelbetrieb zurückkehrt. Ein ausreichend dimensionierten Wärmespeicher beugt einem Solarwärmeüberschuss und damit einer möglichen Stagnation vor.

Fallstudie in einem großen Fernwärmenetz

Im Rahmen einer Fallstudie konnte der AGFW das Fernwärmenetz eines großen Versorgers in einer deutschen Metropolregion auf die Einbindungsmöglichkeiten von Solarthermie untersuchen. In diesem Versorgungsgebiet mit 2.400 Gigawattstunden (GWh) Verbrauch pro Jahr gibt es wenige Freiflächen. Dennoch wurden vier Flächen identifiziert, die den Anforderungen entsprechen und hydraulische Schlechtpunkte des Netzes eliminieren könnten. Die möglichen Standorte für Kollektorfelder sind zwischen 132.000 und 616.000 Quadratmeter groß. Die Simulation ergab, dass sich alle vier Flächen für Solarthermie eignen und eine Sommerdeckung für die jeweiligen Teilbereiche des Netzes erreicht werden kann. Bezogen auf diese Netzabschnitte, die in Strömungsrichtung hinter dem Einbindepunkt liegen, werden die in der Simulation vorgegebenen Jahresdeckungsraten von 15 Prozent erreicht.

Die folgende Tabelle zeigt die Simulations-Ergebnisse für die vier Flächen mit den Kenndaten der Solarthermieanlagen und die möglichen Wärmepreise.

Jahreswärmebedarf der Gebiete13-76 GWh/a
Solarer Deckungsanteil15 Prozent
Solarwärmebedarf für 15 % solare Deckung2 – 11,5 GWh/a
Bruttokollektorfläche4.200-25.000 m2
Nennleistung der Solarthermieanlage3 – 17,5 MW
Solare Wärmegestehungskosten mit Förderung nach BEW45 – 62 €/MWh

Fazit: Die dezentrale Integration von Solarthermie in große Fernwärmenetze bietet viele Vorteile und sollte in jedem Transformationsplan für ein Fernwärmenetz als Teil des Technologiemixes berücksichtigt werden.

Autor: Annika Brecht, Daniel Heiler, Bereich Forschung und Entwicklung im AGFW | solarserver.de
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