Forschung: Graphit für Batteriezellen aus Kunststoffabfall gewinnen

Vor Kurzem startete das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) das Projekt CarbonCycle. Die Wissenschaftler:innen erproben einen neuen Hochtemperaturprozess. Dieser soll es ermöglichen, bisher nicht recycelbare Verarbeitungs- und Produktionsreste aus der Kunststoffindustrie thermochemisch in ein wasserstoffreiches Gas und eine feste Kohlenstofffraktion zu zerlegen. Dabei soll die Kohlenstofffraktion als hochwertiger Sekundärrohstoff zum Einsatz kommen. Ziel ist die Erzeugung eines Kohlenstoffprodukts hoher Reinheit im Technikumsmaßstab, das man dank seiner strukturellen Eigenschaften wie Graphit zu Aktivmaterialien für den Einsatz in Batteriezellen aufbereiten kann. Im Rahmen des Projektes will das ZSW die gesamte Prozesskette bis zu einer Batterie im Labormaßstab abbilden. Zudem soll eine enge Kooperation mit Industriepartnern eine schnelle Überführung der Forschungsergebnisse in die praktische Anwendung ermöglichen. Das ZSW erhält für die dreijährige Projektdauer eine Förderung in Höhe von rund 1 Million Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
Alternative zur thermischen Verwertung
Heute verwertet man Kunststoffabfälle in Deutschland zu einem großen Teil thermisch. Dabei setzt man den in den Kunststoffen enthaltenen Kohlenstoff im Verbrennungsprozess zu CO2 um. Dieses gelangt in die Atmosphäre gelangt und trägt zum Klimawandel bei. Kohlenstoff ist jedoch in Form von Graphit eine essentielle Komponente heutiger Batteriezellen. Etwa 80 % der weltweiten Graphitproduktion entfällt auf China. Die EU listet Graphit als kritischen Rohstoff und der Bedarf steigt. Denn nach Schätzungen des ZSW wird allein die jährliche Nachfrage nach Graphit für den Markthochlauf der Elektromobilität von zuletzt knapp 1 Million Tonnen auf 3 bis 4 Millionen Tonnen im Jahr 2030 anwachsen.
Im Projekt erforschen die Wissenschaftler:innen die Hochtemperatur-Drehrohrthermolyse. Dabei liegt im Gegensatz zu einer State-of-the-Art Kunststoff-Pyrolyse der Fokus nicht auf der Erzeugung von Pyrolyse-Öl, sondern auf festem Kohlenstoff. Denn unter Sauerstoffausschluss wollen die Wissenschaftler am ZSW Kunststoffe bei bis zu 900 °C in eine feste, reine Kohlenstofffraktion und in ein wasserstoffreiches Gas umwandeln. Zudem kann das wasserstoffreiche Gas ähnlich wie sogenannter türkiser Wasserstoff aus der Methanpyrolyse als CO2-armes Brenngas in industriellen Prozessen zum Einsatz kommen. Ferner benötogt man im Vergleich zur Methanpyrolyse für die gleichen Endprodukte, Wasserstoff und fester Kohlenstoff, deutlich geringere Temperaturen, weniger Energie und kein fossiles Erdgas als Rohstoff.
Graphit für Batteriezellen als Teil der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie
Im Projektverlauf will das ZSW zunächst Thermolyse-Untersuchungen mit ausgewählten Kunststofffraktionen im Labormaßstab durchführen. Die erzeugten Kohlenstoffproben will man im Hinblick auf eine Batterieanwendung in elektrochemischen Tests charakterisieren und in einer Batterie-Halbzelle einsetzen. Auf dieser Grundlage will das ZSW den Thermolyseprozess dann im Technikumsmaßstab im Leistungsbereich von bis zu 5 kg Kunststoff pro Stunde aufbauen. „Mit dem Projekt wollen wir demonstrieren, dass die Rückgewinnung von Kohlenstoff aus bestehenden industriellen Kunststoffresten technisch möglich und wirtschaftlich umsetzbar ist. Hierin sehen wir einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung einer EU-weiten Kreislaufwirtschaft“, sagt Jochen Brellochs, Forscher im Fachgebiet Regenerative Energieträger und Verfahren am ZSW. „Gleichzeitig erschließen wir so eine neue Kohlenstoffquelle, die den bisher eingesetzten fossilen Kohlenstoff zumindest in Teilen ersetzen könnte.“
Das Projekt bildet die komplette Prozesskette ab und bezieht sämtliche Stakeholder ein: Von der Kunststoff-Industrie als Rohstoff-Lieferant über die innovative Hochtemperatur-Technologie zur Erzeugung des Kohlenstoffprodukts bis hin zu deren unmittelbaren Veredelung und Verarbeitung als Sekundär-Rohstoff in der Batteriefertigung. Ergänzend werden weitere wichtige Aspekte wie die Entwicklung von Verwertungsstrategien, Wirtschaftlichkeitsanalysen und der CO2-Footprint beleuchtet. Das ZSW arbeitet in dem Vorhaben mit dem Projektpartner Akkodis zusammen. Die Unternehmen Südpack, GRAF, Alleima und Schwenk partizipieren als assoziierte Projektpartner. Ziel ist ein langfristiger und umfassender Kompetenzaufbau und ein Technologietransfer in die Wirtschaft zur Umsetzung der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie.
Auch mit Recyclingverfahren für Perowskit-Solarmodule beschäftigt sich das ZSW.
Quelle: ZSW | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH