EU-Forschungsprojekt Geoheat soll Risiko für tiefe Geothermie-Projekte reduzieren

„Tiefe Geothermie kann als CO2-freie Wärmeversorgung ein entscheidender Baustein für die Energie- und Wärmewende sein“, erklärt Professor Erik Saenger, der am Fraunhofer IEG forscht und an der Hochschule Bochum tätig ist. Die Tiefe Geothermie soll in Deutschland ein Viertel des industriellen Prozesswärmebedarfs decken können, sagt er. Doch jede Geothermie-Bohrung birgt auch ein gewisses Risiko. Neben dem Fündigkeitsrisiko schreckt die Sorge vor induzierter Seismizität und Umweltrisiken Investoren ab, ebenso wie eine daraus resultierende gesellschaftliche Ablehnung. Das EU-Projekt „Geoheat – Georadar-aided High-resolution Exploration to Advance deep geothermal energy usage” soll die Risiken mit mehr Daten reduzieren.
Projekt soll Risko bei Geothermie-Projekten senken und Chance auf Fündigkeit steigern
Die Pressemitteilung des Fraunhofer IEG verweist als Beispiele für das Erdbeben-Risiko auf Projekte, bei denen Beben durch unsachgemäß ausgeführte Geothermie-Projekte ausgelöst worden seien. Genannt sind Ereignisse in Basel (2006), St. Gallen (2013) und Pohang in Süd-Korea (2017). Als Beispiele für Umweltrisiken benennt die Pressemitteilung die Verschmutzung des Grundwassers. Solche Risiken würden die Akzeptanz der Bevölkerung für die Tiefe Geothermie beinträchtigen. Diese „sozialen Auswirkungen“ der Geothermie seien für den Erfolg des Projektes genauso wichtig wie die technischen Aspekte, heißt es.
Um die geothermische Exploration zu verbessern, setzt Geoheat auf einen interdisziplinären Ansatz. Es sollen verschiedene wissenschaftliche Technologien und Modelle kombiniert werden. Die Voruntersuchung möglicher Geothermie-Reservoirs soll so einfacher werden und weniger kosten. Gleichzeitig soll das Projekt die Qualität der Informationen verbessern, die während des Bohrvorganges gewonnen werden. Das soll sowohl den wirtschaftlichen Erfolg als auch die gesellschaftliche Akzeptanz steigern.
Mehr Daten sammeln vor und während der Bohrung
Die Forschenden im Projekt Geoheat wollen dafür den Workflow in der Exploration für Geothermie-Projekte grundsätzlich verändern. Die Forschenden wollen neue Methoden der der passiven Seismik entwickeln und Messdaten mit Vermessungen der Schwerkraft kombinieren. So wollen sie auch tiefere Strukturen im Untergrund abbilden können.
Parallel sollen die gewonnen Daten in ein probabilistisches geologisches Modell einfließen. Dieses Modell soll zusätzlich geophysikalische und konzeptionelle Modelle des Untergrundes beinhalten. Durch die Kombination dieser vielen Daten und Modelle soll es möglich werden, mehrere mögliche Geothermie-Reservoirs gleichzeitig zu geringen Kosten zu beurteilen. Eine Bohrung soll für diese Beurteilung noch nicht nötig sein.
Fällt die Entscheidung für eine Bohrung, fallen mit dieser auch weitere Informationen an. Erst bei der Bohrung kann man die realen Gesteinsschichten untersuchen. Die Daten aus der Bohrung wollen die Forschenden ebenfalls besser nutzen. Neben den Bohrkernen wollen sie auch die Gesteinsreste auswerten, die bei der Spülung des Bohrlochs ausgeschwemmt werden. Beim Beurteilen der Eigenschaften des Gesteins soll auch ein digitaler Zwilling des Untergrunds helfen, der die geophysikalischen Eigenschaften abbildet.
Weitere Erkenntnisse erhofften sich die Forschenden aus den Schwingungen, die durch die Bohrung selbst induziert werden. Dafür wollen sie eine neuartige Georadar-Sonde nutzen und weiterentwickeln. Die Sonde soll dem Druck und der Hitze auch in großen Bohrtiefen standhalten. Sie soll aus dem Bohrloch heraus Aussagen über den Untergrund in bis zu 100 Metern Entfernung von der Bohrwand ermöglichen. Diese Kenntnisse würden es erlauben, bei Ablenkungsbohrungen und der Platzierung des Bohrplatzes gezielter vorzugehen als bisher. Zudem sollen sich Leistung und Erfolg der Bohrung genauer kontrollieren lassen.
EU-Projekt mit gut 4 Millionen Euro gefördert
Das Projekt Geoheat ist im Juni 2024 gestartet. Es läuft insgesamt 48 Monate. Es wird von der Europäischen Union unter dem Horizon Europe Framework Programm mit 4,2 Mio. Euro gefördert. Eine zusätzliche Förderung erfolgt durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation der Schweiz. Partner im Projekt sind die Forschungsinstitutionen Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH), Technischen Universität Delft, Rheinisch-Westfälischen Technische Hochschule Aachen (RWTH), Universität Pisa, Universität Genf und Fraunhofer IEG sowie die Unternehmen Guideline Geo, die Bo-Ra-tec, Advanced Logic Technology, Seismix und die Mignan Risk Analytics.
In Deutschland ist die Tiefe Geothermie vor allem aus dem Süddeutschen Molassebecken rund um München bekannt. Aber auch in Frankreich und Italien gibt es etablierte Geothermie-Regionen. Im Pariser Becken arbeiten laut Fraunhofer IEG derzeit 37 Geothermie-Anlagen, die meisten davon aus den 1980er Jahren. Typischerweise versorge eine Anlage etwa 4.00 bis 5.000 Wohneinheiten mit Wärme. In Italien betreibe der Energieversorger Enel 37 Geothermie-Kraftwerke. Sie decken knapp ein Drittel des Stromverbrauchs in der Toskana.
In Deutschland will die Regierung die Tiefe Geothermie schneller voranbringen. Dafür hat sie gerade einen Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht, der unter anderem die Genehmigungsverfahren vereinfachen soll.
Quelle: Fraunhofer IEG | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH