Kommunen können Agri-PV steuern
Agri-Photovoltaik (Agri-PV) beschreibt als Begriff die Doppelnutzung landwirtschaftlicher Flächen. Neben Nahrungs- oder Futtermitteln sowie nachwachsenden Rohstoffen wird dort gleichzeitig mit Photovoltaikanlagen Strom erzeugt.
Die Idee, Ackerflächen, Grün- und Weideland sowie Sonderkulturen wie Obst- und Beerenplantagen auch für die Stromerzeugung zu nutzen, ist eine Antwort auf die zunehmende Flächenkonkurrenz im Zuge der Energiewende. Agri-PV kann diesen Konflikt durch Doppelnutzung entschärfen und landwirtschaftlichen Betrieben eine weitere Einkommensquelle erschließen.
Zudem kann die Verschattung durch Agri-PV-Anlagen das Austrocknen der Flächen in immer heißeren Sommern verhindern und unter Umständen sogar einen positiven Effekt auf die Kulturen haben.
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Aber was genau unterscheidet eine Agri-PV-Anlage von einer normalen Freiflächen-PV-Anlage? Ein Konsortium aus Unternehmen, Landwirten, Forschungseinrichtungen und Verbänden hat die Anforderungen an die landwirtschaftliche Hauptnutzung im Bereich der Agri-PV erarbeitet und in der DIN SPEC 91434 beschrieben. Das war auch notwendig, um Agri-PV für den Gesetzgeber und mögliche Förderstellen, aber auch für die kommunalen Genehmigungs- und Planungsbehörden überhaupt greifbar zu machen.
Zweimal DIN SPEC für Agri-PV
Während sich die DIN SPEC 91434 auf die pflanzliche Erzeugung bezieht, beschreibt die erst im Juni 2024 veröffentlichte DIN SPEC 91492 technische Standards speziell für die Nutztierhaltung in Agri-PV-Anlagen. Dabei unterscheidet sich die technische Beschreibung der Agri-PV-Systeme in den beiden DIN-SPEC-Varianten nicht wesentlich. Beide beschreiben zwei verschiedene Kategorien von Agri-PV-Systemen. Kategorie 1 umfasst hochaufgeständerte Anlagen, die eine Bewirtschaftung unter den Modulen ermöglichen. Kategorie 2 erlaubt nur eine Bewirtschaftung zwischen den Modulreihen. Bei diesem letzteren Typ sind die PV-Module zumeist senkrecht aufgeständert. Eine Variante von Kategorie 2 bilden aber bewegliche Trägersysteme, mittels derer die Modulreihen meist einachsig der Sonne nachgeführt werden. Während der Bearbeitung der Flächen mit Landmaschinen können diese Modulreihen kurzfristig senkrecht gestellt werden. Ein Grundgedanke der DIN-SPEC-Standards ist, dass die landwirtschaftliche Nutzung neben der Erzeugung wertvollen Solarstroms nicht in den Hintergrund treten soll.
Verlust an Landwirtschaftsfläche begrenzen
Der Verlust an landwirtschaftlich nutzbarer Fläche darf deshalb nach DIN SPEC in Kategorie 1 höchstens 10 Prozent und in Kategorie 2 höchstens 15 Prozent betragen. Zudem muss auf der gesamten Projektfläche nach Bau der Agri-PV-Anlage mindestens 66 Prozent des landwirtschaftlichen Referenzertrages erwirtschaftet werden. Diese Vorgaben passen auch zur Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP). Nach der deutschen Verordnung zu den GAP-Direktzahlungen gilt eine Fläche weiterhin als landwirtschaftlich genutzt, wenn die PV-Anlage die Landwirtschaftsfläche um nicht mehr als 15 Prozent verringert. Landwirt:innen erhalten für solche Agri-PV-Flächen bis zu 85 Prozent der Agrarsubventionen.
Hinzu kommt die gesetzliche Förderung für den erzeugten Solarstrom. Agri-PV-Kraftwerke müssen, zusammen mit anderen sogenannten „besonderen Solaranlagen“ ab einer Leistung von einem Megawatt neuerdings an den EEG-Ausschreibungen für Freiflächen-PV-Anlagen teilnehmen, um eine Marktprämie zu erhalten. Seit dem im Frühjahr von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Solarpaket muss die Bundesnetzagentur sie dabei allerdings in einem zweistufigen Zuschlagverfahren bevorzugt behandeln. Agri-PV kann dann auch eine höhere Marktprämie bekommen als übliche Solarparks. Für die Jahre 2024 bis 2029 sind bestimmte Ausschreibungsmengen für „besondere Solaranlagen“ reserviert. Sie erhöhen sich jährlich. Es beginnt mit 300 MW 2024 und steigt bis auf 2075 MW 2029.
Starker Hebel der Kommunen
Kommunen können einen erheblichen Teil dazu beitragen, dass die Agri-PV sich tatsächlich durchsetzt. Denn mit der Bauleitplanung haben Kommunen bei allen Freiflächen-Solarprojekten einen sehr starken Hebel. Sollte ein Gemeinderat zu der Überzeugung kommen, dass er Agri-PV für sinnvoller hält als eine klassische Freiflächen-PV-Anlage, dann dürfte es ihm nicht allzu schwer fallen, dies im Rahmen seines „weiten städtebaulichen Planungsermessen“, wie es Juristen nennen, zu begründen. Rechtsanwalt Jens Vollprecht, Agri-PV-Experte bei der Kanzlei BBH, sagt: „Es ist wichtig, den Kommunen klar zu machen, dass sie selbst es in der Hand haben, welche Art von Freiflächen-Solaranlagen sie auf ihrem Gebiet zulassen möchten. Sie müssen es allerdings städtebaulich begründen.“
Ohne Bauleitplanung dürfen PV-Freiflächenanlagen – einschließlich Agri-PV – lediglich dort entstehen, wo sie nach § 35 des Baugesetzbuches (BauGB) privilegiert sind. Das sind im Wesentlichen Streifen bis zu 200 Meter Entfernung zu Autobahnen und zweispurigen Bahntrassen. Für Agri-PV gibt es allerdings einen weiteren Sonderfall: Auf einer Fläche von maximal 2,5 Hektar darf sie ohne Bebauungsplan auch neben landwirtschaftlich privilegierten Gebäuden errichtet werden, sofern ein räumlich-funktionaler Zusammenhang mit dem Hof besteht.
Allerdings müssen sich Kommunen ihre Planungshoheit auch auf potenziell privilegierten Flächen nicht aus der Hand nehmen lassen. Denn es steht ihnen durchaus frei, diese Flächen zwecks PV-Nutzung nach ihren eigenen Vorstellungen zu überplanen – sei es mit einem Bebauungsplan, sei es, indem sie künftig im Flächennutzungsplan ein Solarenergiegebiet ausweisen, wie es eine Änderung des Paragraphen 249b des BauGB demnächst ermöglichen soll.
Autoren: Ute Meyer-Heinemann, Guido Bröer | Solarthemen Media GmbH
Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 7/2023 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!