Windenergie: Im Übergang zum Zwei-Prozent-Ziel

Ein Windpark im Abendlicht.Foto: Guido Bröer
Infolge des Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG) ersetzt eine Positivplanung die bisherige Raumordnungspraxis für die Windkraft. Bis die neuen Verfahren greifen, müssen Branche sowie Genehmigungsbehörden und Kommunen aber den Übergang gestalten. Weil das nicht immer reibungslos lief, sind nun auf Bundes- und teilweise auf Länderebene weitere Sonderregelungen in Kraft getreten.

Aus Sicht einiger für die Genehmigung von Windenergie-Anlagen (WEA) zuständigen Behörden von Kommunen und Ländern hat ihnen der Bundestag am 6. Juni 2024 ein Ei ins Nest gelegt. An diesem Tag hat das Parlament nämlich die Einführung des neuen Absatzes 1a in § 9 des Bundes-Immis­sions­schutz­­ge­set­zes (BImSchG) beschlossen. Die Rege­lung bezieht sich speziell auf Windturbinen. Demnach muss die Behörde auf Antrag durch einen Vorbescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen entscheiden, so­fern die vollständi­gen Unterla­gen für die Genehmigung nach BImSchG noch nicht einge­reicht wur­den, aber der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheids hat.

Seitdem haben viele Windparkprojektierer das neue Verfah­ren für einen „Vorbescheid light“ ge­nutzt, um sich ohne großen Aufwand die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Windenergieanlagen amtlich bescheinigen zu lassen. Besonders für Standorte außerhalb künftiger Windenergiegebiete nutzten sie in den vergangenen Monaten diese neue Möglichkeit, um sich Standorte zu sichern, die nach Abschluss der aktuell laufen­den Planungen zur Ausweisung von Windenergiegebieten durch die Raumordnungsbehörden absehbar aus der Privilegierung nach § 35 des Baugesetzbuches herausfallen werden.

Dieser Praxis hat der Bundesgesetz­geber im Februar im Schlussspurt der beendeten Legislaturperiode nun einen Rie­gel vorgeschoben. Das „berechtigte Interesse“ an einem Vorbescheid nach § 9 Abs. 1a BImSchG besteht nach der Neuregelung nicht mehr, wenn der Standort außerhalb ausgewiesener oder in Planung befindlicher Windenergiegebiete liegt.

Bundesweite Flächenziele

Der Hintergrund: Mit dem Inkrafttreten des Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG) verpflichtet der Bund die Länder, bis spätestens 2032 durchschnitt­lich mindestens 2 Prozent ihrer Landesfläche für die Nutzung von Windenergie auszuweisen. Bis Ende 2027 ist ein Zwischenziel von durchschnittlich 1,1 Prozent zu errei­chen. Etliche Länder wollen ihre endgültigen Flächenziele aber bereits zum ersten Stichtag Silve­ster 2027 ausweisen, weil ein abge­stuftes Vorgehen in ihren Augen keinen Sinn machen würde.

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Diese Flächenziele, die die Länder inzwischen mit eigenen Gesetzen auf ihre einzelnen Planungs­träger herunterdekliniert ha­ben, sind zentral für die Steuerung des Windenergieausbaus. Vor Erreichen dieser Zie­le gelten WEA im Außenbe­reich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 Baugesetzbuch (BauGB) als privilegiert zulässig. Nach Erfüllung der Flächenvorgaben dürfen neue Anlagen jedoch nur noch in den für die Wind­kraft ausgewiesenen Gebieten errichtet werden.

Übergangsphase

Diese Übergangsphase führte in einigen Regionen zu einer Flut von Anträgen auf immissionsschutzrechtliche Vor­bescheide für Standorte außerhalb der geplanten Windkraftgebiete. Vorhabenträger:innen nutzten diese Möglichkeit, um sich eine rechtlich abgesicherte Position für ihre Projekte zu sichern, bevor die neuen Regelungen greifen.

Die Antragswelle, die Genehmigungsbehörden stöhnen und betroffe­ne Kommunen sowie lokale Medien einen „Wildwuchs“ von Windrädern be­fürch­­ten ließ, ist dort besonders hoch aufgelaufen, wo in der Vergangenheit wenig Bemühungen für eine konstruk­tive Windenergieplanung zu sehen waren. Aber ironischerweise auch dort, wo die Ausweisung der neuen Windenergiegebiete besonders ambitioniert vorangetrieben werden, handelten Projektierer in Torschlusspanik. Wie etwa in Nordrhein-Westfalen, wo die schwarz-grüne Landesregierung den Prozess spätes­tens Ende 2025, zwei Jahre früher als vom Bundesrecht vorgegeben, abschließen will. Landesweit zählte die Regierung Ende Dezember über 900 Vorbescheidsanträge außerhalb der Entwurfsflächen für Windenergiegebiete.

