Zweistufiges Wärmepumpenkonzept für Mehrfamilienhäuser im Bestand

Es sind immer wieder die älteren Geschosswohnungsbauten, die Wohnungsunternehmen bei der Wärmewende Kopfzerbrechen machen. So ging es auch dem gemeinnützigen Wohnbauträger GWS aus der Steiermark. Gemeinsam mit dem Forschungsinstitut AEE INTEC aus Gleisdorf hat die GWS einen Gebäudeblock aus den 1940ern in Liezen auf ein neues, zweistufiges Wärmepumpenkonzept umgestellt. Bei den Gebäuden handelt es sich um eine sogenannte Südtiroler-Siedlung. Unter diesem Namen hat man Anfang der 1940er Jahre weitgehend standardisierte Gebäude für deutschsprachige Menschen aus Südtirol gebaut, die wegen des italienischen Nationalismus nach Österreich auswanderten.
Zentralheizungen gab es in den fünf Gebäuden vor dem Beginn der Sanierung nicht. Die insgesamt 20 Wohnungen bezogen die Wärme für Heizung und Warmwasser zuvor jeweils aus eigenen Systemen – darunter Gaskessel, Elektroheizungen und mit Holz, Kohle oder Öl befeuerte Einzelöfen. Einige der Wohnungen waren mit Radiatorheizungen ausgestattet, andere hingegen nicht. Die Gebäudehülle hatte man zuvor bereits energetisch saniert, sodass der Heizwärmebedarf bei 70,6 kWh/m2 liegt. Hinzu kommen noch 49 kWh/m2 für die Warmwasserbereitung.
Das neue System sollte Wärmepumpen in einer für Bestandsgebäude tauglichen Form in den Mittelpunkt stellen und dabei auch vor Ort erzeugte Energie nutzen. In 18 der 20 Wohnungen entschlossen sich die Bewohner, an dem Projekt teilzunehmen.
Zweistufiges Wärmepumpenkonzept: Kaskade mit zwischengeschalteten Pufferspeicher
Die Forschenden von AEE INTEC entwickelten dafür ein zweistufiges Kaskaden-Konzept mit einem zwischengeschalteten Pufferspeicher. In der ersten Stufe liefern vier zentrale Luft-Wasser-Wärmepumpe eine Temperatur von 18 bis 30 °C an einen Zwischenkreis. Bei dieser Temperatur speichert man die Wärme gespeichert und verteilt sie je nach Bedarf an die einzelnen Gebäude weiter. Durch diese vergleichsweise niedrige Temperatur sind die Wärmeverluste im Speicher und in den Ringleitungen gering. In den Heizkellern der einzelnen Gebäude befinden sich dann Wasser-Wasser-Wärmepumpen, die als „Booster“ arbeiten. Sie heben die Temperatur auf das für den Heizkreis oder die Warmwasserbereitung nötige Temperatur. Dabei hat jede Wohnung ihre eigene Booster-Wärmepumpe. Das trägt den individuellen Heizkonzepten der Wohnungen Rechnung. Um im Falle einer Fehlfunktion die vorgeschriebenen Temperaturen für die Warmwasseraufbereitung sicherzustellen, steht ein elektrischer Heizstab als Back-up bereit. Eine Photovoltaik-Anlage in Ost-West-Ausrichtung mit einer Spitzenleistung von 27,7 kW liefert Strom für die Wärmepumpen. Nicht vor Ort genutzter Solarstrom fließt ins Netz. Eine umfassende Messtechnik machte es möglich, alle relevanten Energieflüsse zu erfassen und auszuwerten.
Energieeffizienz
Der für den Endbericht ausgewertete Pilotbetrieb dauerte vom August 2023 bis Juli 2024. Die monatlich gemittelte Außentemperatur lag in diesem Zeitraum zwischen knapp 20 °C und – 1°C. Die zentralen Außenluftwärmepumpen hielten ihre Arbeitszahl auch in den Wintermonaten über 3, über das gesamte Jahr gerechnet kamen sie auf einen Arbeitszahl von 3,5. Die dezentralen Booster-Wärmepumpen kamen auf eine Jahresarbeitszahl von 3,8. Das ist auch der energetischen Sanierung zu verdanken, die für vergleichsweise niedrige Temperaturanforderungen in den Wohnungen sorgte. Die monatlich gemittelte Vorlauftemperatur im Heizkreis bewegte sich in der Regel zwischen 40 und 50 °C, die Warmwassertemperaturen lagen nur für die Warmwasserbereitstellung über 55 °C.
Als Jahresarbeitszahl für das Gesamtsystem ergibt sich ein Wert von 1,8. Dabei sind alle elektrischen Verbräuche in der Wärmeversorgung einbezogen, also auch die Verteilerpumpen und Heizstäbe. Wie bei Pilotprojekten üblich ist dabei noch Luft für Verbesserung. Am Projektanfang lief die Regelung nicht optimal, ab Februar 2024 gab es dann Probleme mit einer Außenluftwärmepumpe. Mit einem eingespielten und optimierten System könnten die Werte also noch deutlich besser sein.
Einsparung von Primärenergie und Treibhausgasemissionen
Zusätzlich hat das Team von AEE INTEC den Anteil erneuerbarer Energien in der Jahresbilanz des Systems betrachtet. Als erneuerbare Energien gelten dabei nicht nur der vor Ort erzeugte Solarstrom, sondern auch die von der Luftwärmepumpe aus der Umgebung entzogene Energie. Als Erneuerbare angesetzt hat das Team auch den Ökostromanteil im Strommix aus dem Netz sowie den ins Netz gespeisten Solarstrom in dem Maße, wie er im österreichischen Strommix fossile Primärenergie ersetzt.

