Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung: der neue Turbo für PV

Photovoltaikanlagen an einem modernen Mehrparteienhaus mit terassenartigen DachgärtenFoto: Colorful Graphics / stock.adobe.com
Mit dem Solarpaket im Bundestag kommt voraussichtlich die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung. Sie kann helfen, das kaum erschlossene Potenzial für Solarstrom­erzeu­gung auf Mehrparteienhäusern zu heben.

Mieterstrom bringt bislang nicht den erhofften Zuwachs von Photovoltaikanlagen auf Mehrfamilienhäusern. Grund dafür sind das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Letzteres fördert zwar speziell den an Mieter:innen abgegebenen Strom aus einer Photovoltaikanlage mit wenigen Cent. Doch dies nur dann, wenn man die Regelungen des EnWG einhält.

Mieterstrom ist bislang zu kompliziert

Für Vermieter:innen ist Mieterstrom mit recht hohen Anforderungen verbun­den. So müssten sie die Pflichten professioneller Energieversorger überneh­men. Das bedeutet unter anderem, dass sie die kom­plet­te Stromver­sor­gung von Mieter:innen sicherstellen müssten. Die aber können ihrerseits den Lieferanten wechseln. In der Praxis ist die Abwicklung so kompliziert, dass sie in der Regel nur spezielle Dienst­leister oder Energieversor­gungs­unter­nehmen übernehmen können. Dafür aber muss eine gewisse Mindestanzahl von Wohnungen in einem Mieterstromprojekt vorhanden sein. Sonst ist es für sie nicht lu­kra­tiv genug.

Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung als einfacheres Modell

Mit der so bezeichneten gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung kommt nun ein neues Modell ins Spiel. Der Be­griff ist insofern nicht ganz klar, weil darun­ter einerseits Vermieter:innen fallen können, die ihre Mieter:innen mit Solarstrom beliefern. Das Modell ist aber andererseits auch gut geeignet für Wohnungseigentümergemeinschaften.

Titelbild ENergiekommune 4/24

Ein wesentlicher Unterschied zum Mieterstrom besteht darin, dass es bei der gemeinschaftlichen Gebäude­ver­sor­­gung ähnlich läuft wie beim allei­ni­gen Eigenbetrieb einer Solarstrom­an­la­ge in einem Gebäude. Jede Mieterin oder jeder Mieter vereinbart selbst – wie üblich – einen Stromliefervertrag mit einem x-beliebigen Lieferanten. Die Solarstrom­anla­ge des Betreibers arbei­tet parallel. Lie­fert sie Strom, so entfällt zu dieser Zeit der Bezug aus dem Netz vom Energieversorger. Der Vertrag zur gemein­schaft­lichen Gebäudeversorgung gilt nur für die Zusatz- oder Ergänzungslieferung von Strom. Es steht den Mie­ter:innen frei, ob sie einen solchen Vertrag abschließen wollen. In der Re­gel wird aber der Solarstrom günsti­ger sein als der Netzstrom.

Viertelstündlich Messen

Eine technische Voraussetzung für die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung ist die viertelstündliche Messung des Stroms. Sowohl die Solarstrom­an­lage als auch die Abnehmer des Stroms müs­sen an ein intelligentes Messsys­tem angeschlossen sein. Dafür sind di­gi­tale Zähler erforderlich, die mit einem Smart-Meter-Gateway zu verbinden sind. Je nach Technologie reicht gegebenfalls ein Gateway, um das System aufzubauen. Bei den einzelnen Mie­ter:innen – beziehungsweise Woh­nungs­­eigentümer:innen – sind lediglich die Zähler zu tauschen.

Gerechte Verteilung des Solarstroms

Mit intelligenten Messsystemen ist es möglich, Erzeugung und Verbrauch abzugleichen. Produziert zum Beispiel die Solarstromanlage in einer Viertelstunde drei Kilowattstunden, so können diese auf die angeschlossenen Mieter:in­nen aufgeteilt werden, deren Stromver­brauch ebenfalls viertelstündlich gemessen wird.

Wie der Solarstrom zu verteilen ist, regelt ein Gebäudestromnutzungsvertrag. Diesen schließt der Betreiber der Photovoltaikanlage mit den Abneh­mern. Laut Entwurf zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes ist nicht vorgeschrieben, wie der Solarstrom aufzuteilen ist. Das kann statisch oder dynamisch erfolgen.

Statische oder dynamische Verteilung

Statisch würde bedeu­ten, dass auf jeden Abnehmer unab­­hängig vom Verbrauch der gleiche Anteil entfällt. Im Falle der Beispielproduktion von drei Kilowattstunden Solarstrom würde bei drei Abnehmern in einem Gebäude jeder einen Anteil von einer Kilowattstunde erhalten. Würde aber ein Abnehmer die Kilowattstunde nicht verbrauchen, so würde sie – rein abrechnungstechnisch – ins Netz eingespeist.

Bei einer dynamischen Lösung könnte der erzeugte Strom entspre­chend dem Verbrauch aufgesplittet wer­den. Nehmen wir im Beispiel an, dass ein Abnehmer gar keinen Ver­brauch in der Viertelstunde hat, dann könnten zwei Abnehmer je 1,5 Kilowattstunden Solarstrom bekommen, sofern sie diese verbrauchen. Es würde keine Kilowattstunde eingespeist.

Theoretisch könnte die Abrechnung mit Papier und Bleistift erfolgen. Dafür wäre jeder Viertelstundenwert in einer Tabelle aufzuschreiben. Und diese Wer­te könnte man verrechnen. Leichter wird dies durch eine Abrechnungs-Soft­ware, die der Messstellenbetreiber, ein Dienstleister oder auch der Betreiber einer PV-Gebäudestromanlage nutzen. Dafür gibt es bereits erste Lösungen auf dem Markt. Und es werden sicherlich weitere hinzukommen, sobald die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes beschlossen ist.

Diese Novelle ist ein Teil des geplanten Solarpaketes 1. Das wollte die Ampelkoalition eigentlich bereits beschlossen haben. Doch eine Reihe von Streitpunkten – vor allem zwischen SPD und Grünen auf der einen sowie der FDP auf der Gegenseite – verzögerte dies. Offenbar gibt es nun aber eine Einigung; nur unstrittige Teile des Solarpaketes will die Koalition in einem nächsten Schritt beschließen. Das könnte bereits im April möglich sein. Und damit würde auch die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung als Option offen stehen. Sie gilt sowohl für Wohnhäuser als auch Nichtwohngebäude.

Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung – Boomfaktor für Photovoltaik

Und tatsächlich hat sie das Potenzial, die noch vielen freien Dachflächen für die Photovoltaik zu erschließen. Für Betreiber:innen von Solarstromanlagen etwa auf einem Mehrfamilienhaus – das können auch die Vermieter:innen sein – ist die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung eine einfache Lösung. Sie müssen sich lediglich für einen Aufteilungsschlüssel entscheiden: statisch oder dynamisch. Die Abrechnung können sie einem Dienstleister, vielleicht auch dem Stadtwerk als Messstellenbetreiber, über­­la­s­sen. Anders als beim Mieter­strom entfallen auf den Anla­gen­be­trei­ber nicht die Verpflichtungen eines Energieversorgers.

Vereinfacht wird die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung auch, weil keine aufwendigen Umbauarbeiten im Hausnetz erforderlich sind – nur die Zähler sind eventuell auszutauschen. Dennoch gilt hier (wenn auch eher virtuell), dass der Solarstrom vorrangig im Gebäu­de verbraucht und das Strom­netz nicht zwischengeschaltet wird.

Solarstrom im Rahmen der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ist damit auch für die Mieter:innen attraktiv. Generell gilt bei diesem Solar­strom, dass er direkt im Haus verteilt wird. Das Netz wird also nicht genutzt. Daher entfallen eine Reihe von Kostenbestandteilen des Netzstroms, wie zum Beispiel Netzgebühren oder Umlagen. Außer­dem sind die Kosten der Solarstromanlage langfristig kalkulierbar.

Autor: Andreas Witt | © Solarthemen Media GmbH

Titelbild ENergiekommune 4/24

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