Energy Forum 2013: Solarenergetische Gebäudekonzepte und Denkmalschutz sind kein Widerspruch

Von Julia Winter  Die Stadt von morgen zeichnet sich durch Energieeffizienz und Nachhaltigkeit aus. Dabei spielt die Gebäudehülle eine wichtige Rolle. Bei älteren Häusern ist meist eine energetische Sanierung erforderlich. Wie auch bei Neubauten ist es hier sinnvoll, Photovoltaik- und solarthermische Anlagen zu integrieren und alte, ineffiziente Bauteile durch neue, aktive Materialien zu ersetzen oder […]

Von Julia Winter 
Die Stadt von morgen zeichnet sich durch Energieeffizienz und Nachhaltigkeit aus. Dabei spielt die Gebäudehülle eine wichtige Rolle. Bei älteren Häusern ist meist eine energetische Sanierung erforderlich. Wie auch bei Neubauten ist es hier sinnvoll, Photovoltaik- und solarthermische Anlagen zu integrieren und alte, ineffiziente Bauteile durch neue, aktive Materialien zu ersetzen oder zu ergänzen.

Dies ist auch bei denkmalgeschützten Gebäuden möglich, sofern die Maßnahmen im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben zum Denkmalschutz sind. Praxisbeispiele und weitere innovative Ansätze zur gebäudeintegrierten Photovoltaik und Solarthermie wurden auf dem Energy Forum am 05./06.11.2013 in Brixen (Südtirol, Italien) präsentiert. Der Veranstalter Economic Forum (München / Bozen, Südtirol) brachte bereits zum achten Mal Architekten, Ingenieure, Wissenschaftler, Fassadenbauer sowie Vertreter der Solar- und Glasindustrie in der „Solar-Stadt“ an der Eisack zusammen.
Denkmalschutz gibt Rahmenbedingungen für solare Gebäudekonzepte vor
In Deutschland beträgt der Anteil der Denkmäler am Gebäudebestand laut der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger 2,8 %. Bei einer energetischen Sanierung ist zu beachten, dass der öffentliche Belang des Klimaschutzes kein Vorrecht gegenüber dem Belang des Denkmalschutzes genießt. Da Eingriffe in die Gebäudehülle zumeist eine Störung des historischen und denkmalrelevanten Erscheinungsbildes bedeuten, sind bevorzugt Materialien zu verwenden, die das Äußere der Gebäude so wenig wie möglich verändern. Für die Solarstrom-Erzeugung stehen beispielsweise unauffällige Photovoltaik-Dachziegel, rahmenlose Spezial-Module oder farbige, semitransparente PV-Gläser zur Verfügung.Grundsätzlich sind solare Energieanlagen auf oder an Gebäuden denkmalrechtlich ebenso genehmigungspflichtig wie alle anderen Eingriffe in die Gebäudesubstanz. Die Erlaubnis erteilt die jeweils zuständige Denkmalschutzbehörde. Solarthermische und Photovoltaik-Anlagen sind möglich, wenn sie sich dem Erscheinungsbild des Denkmals in Bezug auf Farbe, Struktur, Größe und Standort unterordnen und der direkten Energieversorgung des Gebäudes dienen. Die Maßnahmen müssen auf jeden Fall reversibel sein, um den historischen Wert der Gebäude zu erhalten, erklärte Franziska Haas von der TU Dresden auf der Konferenz.

Einsparungspotenzial versus Denkmalverträglichkeit
Der Sanierer muss immer abwägen zwischen dem Einsparungspotenzial durch eine Photovoltaik- oder Solarthermie-Anlage und ihrer Denkmalverträglichkeit. Ist beispielsweise ein einzelnes historisches Dach oder eine geschützte Dachlandschaft nicht für die Installation einer solchen Anlage geeignet, wird empfohlen, auf Nebengebäude, Gartenflächen oder gemeinschaftliche Bürgersolaranlagen an anderen Standorten auszuweichen.
Zu beachten ist laut Haas auch, dass alte Dächer oft keine großen Lasten aushalten. Weitere Herausforderungen seien Lüftung und Brandschutz. Da Denkmalschützer in der Regel andere Ziele im Auge haben als die Wirtschaftlichkeit der gebäudeintegrierten Anlagen, empfiehlt Haas, historische Sanierungen nur in interdisziplinären Teams durchzuführen und sich frühzeitig mit den zuständigen Denkmalschutzbehörden abzustimmen. 

Tondachziegel-integrierte Photovoltaik für historische GebäudeEine Möglichkeit, Photovoltaik-Anlagen unauffällig auch in komplexe Dächer historischer Gebäude zu integrieren, sind Solar-Dachziegel. Die Panotron AG (Schweiz) beispielsweise bietet verschiedenfarbige Tondachziegel mit eingebauten monokristallinen Solarzellen an, deren Kabel unter der Eindeckung verlegt werden. Die Kabel sind somit nicht sichtbar und keinen direkten Umwelteinflüssen ausgesetzt. Je vier dieser Solar-Dachziegel entsprechen einem herkömmlichen Photovoltaik-Modul mit einer Nennleistung von 25 Wp. Durch die optimierte Verkabelung seien die Leistungsverluste durch Verschattung minimal, erklärt Patrick Rousselot von der Panotron AG. Somit könne der Solarziegel trotz seiner nominal geringeren Leistung mit großflächigen Solarpanelen mithalten und sich gleichzeitig ästhetisch in die Gebäudearchitektur einpassen. 