Im Vergleich zum Referenzsystem, das den Zustand vor der Installation des Happening-Systems widerspiegelt, konnte der Anteil erneuerbarer Energien von 42 % auf 76 % gesteigert werden. Gleichzeitig sank auch der Gesamtbedarf nicht-erneuerbarer Primärenergie im Vergleich zum Referenzsystem um 68 %. In Bezug auf die Treibhausgasemissionen ist der Rechenansatz ähnlich. Auch hier gilt: Strom, der durch die PV-Einspeisung aus dem allgemeinen Strommix verdrängt wird, kommt der Bilanz des Happening-Systems zugute. So erzielte dieses gegenüber dem Referenzsystem eine CO2-Einsparung von 82 %.
Wirtschaftlichkeit und Komfort
Auch bei Wirtschaftlichkeit und Komfort ist bisherige System der Vergleichsmaßstab. Die Kalkulation ist auf eine Reihe von Annahmen gestützt. Das beginnt damit, dass der Wärmepumpenhersteller und Projektpartner INNOVA seine Prototypen für das Pilotprojekt zur Verfügung stellte. Einen Marktpreis gibt es daher nicht. Das Projektteam behalf sich mit dem Listenpreis und kalkulierte einen marktüblichen Nachlass von 40 Prozent ein. Zudem trieben zwei Faktoren die Installationskosten in die Höhe: die Engpässe bei den Fachkräften während der Corona-Pandemie und die umfangreiche Messtechnik. So kommt unterm Strich eine Brutto-Investition von rund 782.000 Euro zusammen. Der größte Posten dabei ist die hydraulische Installation mit fast 289.000 Euro.
Hinzu kommen die Kosten für den Betrieb und Energiebezug. Der eingekaufte Strom kostet 34,4 Ct/kWh und schlägt mit knapp 17.000 Euro jährlich zu Buche. Für die immerhin gut 6.800 kWh eingespeisten Solarstrom gibt es bei einer Einspeisevergütung von 4,5 Ct/kW lediglich 307 Euro jährlich. Sie fällt in der Gesamtbetrachtung also kaum ins Gewicht. Unter den Punkt „Betriebskosten“ fallen verschiedene Dienstleistungen: Wartung, Betriebsmanagement, Notdienstbereitschaft sowie die Heizkostenabrechnung. In Summe machen diese gut 7.700 Euro aus.
Zweistufiges Wärmepumpenkonzept ermöglicht Amortisation in 13 Jahren
Für den Vergleich mit dem Referenzsystem holte das Projektteam Angebote von Herstellern für ähnliche Produkte ein und schätzte die Installationskosten. Die Investition liegt nach dieser Schätzung bei gut 78.000 Euro. Die Kosten für Betrieb und Wartung liegen mit knapp 36.000 Euro bei dem alten System deutlich höher. Der größte Posten dabei ist allerdings der Zeitaufwand für den Betrieb der Einzelöfen in den Wohnungen. Für jeweils 40 Minuten Einheizen uns Säubern an 200 Tagen und in acht Wohnungen setzte das Projektteam einen fiktiven Stundensatz von 30 Euro an. In der Praxis ist dieses Thema allerdings vor allem eine Komfortfrage – ohne die Einzelöfen spart man sich viel Aufwand und reduziert Staub und Geruchsemissionen. Die Energiekosten lagen beim Referenzsystem bei 28.819 Euro, wobei auch hier Strom den größten Posten ausmachte. Er wurde für elektrische Heizkörper und die Warmwasserbereitung genutzt.
Vergleicht man die Systeme über einen Lebenszyklus von 20 Jahren, dauerte es etwa 13 Jahre, bis sich das Happening-System gegenüber dem Referenzsystem amortisiert hat.
Übertragbarkeit
Ziel des Forschungsprojektes war es, eine Lösung zu finden, die sich auch auf andere Häuser übertragen lässt. Dabei stehen zunächst die rund 800 Wohneinheiten der GWS im Fokus, die sich in ähnlichen Siedlungen befinden wie die Gebäude im Projekt. Einige davon benötigen Vorlauftemperaturen bis 70 °C, doch auch das ist mit dem Happening-Konzept möglich. Allerdings sind dafür noch einige Vereinfachungen am System nötig, denn selbst ohne die aufwändige Messtechnik ist die Investition für das Happening-System bisher deutlich höher als für andere Heizsysteme. Auch im Betrieb sind noch Verbesserungen nötig, aber auch zu erwarten. Ein reibungsloser Betrieb würde die Effizienz verbessern und damit die Energiekosten senken. Das Happening-System ist daher grundsätzlich ein Konzept, das für den Einsatz in älteren Mehrparteienhäusern geeignet ist, wegen des frühen Stadiums aber noch Optimierungsbedarf hat.
Dieses Pilotprojekt war Teil des von der EU im Rahmen von Horizon 2020 geförderten Projektes „HeAt PumPs in existing multi-family buildings for achieving union’s ENergy and envIroNmental Goals”, kurz Happening.
Gastautoren: Franz Hengel, Jakob Hütter
DI Franz Hengel leitet die Gruppe Thermische Energiespeicher bei AEE INTEC. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Großwärmespeicher, Kompaktwärmespeicher mit Sorptionstechnologie, Hochtemperaturspeicher und die Systemintegration von Speichertechnologien.
Jakob Hütter studierte an der TU Graz Environmental System Sciences / Climate Change and Environmental Technologies und erstellte seine Masterarbeit bei AEE INTEC.
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