Solarpaket I: Warten auf Brüssel
Vor sieben Monaten sind die unter dem Namen Solarpaket I bekannten umfangreichen Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und in anderen Teilen des Energierechts im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und damit in Kraft getreten. Mit einigen Ausnahmen: Die Paragrafen, Absätze und einzelnen Sätze, die die EU-Kommission in Brüssel zunächst genehmigen muss, bevor der Beschluss des deutschen Gesetzgebers angewandt werden darf, werden in § 101 des EEG aufgezählt. Die Liste ist nicht lang, aber sie hat es in sich.
Sie betrifft unter anderem Vergütungen und das Ausschreibungsregime für besondere Solaranlagen, wie Agri-, Floating und Parkplatz-PV, aber auch den verbesserten Vergütungssatz für mittelgroße Gebäude-PV-Anlagen zwischen 40 und 750 kW, die Förderberechtigung für Freiflächenanlagen zwischen 20 und 50 MW sowie geänderte Befugnisse für die Bundesnetzagentur (BNetzA), nach denen diese die Höchstsätze in EEG-Ausschreibungen festlegen kann.
Wie weit sind die Verhandlungen?
Seit Monaten beteuert das zuständige Bundeswirtschaftsministerium, die Verhandlungen mit der EU-Kommission seien weit fortgeschritten und verliefen konstruktiv. Jüngst berichtete Robert Habeck, Mitarbeiter:innen seines Ministeriums seien – und ganz wörtlich war das vielleicht nicht zu verstehen – „Tag und Nacht“ mit den europäischen Wettbewerbshüter:innen in Brüssel in Kontakt, um die noch offenen Fragen zügig zu klären. Doch bis zum Redaktionsschluss dieser Solarthemen-Ausgabe am Montag war aus dem wohl virtuellen Verhandlungszimmer noch kein weißer Rauch aufgestiegen.
Währenddessen ist ein wichtiger Termin ungenutzt verstrichen, auf den hin sich ein Teil der Solarbranche orientiert hatte. Zum Gebotstermin am 1. Dezember hätte die Bundesnetzagentur erstmals das neue Zuschlagverfahren und die neuen Höchstwerte für besondere Solaranlagen anwenden sollen, wie es mit dem Solarpaket I vom Bundestag beschlossen worden ist. Demnach hätten besondere PV-Anlagen, also Agri-PV, Moor-PV, Floating-PV und zuvorderst Parkplatz-PV, bevorzugt bezuschlagt werden müssen. Zugleich wären die Höchstwerte in den Ausschreibungen ausschließlich für diese besonderen Anlagentypen um drei Cent je Kilowattstunde höher angesetzt worden als für übliche Freiflächenanlagen.
Neue Ausschreibungen verzögern sich
Doch dazu ist es in Ermangelung der EU-Notifizierung nicht gekommen. Selbst wenn das O.K. aus Brüssel sehr kurzfristig erteilt würde – womöglich noch im laufenden Jahr, bevor das aktuelle Ausschreibungsergebnis bekannt gegeben wird, könnten die Ausschreibungsregeln nicht nachträglich angepasst werden. Dies bestätigte auf Solarthemen-Anfrage die Bundesnetzagentur: „Eine Anwendung der durch das Solarpaket I eingeführten, unter Beihilfevorbehalt stehenden Änderungen auf die Ausschreibung für Solaranlagen des ersten Segments zum Gebotstermin 1. Dezember 2024 ist nach Auffassung der Bundesnetzagentur nicht möglich, da die erforderliche Genehmigung bis zum Gebotstermin nicht vorlag.“
Zwar kann und muss die BNetzA bis zum O.K. aus Brüssel die frühere Bonusregelung für Agri-PV und andere besondere PV-Anlagen anwenden, wie sie vor dem Solarpaket im EEG 2023 enthalten war. Allerdings glaubt der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) nicht, dass diese die bislang winzigen Marktnischen der besonderen Solaranlagen ernsthaft erweitern könnte. BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig sagt: „Die bisherige Bonusregelung im EEG 2023 hat gezeigt, dass besondere Solaranlagen auch mit dem dort verankerten kleinen und stark degressiven Bonus in der Regel keine Aussicht hatten, erfolgreich an der klassischen Ausschreibung des 1. Segments teilzunehmen. Die ausstehende beihilferechtliche Genehmigung verzögert aktuell zahlreiche Projekte, insbesondere im Bereich Agri-PV, da ein Zuschlag in den regulären Ausschreibungen zu wirtschaftlichen Konditionen in der Regel nicht möglich ist.“
In Einzelfällen könne es natürlich trotzdem zur Teilnahme an den Ausschreibungen kommen, meint Körnig, „beispielsweise zur Erfüllung der Parkplatz-PV-Pflicht in einigen Bundesländern oder aus anderen individuellen Projektgründen“.