Semitransparente Module für die fassadenintegrierte Photovoltaik
Flexibilität in Transparenz, Muster, Form und Farbe bieten die semitransparenten Dünnschichtmodule auf Basis von amorphem Silizium (a-Si) von Soliker (Spanien). Daher eignen sie sich laut Hersteller besonders für die fassadenintegrierte Photovoltaik in denkmalgeschützten Gebäuden.
Die verschiedenen Muster dienen nicht nur der Ästhetik, sie sollen auch den Komfort für die Nutzer des Gebäudes erhöhen. Außerdem ist der Leistungsverlust von a-Si-Dünnschichtmodulen bei höheren Temperaturen, wie sie in der Fassade häufig entstehen, geringer (laut Soliker -0,1 % / K) als bei kristallinen Solarmodulen (laut Soliker -0,4 % / K), deswegen sind sie für diese Anwendung besser geeignet.
Abgesehen vom Muster gibt es verschiedene Möglichkeiten, solche Module farbig zu gestalten, um ihre Optik genau auf das Gebäude abzustimmen: Durch Variation der Dicke der a-Si-Schicht können Farben von Gelb über Orange und Rot bis hin zu Schwarz erzielt werden. Oder die Module werden verschiedenfarbig laminiert. Dabei ist zu beachten, dass der Zusammenhang zwischen Transparenz und Leistung linear ist; Das bedeutet, dass ein zu 50 % transparentes Solarmodul etwa 50 % weniger Leistung erbringt.links: Das ursprüngliche Dach der historischen Markthalle in Béjar (Spanien) wurde durch ein aktives 270 qm großes Photovoltaik-Dach mit semitransparenten Modulen ersetzt. Es produziert rund 8.700 kWh Solarstrom pro Jahr (Bild: Soliker)
Praxisbeispiel: Photovoltaik-Dach des Balard-Projekts in Paris


Verschachtelte, teilweise geschützte Dachlandschaften, welche die ästhetische Dachintegration von solaren Anlagen erschweren, gibt es nicht nur in Deutschland. Auch die typischen Zinkdächer der französischen Hauptstadt Paris sind eine Herausforderung für Sanierer und Architekten. Dem belgischen Solarmodul-Hersteller und Projektentwickler Issol S.A. (Lüttich) ist es gelungen, ein maßgeschneidertes Photovoltaik-Dach für das künftige Gebäude des französischen Verteidigungsministeriums (das „Pentagon“ der Franzosen) im 15. Arrondissement zu entwickeln.Issol produziert keine Standard-Module für Photovoltaik-Kraftwerke, sondern hat sich auf die gebäudeintegrierte Photovoltaik (BIPV) spezialisiert.

Die meisten seiner Solarmodule sind Spezialanfertigungen für Privat- und Industriegebäude und Architektur-Projekte. Das Unternehmen beschäftigt eigene Architekten.

Ehrgeizige Vorgaben für eine komplizierte Dachlandschaft
Für das BIPV-Projekt in Paris gab es eine Reihe von Vorgaben: Neben dem französischen Standard für „grüne“ Gebäude HQE (Haute Qualité Environnementale) und der internationalen BREEAM-Zertifizierung (BRE Environmental Assessment Method, BRE = Building Research Establishment) mussten unter anderem auch Brandschutzvorgaben erfüllt werden.
Das Dach sollte sich in Farbe und Form in die Umgebung einfügen, aus Sicherheitsglas bestehen und durfte nicht wie eine „typische“ Photovoltaik-Anlage aussehen. Auch Verkabelung und Montagesystem sollten unsichtbar sein. Damit Hubschrauber sicher landen können, darf die Oberfläche zudem nicht blenden.
187.000 monokristalline Solarzellen, 1.500 Modulformen 
Für die vorwiegend dreieckigen Dachabschnitte (insgesamt 7.000 qm) waren 1.500 verschiedene Modulformen nötig. Dazu wurden in Zusammenarbeit mit Bosch Solar 187.000 monokristalline Solarzellen spezialangefertigt. 2014 soll das Gebäude fertig werden, 2015 sollen Teile des Verteidigungsministeriums, darunter die Generalstäbe von Heer, Marine und Luftstreitkräften, einziehen.
„Die Preisentwicklung bei kristallinen Silizium-Modulen macht die Photovoltaik-Gebäudeintegration immer billiger“, sagt Laurent Quittre von Issol. „Der Preis sank von 600 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2003 auf heute 60 Euro/qm. Daraus ergeben sich ganz neue Chancen.“ Sogar Photovoltaik-Fassaden Richtung Norden könnten sich lohnen, so Quittre.
Da in der BIPV die Solarmodule herkömmliches Baumaterial ersetzen, kalkulieren Architekten pro Flächeneinheit und nicht pro Watt installierter Leistung.

Solarthermie-Konzepte für die FassadeAuch bei der Nutzung der thermischen Solarenergie in der Gebäudehülle gibt es neue Entwicklungen und Ideen. Rebecca Alexander von der Fakultät für Architektur an der Universität Minnesota (Minneapolis, USA) präsentierte auf dem Energy Forum ihr Konzept des mobilen Restaurants „Wandering Feast“, das sie im Rahmen ihrer Masterarbeit entwickelt hat. Es handelt sich um einen modular aufgebauten Trailer, der durch Minnesota fahren soll, um den Naturschauspielen zu folgen und das jeweils saisonale und regionale Nahrungsmittel-Angebot zu nutzen und im Restaurant anzubieten.
Ziel war, dass das fahrende Restaurant möglichst energieunabhängig ist und insbesondere seinen Warmwasser- und Heizbedarf selbst deckt. Dazu entwickelte die Studentin eine Solarthermie-Hülle, die für die Gäste gut sichtbar ist. Sie besteht aus einem großen Solar-Kollektor auf der Rückwand der Küche und mehreren beweglichen Kollektorflächen vor den Fenstern in den Speiseräumen.
Um höhere Temperaturen zu erzeugen, verwendet Alexander keine Flachkollektoren, sondern schmale doppelt gekrümmte Parabolrinnen, die das Sonnenlicht auf Absorberrohre konzentrieren. Die Kollektoren auf der Außenwand sind fest installiert, die vor den Fenstern lassen sich kippen. Sind die Lamellen geöffnet, dringt die Sonnenwärme passiv in den Innenraum, und die Kollektoren produzieren kein Warmwasser. Bei geschlossenen Lamellen ist der Innenraum vor der Sonne geschützt, während die Solarthermie-Anlage aktiv Warmwasser erzeugt. 
Ob ihr Konzept aufgeht und der Trailer tatsächlich an jedem Tag des Jahres energieunabhängig sein kann, muss Alexander noch modellieren und kalkulieren. „Gegebenenfalls müssen die Gäste im Dezember eben Mantel und Schal tragen“, so die Absolventin. Mit ihrem Projekt möchte sie auch darauf hinweisen, dass nicht jedes Nahrungsmittel zu jeder Jahreszeit verfügbar ist und Menschen sorgfältig mit den Ressourcen umgehen sollten. „Es hat etwas Tröstliches, wenn wir nicht mehr Energie verbrauchen, als wir erzeugen“, so Alexander.

Interaktive Fassaden mit Flüssigglas-Elementen
Eine andere, bekannte Art, Sonnenwärme in der Gebäudehülle zu nutzen, ist eine Verglasung mit einer Flüssigkeitskammer. Jochen Stopper von der Technischen Universität München stellte nun ein neues System vor, das aus zwei je 2 mm dicken Flüssigkeitskammern mit einer Isolationsglastrennung besteht. Damit könne der Energiefluss innerhalb der transparenten Gebäudeverschalung besser kontrolliert werden, so Stopper.
Große Glasfassaden können im Sommer oft zu einer Überhitzung führen, insbesondere bei Hochhäusern ohne herkömmlichen externen Sonnenschutz. Dieses System arbeitet auf Basis gefärbter und farbloser Flüssigkeiten. Im Sommermodus ist die äußere Schicht gefärbt, absorbiert die Sonnenwärme, die zur Warmwasserbereitung genutzt wird, und schützt das Gebäudeinnere vor Überhitzung, während die innere Schicht den Raum kühlt. Im Wintermodus ist es genau umgekehrt: Die äußere Flüssigkeit ist klar, lässt die Sonne durch und senkt somit den Heizbedarf im Gebäude.
Prototypen dieses Systems wurden bereits in München und Dubai getestet. Auch die Kombination mit einem Energiespeicher ist geplant, um die Wirksamkeit zu verbessern. Außerdem wollen die Entwickler in Zusammenarbeit mit BASF verschiedene Farben testen.

BIPV: Großes Potenzial für die Zukunft
Die Ansätze zur Nutzung von Solarthermie und Photovoltaik in der Gebäudehülle sind vielfältig. Architekten und Sanierer beziehen bereits heute die Mehrfach-Funktion aktiver Materialien in ihre Planungen ein. So kann beispielsweise ein und dasselbe Element Bauelement sein und gleichzeitig Strom erzeugen.
Die Möglichkeiten der gebäudeintegrierten Photovoltaik werden immer vielfältiger, da die Preise sinken. Das Energy Forum hat gezeigt, dass es möglich ist, alte Gebäude so zu sanieren und neue so zu entwickeln, dass sie gut aussehen, den Bau-Normen und Denkmalschutz-Richtlinien entsprechen und gleichzeitig die Solarenergie aktiv nutzen. Das künftige Potenzial der BIPV ist groß, darüber waren sich die Fachleute einig.
Die Konferenzdokumentation kann auf der Internetseite des Energy Forum bestellt werden: http://www.energy-forum.com/conference-proceedings.html
Das nächste Energy Forum in Brixen ist für den 28./29.10.2014 geplant.

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