NRW beschreitet Sonderweg bei Windenergie

Nachdem sie im September 2024 vom Oberverwaltungsgericht Münster daran gehindert worden war, die Antragsflut von den Bezirksregierungen zunächst auf Eis legen zu lassen, war es denn auch die NRW-Koalition, die sich beim Bundesgesetzgeber für die jetzt erfolg­te Änderung der Rechtslage stark gemacht hat. Am 28. Februar 2025 trat die entsprechende Änderung des BImSchG in Kraft. Sie entkräftet weitgehend
§ 9 Abs. 1a BImSchG, der das „Vorbescheid light“-Verfahren erst ermöglicht hat.

Ohne Weiteres möglich bleibt es nur für Repowering-Vorhaben, also den Ersatz bestehender Windturbinen durch leistungsstärkere Modelle. Die Ände­rung betrifft sowohl neu eingereichte als auch noch nicht entschiedene Anträ­ge auf Vorbescheide nach § 9 Abs. 1a BImSchG. Bereits erteil­te Vorbescheide blieben jedoch gültig, betont der Bundesverband Windenergien (BWE) in einem Hintergrundpapier zum Thema.

Doch die Landesregierung von NRW empfand den bundesrechtlichen Eingriff, der auf ihr Betrei­ben hin zustan­de kam, als nicht ausreichend. Darum hat der Landtag in Düsseldorf ein viel weiter gehendes „Windenergie-Moratorium“ beschlossen (§ 36a Landesplanungsgesetz NRW). Dieses untersagt sämtliche Entscheidungen über Windenergievorhaben in Gebie­ten außer­halb geplanter Windenergieflächen ein halbes Jahr lang. Das Moratorium gilt auch für vollständige Genehmigungsanträge und nicht nur für Vorbescheidsanträge. Ausnahmen bestehen nur für Repowering-Projekte und für Projek­te, deren Unterlagen zehn Monate vor der Gesetzesänderung vollständig eingereicht worden waren.

Genehmigungen für Windenergie in NRW

NRW hat in jüngster Zeit sehr viel mehr Genehmigungen für Windparks erteilt als andere Bundesländer. Des­halb hat die Windbranche zwischen Rhein und Weser gut zu tun, sodass etliche Unternehmen das Moratorium wohl gut ver­schmer­zen können. Gerade für die kleineren Projektierer gilt das aber nicht unbedingt. Deshalb kritisiert der Bran­­­chen­­verband den Stopp für genehmigungsreife Projekte mit voll­stän­di­gen Unterlagen scharf: „In diese Pro­jek­te wurden schon substanzielle Investitionen im jeweils sechsstelligen Bereich getätigt. Die Landesregierung unter­gräbt damit das Vertrauen in den Investitionsstandort NRW“, sagt BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek.

Mit der bundesgesetzlichen Regelung, die sich nur auf die Vorbescheide auswirkt, hat der Verband aber offenbar inzwischen seinen Frieden gemacht. BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm erklärte dazu auf Energiekommune-Anfrage, dass die Ausweisung der Windenergiegebiete auch in anderen Bundesländern auf gutem Weg sei, sodass ihm die Neuregelung des Bundesgesetzgebers keine großen Sorgen mache.

Öffnungsklausel bleibt gültig

Im Schatten der Synchronisierungsprobleme zwischen der alten und der neuen Rechtslage haben Kommunen, die außerhalb avisierter Windenergie-Gebiete liegen, noch bis zum 31.12.2027 weiterhin die Möglichkeit, eigene Windflächen auszuweisen. Sie können dazu die Gemeindeöffnungsklausel nutzen, die in § 245e Abs. 5 des Baugesetzbuchs (BauGB) zu finden ist. Diese Klau­sel erlaubt es Gemeinden, eigenständig zusätzliche Flächen für die Wind­energie auszuweisen, auch wenn diese nicht direkt mit den Zielen der Raum­ordnung vereinbar sind.

Autor: Guido Bröer | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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