Fraunhofer IPA: Elektroyseure bereit zur Massenproduktion
Foto: Fraunhofer IPADie Massenproduktion von Elektrolyseuren steht in Deutschland und Europa vor der Tür. Zumindest wenn es um die produktionstechnischen Voraussetzungen geht. Denn das Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA hat das Wasserstoff-Leitprojekt »H2Giga« des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt abgeschlossen und die Ergebnisse vorgestellt. Sie ermöglichen, entsprechendes Kapital vorausgesetzt, die Massenproduktion aufzunehmen.
Seit 2021 forschen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen an der serienmäßigen Herstellung leistungsstarker Elektrolyseure. An fünf Teilprojekten ist das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA beteiligt.
Roboter stapeln in Sekundenschnelle
Bisher erfolgt die Fertigung von Elektrolyseuren noch weitgehend manuel. Das kostet nicht nur viel Zeit, sondern ist auch teuer und fehleranfällig. Im Teilprojekt »Industrialisierung der PEM-Elektrolyse-Produktion« (PEP.IN) haben Forscherinnen und Forscher zusammen mit Partnern aus der Industrie deshalb eine automatisierte Fertigungslinie bei der Firma Quest One im schleswig-holsteinischen Braak aufgebaut. Dabei übernehmen nun Roboter das sogenannte Stacking, also das Stapeln der einzelnen Komponenten eines Elektrolyseurs. Ein Elektrolyseur besteht mindestens aus zwei Elektroden – der positiv geladenen Anode und der negativ geladenen Kathode – und einer Protonen-Austausch-Membran (PEM) dazwischen. Um die Leistung zu steigern, werden viele dieser Elektrolysezellen zu einem sogenannten Stack gestapelt.
»Eine Sekunde brauchen die Roboter, um eine Komponente auf die andere zu legen«, sagt Nicolas Mandry vom Forschungsteam Wasserstofftechnologien am Fraunhofer IPA. Die dazu nötigen Greifer hat das Forschungsteam eigens entwickelt. Auch die Qualitätssicherung läuft jetzt automatisch ab. Kameras und eine Bildverarbeitungssoftware prüfen die einzelnen Komponenten und sortieren fehlerhafte aus. Kleine Abweichungen lässt die Software aber zu, wenn sie zu dem Schluss kommt, dass sie sich nicht auf die Leistungsfähigkeit des fertigen Elektrolyseurs auswirken.
Auch sämtliche dem Stacking vor- und nachgelagerte Produktionsprozesse waren Teil der Untersuchung. Entstanden ist so eine Elektrolyseurfabrik im Gigawatt-Maßstab. »Die hier innerhalb eines Jahres produzierten Elektrolyseure haben also eine aufaddierte Nominalleistung von mindestens einem Gigawatt«, erklärt Mandry.
Digitaler Zwilling
Doch eine automatisierte PEM-Elektrolyseur-Produktion im Gigawatt-Maßstab muss nicht nur schnell, sondern auch effizient sein. Grundlage dafür ist eine standortübergreifende, serviceorientierte Produktions-IT-Plattform, um die Daten jedes einzelnen Produktionsmoduls zu sammeln und in Echtzeit auszuwerten. So entsteht ein virtuelles Abbild der Produktion, ein sogenannter Digitaler Zwilling, der dabei hilft, Fehler und Optimierungspotenziale in der Produktion zu erkennen. Genau das haben Forscherinnen und Forscher vom Fraunhofer IPA im Teilprojekt »Referenzfabrik für hochratenfähige Elektrolyseur-Produktion« (FRHY) realisiert – jedenfalls teilweise.
»Kurz vor Ende des Forschungsprojekts sind noch immer nicht alle Produktionsanlagen, die auf insgesamt fünf Fraunhofer-Institute verteilt sind, fertiggestellt oder in Betrieb genommen«, sagt Henry Himmelstoß vom Forschungsteam Einführungs- und Umsetzungsmethoden für IT-Lösungen am Fraunhofer IPA, »und auch die fertigen Anlagen sind noch nicht alle miteinander vernetzt.« Lange Lieferzeiten für Maschinen und Anlagen wirbelten den Zeitplan durcheinander. Die Leerstellen füllen einstweilen sogenannte Emulatoren aus, also Software, die die Funktion eines Produktionsmoduls nachahmt und vergleichbare Daten produziert.
Um den entstandenen Rückstand aufholen und doch noch eine durchgängig vernetzte hochratenfähige Modellproduktion für PEM-Elektrolyseure aufbauen zu können, hoffen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun auf ein Folgeprojekt.
Edelmetalle nötig
Die Anode eines PEM-Elektrolyseurs ist mit Iridium beschichtet. 0,67 Gramm des silberweißen Edelmetalls werden derzeit pro Kilowatt Leistung benötigt. Das Problem dabei: Iridium ist mit einem Vorkommen von 0,000003 Parts per million und einer weltweiten jährlichen Fördermenge von neun Tonnen (2020) eines der seltensten und teuersten Elemente überhaupt. Ein Forschungsteam um Stefan Kölle vom Fraunhofer IPA hat deshalb gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Leibniz-Institut für Katalyse nach Wegen gesucht, wie sich der Iridiumanteil in PEM-Elektrolyseuren reduzieren lässt.
Zwei Möglichkeiten hat das interdisziplinäre Team im Teilprojekt »Iridium-reduzierte Anodenkatalysatoren für die PEM-Wasserelektrolyse« (IREKA) näher betrachtet. »Nur das Material direkt an der Oberfläche ist aktiv an der Aufspaltung von Wasser beteiligt«, sagt Kölle. »Die darunterliegenden Schichten sind ohne Funktion.« Mit Hilfe der Galvanotechnik hat der Forscher deshalb hauchdünne Iridiumbeschichtungen erzeugt. Dass sie genauso gut funktionieren wie die deutlich dickeren bisherigen Schichten, ist bereits nachgewiesen. Allerdings ist noch offen, ob die elektrochemisch abgeschiedenen Iridiumbeschichtungen auch genauso stabil sind.
Die zweite Möglichkeit, den Iridiumanteil in PEM-Elektrolyseuren zu reduzieren, sind Legierungen, die neben Iridium noch weitere Metalle enthalten, etwa Nickel, Zinn oder Ruthenium. Im Ergebnis erwiesen sich Legierungen mit Nickel jedoch als zu instabil. Sie lösten sich schon nach kurzer Zeit elektrochemisch auf. Mit Zinn und Ruthenium hingegen ließen sich sehr aktive Legierungen herstellen. Allerdings: Ruthenium ist selbst ein Edelmetall und ähnlich selten wie Iridium. »Es sind aktuell keine edelmetallfreien PEM-Elektrolyseure in Sicht«, fasst Kölle die Ergebnisse zusammen. Umso wichtiger sei deshalb die Kreislaufwirtschaft sowie die Entwicklung von Katalysatorschichten mit minimiertem Edelmetalleinsatz – ohne Verlust bei der Leistungsfähigkeit.
Quantencomputer simuliert Materialbedarf
Um die Frage, mit welchen Materialien die Elektrolyse möglichst lange stabil läuft, ging es im Teilprojekt »Entwicklung von hybriden Quantum Computing Methoden für die Degradationsmodellierung von alkalischen Elektrolyseuren« (DEGRAD-EL3-Q). »Bevor man Geld für mitunter teure Rohstoffe ausgibt, sollte man mithilfe einer Computersimulation klären, wie sich die Materialien bei der Elektrolyse verhalten«, sagt Jan Schnabel vom Forschungsteam Quantencomputing am Fraunhofer IPA. »Abhängig von den Materialeigenschaften können klassische Simulationsmethoden jedoch an ihre Grenzen stoßen. Denn um ein Material in allen Details zu verstehen, muss es bis auf die Molekülebene genau betrachtet und simuliert werden. Hier versprechen Quantencomputing-Methoden perspektivisch einen erheblichen Vorteil gegenüber klassischen Computern.« Das Forschungsteam konzentrierte sich auf methodische Entwicklungsarbeiten. Dabei gewann es wichtige Einblicke in die grundlegenden Mechanismen verschiedener Quantenalgorithmen und konnte so bisherige Methoden verbessern.