Anhebung auf 50 MW steht aus
Doch nicht nur Agri-PV & Co. befinden sich zurzeit in einer Hängepartie, sondern auch etliche klassische Solarpark-Projekte. Denn die mit dem Solarpaket beschlossene Anhebung der EEG-Fördergrenze für Freiflächen-PV-Anlagen von 20 auf 50 Megawatt hätte eigentlich schon bei der Ausschreibung zum 1. Dezember wirken sollen. Weil dies mangels EU-Freigabe nicht der Fall war, müssen Projektierer für Solarparks der fraglichen Größenordnung vorerst weiterhin entweder auf eine Absicherung durch das EEG verzichten und sich ausschließlich auf dem freien Markt nach Stromkäufern umschauen. Oder sie müssen ihre baureifen Projekte auf Eis legen, bis das O.K. aus Brüssel vorliegt. Zwar werden PV-Projekte dieser Größenordnung mittlerweile zumeist ohnehin mit Blick auf einen Stromabnahmevertrag (PPA) mit potenten Kunden geplant. Allerdings wird ein EEG-Zuschlag als Rückfalloption von den Projektierern gern in Anspruch genommen, da dieser als Sicherheit nicht zuletzt die Finanzierungskosten – und damit letztlich die Stromkosten – senken kann.
BSW-Solar: Gewerbesegment leidet
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) ist deshalb auch wenig begeistert über die lange Bearbeitungszeit der EU-Kommission. Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig sagt: „Der BSW-Solar drängt gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsministerium gegenüber der EU-Kommission auf eine schnelle beihilferechtliche Genehmigung.“
Sorgen macht ihm vor allem auch die Lage im Bereich der größeren Dachanlagen. Denn die Anhebung der Vergütungen bei Anlagen zwischen 40 und 750 kW gehört ebenfalls zu jenen Teilen des Solarpakets, die noch auf das Plazet der EU-Kommission warten. Zwar habe das Gewerbedachsegment nach Jahren der Stagnation 2024 erstmals wieder um 25 Prozent zugelegt, sodass oberhalb von 30 kW in diesemJahr vermutlich rund 3,6 Gigawatt auf Dächern installiert werden könnten, prognostiziert der BSW. Allerdings bedürfe es in diesem Segment eines doppelten Ausbautempos, um die Ziele des PV-Ausbaus zu erfüllen.
Ferner verzeichnet die Hälfte der vom Verband regelmäßig befragten Unternehmen ab dem dritten Quartal 2024 nach BSW-Angaben rückläufige Kundenanfragen für den Gewerbedachbereich. Körnig: „Neben der angespannten Konjunkturlage dürften auch die ärgerlichen Verzögerungen bei den beihilferechtlichen Genehmigungen des Solarpakets I und die damit zusammenhängende Planungsunsicherheit zu dieser Investitionszurückhaltung beitragen.“
Den Attentismus befördert dabei wohl auch die Tatsache, dass man erst nach einer Billigung des Solarpakets durch die EU-Kommission – so sie denn kommt – wissen wird, ob Brüssel die höheren Vergütungen und sonstige Verbesserungen für Investoren rückwirkend seit dem 16. Mai 2024 gewähren wird oder erst ab dem Zeitpunkt der Notifizierung. Das Bundeswirtschaftsministerium beschreibt die Konsequenz daraus auch klar in einer FAQ-Liste zum Solarpaket: „Ob Anlagen, die zwischen dem Inkrafttreten des Solarpaketes I und der Bekanntgabe der beihilferechtlichen Genehmigung in Betrieb genommen werden, ebenfalls von den erhöhten Fördersätzen profitieren, hängt von der beihilferechtlichen Genehmigung der Europäischen Kommission ab. Für Betreiber kann es sich daher empfehlen, eine Inbetriebnahme erst nach der Bekanntgabe der beihilferechtlichen Genehmigung vorzunehmen.“
Auch andere Branchen betroffen
Doch nicht nur die PV-Branche wartet, wie bei einem „Solarpaket“ anzunehmen, auf ein O.K. aus Brüssel. Auch Regelungen, die andere erneuerbare Energieformen betreffen, hängen daran. Unter den Notifizierungsvorbehalt fällt beispielsweise auch eine Erweiterung der Kompetenzen der Bundesnetzagentur zur Festlegung der Höchstwerte in den Ausschreibungen. Künftig soll der Behörde dafür ein einheitlicher Ermessensspielraum von 15 Prozent eingeräumt werden. Bislang dürfen die von der BNetzA gesetzten Höchstwerte für Wind- und Solarstrom sogar um 25 Prozent, aber für alle anderen Ausschreibungssegmente um nur 10 Prozent von dem rechnerisch aus den vorherigen Ausschreibungsergebnissen ermittelten Standardwerten abweichen.
Auch die Biogasbranche wartet noch auf das O.K. aus Brüssel für eine von drei Übergangsregeln aus § 100 des EEG. Die zwei anderen wurden am 7. Dezember gebilligt.
Autor: Guido Bröer | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH