Neue Perspektiven für die Dünnschicht-Photovoltaik: Interview mit Dr. Reinhard Benz, Director, Head of Strategic Sales & Product Marketing bei Oerlikon Solar

Dr. Reinhard Benz, Director, Head of Strategic Sales & Product Marketing bei Oerlikon Solar, berichtet im Solar-Interview über Tendenzen auf den Photovoltaik-Märkten und eine Renaissance der Dünnschicht-Technologie.

Der promovierte Physiker hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Halbleiterindustrie gesammelt und arbeitet seit 1996 für Oerlikon Solar.Solarserver: Herr Dr. Benz, lassen Sie mich das Gespräch mit einem Glückwunsch zum Solar Industry Award beginnen, der nach Ihrer Wirkungsgrad-Rekordmeldung vom vergangenen Freitag die zweite gute Nachricht aus Ihrem Hause war – in einer Zeit, in der gute Nachrichten aus der Solarindustrie eher selten sind.
In den letzten zwei, drei Jahren war es relativ ruhig in Sachen Dünnschicht-Photovoltaik. Geglänzt haben eher die kristallinen Technologien mit Spitzenwirkungsgraden – und auch mit Markterfolgen. Das könnte sich ändern. Wie sehen Sie momentan die konkurrierenden Technologien kristallin und Dünnschicht?
Dr. Benz: Wir beobachten die allgemeine Stimmung auf der Messe, sowohl auf der Konferenz als auch während der Ausstellung. Ja, es wird zunehmend deutlich, dass alle Modulhersteller aufgrund des Preisdrucks in starken Schwierigkeiten stecken – selbst die chinesischen Kostenführer. Es zeichnet sich nun ab, was wir alle schon lange befürchten: Das Wort Konsolidierung könnte eine zaghafte Formulierung sein für das, was in den nächsten sechs bis 12 Monaten geschehen könnte. Letztendlich brauchen wir allerdings die Gesundung des Marktes. So gesehen sind Dünnschicht und kristallin wieder enger zusammengerückt, wir sitzen quasi im selben Boot.

Solarserver: Ich denke, damit treffen Sie genau die Stimmung in diesen Tagen in Hamburg. Die Konsolidierung steht im Raum. Es gab ja auch wesentlich deutlichere Zeichen aus den USA. Zumindest drei Nachrichten, die eindeutig sind.
Die Dünnschicht hatte eine Zeit erlebt, in der ganz große Hoffnungen geweckt wurden, sowohl hinsichtlich der Produktionsvolumina als auch der Kostensenkungen. Und sich letztlich auch Erfolge am Markt ankündigten. Dann wurde es still, und einer der großen Produzenten hat dann seine Produktionstechnologie auf Eis gelegt. Sie starten jetzt mit Ihrer weiterentwickelten Technologie. Können Sie kurz die Gründe nennen, weshalb es jetzt wieder interessant ist einzusteigen?
Dr. Benz: Bei Oerlikon hat sich an der strategischen Ausrichtung auch nach dem Ausstieg eines großen Mitkonkurrenten nichts geändert. Wir bekennen uns nach wie vor zur Si-Dünnschichttechnik. Wir sehen mit unserer "Micromorph"®-Technologie nach wie vor das Potenzial, mit den absolut niedrigsten Modulherstellungskosten und einer zweistelligen Effizienz der Module wettbewerbsfähige Systemkosten auf Augenhöhe anzubieten – und dies mit dem umweltfreundlichsten Solarmodul in punkto Materialien, Energieverbrauch zur Herstellung sowie der so genannten Energy-Payback-Time – das innerhalb des Sonnengürtels über 10% mehr Ertrag liefert. Dies ist Grund genug, an unserer Strategie festzuhalten.Wir stecken jährlich 60 – 70 Millionen Schweizer Franken in die Forschung und Entwicklung, um unser Ziel weiter zu verfolgen, die Anlagenproduktivität zu steigern und damit den CAPEX pro Watt/p genauso wie die Modulherstellungskosten durch innovativere Prozesstechnologie und geeignetere Materialwahl weiter zu senken.
Ein erheblicher Schritt ist uns 2010 mit der ersten ThinFab-Generation gelungen, die bei einer Fabrikkapazität von 120 MW Produktionskosten von damals 50 Eurocent pro Watt/p in Europa ermöglicht. Mit unserer ThinFab konnten wir innerhalb von nur drei Jahren den CAPEX/Wp genauso wie die Modulmaterialkosten um über 50 % senken.
In China und anderen Teilen Asiens peilen wir beim Verkauf unserer Fabriken dieses Jahr schon Modulherstellungskosten von knapp über 40 Eurocent pro Watt/p an, Skaleneffekte und Effizienzsteigerung ergeben dann nochmal ein Kosteneinsparpotenzial von weiteren 10 bis 20 %.
Der Markt hatte sich zwar verlagert, weil der Endmarkt zu der Zeit sehr stark auf Zentraleuropa konzentriert war, wo die Dünnschicht aus verschiedenen Gründen nicht so sehr zum Zuge kommt. Beispielsweise, weil sie unter den hiesigen klimatischen Gegebenheiten ihre Vorteile des niedrigeren Temperaturkoeffizienten nicht entscheidend ausspielen kann und das Hausdach auch nicht die bevorzugte Applikation ist.
Die stets steigende Bedeutung der Kosten könnte letztlich der Dünnschicht zu Gute kommen, da sie außer der Effizienzsteigerung noch deutlich mehr Hebel zur Kostensenkung besitzt. Des Weiteren sehen wir, dass im Moment neue, interessante Märkte insbesondere für die Dünnschicht am Entstehen sind.
Existierende Dünnschichtkunden, die auch sicherlich Zeit gebraucht haben, ihre Absatzkanäle zu schaffen, planen nun ernsthaft, ihre Erweiterungs- und Wachstumspläne umzusetzen.
Diese neuen Märkte liegen in Südostasien wie auch in Süd- und Westchina, aber auch in Teilen der USA oder in Indien. Für die Dünnschicht könnten dies die interessanten kommenden Wachstumsmärkte sein.
Unsere jetzigen Kunden bestätigen, dass die Dünnschicht dort sehr gefragt ist. Das freut uns, weil es zeigt, dass die kommende Technologie, zum Beispiel in Indien, tatsächlich 10 bis 15 % höhere Erträge liefern wird, was wir auch über Jahre hinweg mit unseren Outdoor-Tests untersucht haben, aber unter den klimatischen Gegebenheiten wie in der Schweiz oder in Deutschland nicht so einfach zu belegen war. In Indien sieht man jetzt, dass der Temperaturkoeffizient und unter Umständen auch das Schwachlichtverhalten eine zentrale Rolle spielen.
Das gleiche gilt in Südostasien. Dort sehen wir positive Zeichen am Markt, dass Kunden, die vor drei, vier Jahren viel in ihre Fabriken investiert haben, jetzt wieder so weit sind, dass sie weiter wachsen können.

Solarserver: Jetzt haben Sie gleich mehrere Fragen beantwortet. Sehr effizient, wie Ihre Branche.
Ich würde aber noch einmal nachhaken: Asien haben Sie genannt. Die USA sind sicher als Utility-Markt interessant, in dem es Freiflächenanlagen mit den entsprechenden klimatischen Bedingungen gibt. Sie haben kürzlich einen neuen Kunden und einen Auftrag mit 120 Megawatt kommuniziert. Dürfen Sie verraten, in welchem Land der sitzt?
Dr. Benz: In Asien. Und man darf davon ausgehen, dass dieser Kunde sich auch auf die genannten Regionen konzentrieren wird.

Solarserver: Wie sehen Sie die Perspektiven des chinesischen Markts nach der Einführung der Einspeisetarife, was letztlich auch die heimischen Installationen betrifft?
Dr. Benz: Wir alle erwarten seit einiger Zeit, dass der chinesische Heimmarkt anfängt sich zu entwickeln. Die Einspeisetarife und entsprechenden Programme wurden angekündigt, aber man sieht noch nicht unbedingt, dass die Installationen dort so schnell vorankommen wie man sich das vorgestellt hat. Ich denke, es wird zunächst auch in China zu einer Konsolidierung kommen. Nur im Bereich Dünnschicht gibt es in China knapp 100 Unternehmen mit Dünnschichtmodulen fast ausschließlich auf Siliziumbasis.

Solarserver: Eine beeindruckende Zahl, die aber nachdenklich macht…
Dr. Benz: In Europa kennen wir meist nur die größeren, globalen Player im Markt. Viele der kleineren Modulhersteller werden es allerdings schwer haben, Volumeneffekte zu erzielen oder auch den Zugang zur jeweils neuesten Technologie sicherzustellen. Deshalb wird es vermutlich noch vor dem starken Wachstum auch in China zu einer Konsolidierung kommen. Die Regionen in Süd- und Westchina sowie der südostasiatische Raum werden für uns sicher kurz- und mittelfristig den interessantesten Markt darstellen.

Solarserver: Noch vor oder hinter den USA?
Dr. Benz: Derzeit sehen wir nicht unbedingt, dass in den USA viele Fertigungsstätten entstehen werden. Das ist eher ein Endmarkt für die Module. Die Förderung in den USA funktioniert doch etwas anders. Heute gehen wir nicht davon aus, dass dort die großen Fabriken stehen werden.

Solarserver: Lassen Sie uns einen weiteren interessanten Aspekt aufgreifen, die konkurrierenden Technologien. Es gibt ja eine typisch amerikanische Dünnschicht-Technologie, die mittlerweile in Sachen Umweltverträglichkeit kritischer bewertet wird – was Ihr Produkt wesentlich davon unterscheidet. Und dann gibt es noch eine Dünnschichttechnologie, die höhere Wirkungsgrade bietet. Im Vorfeld der Messe und Konferenz sind beeindruckende Zahlen genannt worden. Wie bewerten Sie die Rolle der verschiedenen Technologien und deren Marktperspektiven?
Dr. Benz: Selbstverständlich beschäftigen wir uns permanent mit den Konkurrenztechnologien und analysieren mit unseren „cost of ownership“-Modellen die Marktchancen bzw. die Wettbewerbsfähigkeit der verschiedenen Technologien.
Wir sehen, dass die ältere amerikanische Technologie, die Sie angesprochen haben, mehr Probleme hinsichtlich der Umweltverträglichkeit bekommt. Dass jetzt auch sichtbar wird, wo eventuell zusätzliche Kosten verborgen sind, zum Beispiel beim Recycling.Unser „Turnkey“-Geschäftsmodell mit zugesicherten Leistungsdaten sowie Meilensteinen erlaubt ein schnelles Skalieren von Fabriken. Eine ThinFab ist eine integrierte Fertigungslinie – vom nackten Glas bis hin zum geprüften Solarmodul. Sie kann auch im Mittleren Osten eingesetzt werden, in Nordafrika und in Mittelamerika. Denn für diese Regionen ist die ThinFab am besten geeignet, auch um sie schnell zu duplizieren.Die hohen Fabrik-Kennzahlen für Modulausbeute und Anlagenverfügbarkeit zeigen deutlich, dass die Dünnschicht-Siliziumtechnologie nicht nur überall eingesetzt werden kann, sondern auch von jedermann beherrscht werden kann.Beispielsweise bringen die sehr moderaten Prozesstemperaturen von unter 200 Grad bei der Dünnschichtsiliziumtechnologie folgende Vorteile mit sich: deutlich geringeres Risiko für Glasbruch, Hochtemperaturmaterialien sind meist teurer, die Beschichtungsprozesse sind robuster und reproduzierbarer.
Andere Dünnschichtverfahren haben eine deutlich höhere Komplexität bei den Beschichtungs- bzw. Diffusionsvorgängen bei oft über 600-700°C. So werden auf der Materialkostenseite und vor allem beim Betreiben der Fabrik die Vorzüge unserer Dünnschichtsiliziumtechnologie transparent, die eine wesentlich sicherere und günstigere Herstellung der Module erlaubt.
Unbestritten ist unsere Dünnschichtsiliziumtechnik die umweltfreundlichste Technologie. Sie verbraucht am wenigsten Absorbermaterial, das Absorbermaterial Silizium ist unbeschränkt verfügbar, und unser Dünnschichtsilizium-Modul verbraucht zur Herstellung ca. 50% weniger Energie verglichen mit einem kristallinen Modul und besitzt gleichzeitig auch die kürzeste „Energy-Payback-Time“ von unter einem Jahr. Unser Modul besteht aus Silizium und Glas (= Siliziumoxid), somit stellt die Entsorgung auf unserem Planeten, wo Silizium nach dem Sauerstoff das zweithäufigste Element ist, kein Problem dar.

Solarserver: Ich hatte eben den Eindruck, dass Sie über die Märkte hinaus sehen, die gegenwärtig überall diskutiert werden. MENA scheint ein Thema und Lateinamerika. Sind das die Märkte, die nach den "nächsten großen Märkten" ins Auge gefasst werden – und auch die entsprechenden Potenziale haben? Klassische Dünnschichtmärkte?
Dr. Benz: Ja, klassische Dünnschicht. Und das ist es auch, warum wir das positiv beurteilen. Wir sehen, dass diese Märkte allmählich in Bewegung kommen, Regionen, die nicht oder weniger stark von den Einspeisetarifen angetrieben werden, sich innerhalb des „Sonnengürtels“ befinden und durch steigende Energiekosten und -verbrauch ein Bedarf generiert wird.

Solarserver: Es wird in der Tat von einem Paradigmenwechsel geredet. Der Einspeisetarif war nötig um dahin zu kommen, wo wir angelangt sind. Nun gewinnen die reinen Stromgestehungskosten (LCOE) an Bedeutung. Da ist das Rennen wieder offen.
Dr. Benz: Der Übergang von „Cost Per Watt“ zu „Cost Per Kilowatt Hour“ zeichnet sich ab, aber der Bewusstseinswandel wird noch etwas Zeit brauchen.

Solarserver: Immerhin wird das diskutiert und ich denke, das ist ein Signal für die Branche insgesamt. Vielen Dank, dass Sie so ausführlich und so anschaulich Auskunft gegeben haben.

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