Geht es hingegen darum, Lebensdaueranalysen von Elektrolyseuren besser zu verstehen, eignen sich klassische KI-Modelle hervorragend für die Modellbildung und Vorhersage. Das Degradationsverhalten eines Elektrolyseurs war bisher noch nicht bis in alle Einzelheiten bekannt. Klar war nur, dass viele Betriebsparameter zu berücksichtigen sind und dass jeder einzelne die Lebensdauer negativ beeinträchtigen kann. Basierend auf experimentellen Messdaten der Projektpartner hat das Forschungsteam um Schnabel nun ein fortschrittliches Machine-Learning-Modell entwickelt, das in der Lage ist, das Degradationsverhalten eines Elektrolyseurs vorherzusagen.
Robotergestützte Demontage
Es ist wichtig, mit dem Hochlaufen der Wasserstoffproduktion und -nutzung eine automatisierte und kreislauforientierte Strategie zu etablieren. Denn erstens enthalten Elektrolyseur- und Brennstoffzellenstacks häufig große Mengen Edelmetalle und seltene Erden, die wertvolle Rohstoffe sind. Zweitens erfordern auch die ökologischen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen diese Kreislaufwirtschaft.
Weil bisher nur wenige Elektrolyseur- und Brennstoffzellenstacks im Umlauf waren, wurden diese noch manuell demontiert. Wissenschaftler um Anwar Al Assadi, Leiter des Forschungsteams Roboterprogrammierung für kraftgeregelte (De-)Montage am Fraunhofer IPA, haben nun im Teilprojekt »Recycling – Nachhaltige Ressourcennutzung« (ReNaRe) einen robotergestützten Ansatz zur Demontage von Stacks entwickelt. Initial erfolgte eine Produktanalyse, die eine hohe Varianz der auf dem Markt vorhandenen Stacks zeigte. Auch der End-of-Life-Zustand der Stacks kann abhängig von der Nutzungsdauer variieren.
Auf Basis dieser Analyse hat das Forschungsteam die Anforderungen und Prozesse identifiziert, die sich für eine automatisierte Demontage eignen. Es folgte die Entwicklung spezieller Roboterskills, mit denen Stacks robust gehandhabt und Schrauben demontiert werden können. Um die Positionsungenauigkeiten von Roboterarm, Vorrichtung, Werkzeug und Bildverarbeitungseinheit zu überwinden, haben Al Assadi und sein Team einen Reinforcement-Learning-Agenten darauf trainiert, beim Lösen von Schraubverbindungen einen sicheren Formschluss herzustellen. Die entstandenen Roboterskills integrierte das Forschungsteam in einen Hardware-Demonstrator, der industriellen Kunden als Versuchsträger zur Verfügung steht.
Parallel dazu entwickelte Bernhard Malicek vom Forschungsteam Wasserstofftechnologien am Fraunhofer IPA einen Digitalen Zwilling, der die Anpassung des Demontageprozesses an unterschiedliche Stackdesigns ermöglicht. Indem der Energieverbrauch einzelner Prozessschritte digital erfasst wird, sind Demontageabläufe für verschiedene Produktvarianten energieoptimiert planbar. Dies unterstützt die Entwicklung einer wirtschaftlich tragfähigen Kreislaufwirtschaft trotz der absehbar hohen Produktvarianz auf dem Markt.
Quelle: Fraunhofer IPA | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH