Fossile Heizungen verbieten?

Ab Mitte 2028 ein durchgängiges Verbot neuer herkömmlicher Öl- und Gasheizungen sowie ein strenger Zeitplan auch fürs Ausrangieren der alten: Die Wärmewende der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP war umstritten, wurde gar als „Heizungshammer“ kritisiert. Doch jetzt will die Bundesregierung das entsprechende Gesetz „abschaffen“ und stattdessen „flexibler“ agieren – so steht es im Koalitionsvertrag des neuen Regierungsbündnisses unter dem CDU-Kanzler Friedrich Merz. Selbst alte Gasheizungen von vor 1991 soll man weiterbetreiben dürfen. In anderen Industriestaaten gibt es ähnliche Rückzieher. Ein Forschungsteam unter Mitarbeit des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) nimmt diese internationale Politikwende zum Anlass für eine grundlegende Betrachtung. Es hat Kriterien und eine politische Marschroute für maßvolle, gezielte Regulierung der Wärmewende ergänzend zur sukzessive steigenden CO₂-Bepreisung ermittelt.
„Auf den ersten Blick stoßen beim Thema Heizungsverbot zwei unvereinbare Ansichten aufeinander“, sagt PIK-Direktor Ottmar Edenhofer. „Für die einen schützt der Staat die Menschen damit vor falschen Entscheidungen, weil sie zum Beispiel angesichts der stetig steigenden CO₂-Bepreisung den langfristigen Kostenvorteil einer Wärmepumpe unterschätzen. Doch für die anderen beraubt er sie gerade der Möglichkeit, mit Blick auf ihre persönliche Kostensituation optimal zu handeln und vielleicht lieber noch eine Zeitlang mit Erdgas zu heizen. Der Witz ist: Beide Denkschulen haben unter bestimmten Bedingungen recht. Das ist der Ausgangspunkt für unsere Analyse.“
Vier Indikatoren zur Orientierung bei der Regulierung der Wärmewende
Neuere ökonomische Forschung zeigt nämlich einen Ausweg aus diesem Glaubenskrieg. Demnach sollte die Politik die Abwägung verstehen, die in bestimmten Haushaltsgruppen den Ausschlag für den Kauf einer Wärmepumpe oder einer Gastherme gibt: Die persönliche Kostensituation oder eher Informationslücken und Fehlwahrnehmungen? Im ersten Fall zwingt ein Verbot zum unwirtschaftlichen Handeln und löst entsprechend Protest aus. Im zweiten Fall verhindert der Staat, dass Haushalte langfristig in eine Kostenfalle tappen, weil sie zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht alle relevanten Informationen berücksichtigen. Der Artikel benennt vier Indikatoren, die der Politik in diesem Spannungsfeld Orientierung bieten können.
Erstens muss sie nach den baulichen Umständen differenzieren. So ist für schlecht dämmbare Bestandsimmobilien die Entscheidung für eine fossilfreie Heizung schwieriger als für neue Objekte. Zweitens ist die lokale Verfügbarkeit von Fachkräften und Material zu beachten. Engpässe können zu vorübergehenden Preisspitzen führen, dann tun Verbote besonders weh. Drittens geht es um Information und Beratung. Wenn bei der Entscheidung viel Expertise parat ist, braucht es weniger Regulierung. Und viertens geht es um das Problem gesplitteter Anreize. So braucht es tendenziell eher mehr Regulierung, wenn in vermieteten Gebäuden die Investitionskosten und die laufenden Einsparungen nicht bei der gleichen Person anfallen.
Plädoyer für Modellversuche
Statt pauschaler Verbote oder Laissez-faire-Politik sollte es laut PIK ausgerichtet an diesen vier Aspekten eine maßvolle, gezielte Regulierung der Wärmewende geben. „Es geht um einen differenzierten Umgang mit unterschiedlichen Gruppen von privaten Haushalten – je nachdem, ob Heizungsverbote dort eher nützen oder schaden“, sagt Michael Pahle, Leiter der PIK-Arbeitsgruppe Klima & Energiepolitik. „Gezielte Verbote können durchaus eine wichtige Rolle spielen und das ab 2027 im Gebäudesektor EU-weite Leitinstrument der CO₂-Bepreisung ergänzen. Nötig sind zudem eine den Umstieg erleichternde Infrastruktur, gute Informationspolitik sowie auf Härtefälle ausgerichtete Fördermaßnahmen.“
Das Forschungsteam empfiehlt der Politik eine rasche Zusammenführung und bessere Nutzung existierender Datenquellen, um mehr Licht in die Entscheidungsfindung privater Haushalte zu bringen. So könnte man bei Energieberatungen und in Anträgen auf Heizungsförderung zusätzliche Daten erheben. „Außerdem sollte ein Sofortprogramm mit regional begrenzten Modellversuchen als Quelle für den nötigen schnellen politischen Lernprozess aufgesetzt werden“, so Andreas Gerster von der Universität Mainz und dem RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. „Die Wärmewende ist dringend überfällig, deshalb brauchen wir eine Tempo-Strategie für einen ambitionierten und gesellschaftlich vermittelbaren Umbau.“
Quelle: PIK | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH