BNetzA-Leitfaden: Eigenversorgung nur als Zugeständnis

Solarthemen 476. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat die endgültige Fassung ihres „Leitfadens zur Eigenversorgung“ veröffentlicht. Dieser definiert Regeln für Eigenverbrauch und Direktlieferungen im Nahbereich. An der restrik­tiven Interpretation des Eigenverbrauchs durch die BNetzA hat sich allerdings gegenüber der Entwurfsfassung nicht viel geändert. Mögliche Geschäftsmodelle werden behindert und Eigenversorger wie Netzbetrei­ber mit Verwaltungsaufwand belastet.

Die Bundesnetzagentur betont selbst, dass ihr Leitfaden zur Eigenversorgung keine Verwaltungsvorschrift sei und auch keine Rechtsverbindlichkeit beanspruche. Im Vorwort beschreibt sie den Zweck des Werkes so; „Der Leitfaden dient den betroffenen Unternehmen und Bü̈rgern als Orientierungshilfe, um eine einheitliche Anwendungspraxis zu fördern und Rechts­unsicherheiten zu vermindern.“ In Teilen ist der Leitfaden, der als Entwurfsfassung bereits seit dem vergangenen Oktober veröffentlicht war, allerdings schon mit seinem Erscheinen am 11. Juli veraltet. Denn mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz hatte der Bundestag bereits drei Tage zuvor Ausnahmen für so genannte Mieterstrommodelle angekündigt (vgl. S. 1) und damit den gesetzlichen Rahmen, den der Leitfaden zu interpretieren versucht, an zumindest einem wesentlichen Punkt geändert. Gleichwohl sei derzeit keine Neuauflage in Arbeit, erklärt die BNetzA-Pressestelle auf Anfrage der Solarthemen. Allerdings hat die EEG-Novelle an den beiden Prämissen, die den 135 Seiten starken Leitfaden erst nötig machen, auch nichts geändert. Die eine ist, dass auch erneuerbarer Strom, dessen Erzeugung nicht vom Umlagesystem des EEG profitiert, im Verbrauchsfall mit der EEG-Umlage belastet wird. Die andere heißt, dass ein relevanter Unterschied besteht zwischen einerseits Eigenverbrauch und andererseits Stromlieferung im Nahbereich. Falsche Prämissen Der Rechtsanwalt Peter Nümann, der sich als Berater von Betreiberverbänden wie der DGS seit Jahren mit der Eigenverbrauchsproblematik auseinandersetzt, hält schon diese Prämissen für falsch. Und er widerspricht der Auffassung des Bundeswirtschaftsministeriums, dass es sich um eine Förderung handele, wenn für Eigenversorgung aus erneuerbaren Energien verringerte oder keine Abgaben wie EEG-Umlage oder Netzgebühren erhoben werden. Von genau diesem Verständnis geht allerdings auch die Bundesnetzagentur aus. Sie schreibt im Vorwort ihres Leitfadens: „Diese indirekte Förderung kann für eine private PV-Anlage mehr als 19 Cent für die selbst erzeugte Kilowattstunde Strom ausmachen.“ Förderung oder Vorteil? Nümann nennt diese Aussage „skandalös“. Allein schon die Ersparnis der Netzentgelte als Förderung darzustellen, schlage dem Fass den Boden aus, so der Anwalt: „Das ist keine Förderung, sondern schlichtweg der natürliche Wettbewerbsvorteil der dezentralen Versorgung.“ Die heutige Situation sei vielmehr so, dass eingespeister Solarstrom über die EEG-Umlage gefördert werde, während für selbstgenutzten oder direktgelieferten PV-Strom in der Regel EEG-Umlage zu zahlen sei. Nümann: „Das ist die Förderung des Netzstroms gegenüber dem Eigenstrom.“ Demgegenüber betont die BNetzA: „Im Ergebnis ist nach dem EEG auf jede Kilowattstunde Strom, die an Letztverbraucher geliefert beziehungsweise von ihnen letztverbraucht wird, die volle EEG-Umlage zu zahlen, soweit nicht eine ausdrückliche gesetzliche Sonderregelung die Umlagepflicht vollständig oder anteilig entfallen lässt.“ Vor oder hinter dem Anschluss Eine solche Sonderregelung ist die Begünstigung der Eigenversorgung. Aber der Verbrauch selbsterzeugten Stroms hinter dem selben Stromanschluss fällt nicht immer darunter. Denn für die BNetzA geht es in der Frage der Eigenversorgung nicht darum, ob etwas vor oder hinter dem Hausanschluss oder Zählerkasten geschieht. Für sie geht es allein um die Frage der Personenidentität zwischen dem Betreiber einer Erzeugungsanlage und dem Letztverbraucher. Ein langes Kapitel des Leitfadens beschäftigt sich allein mit Definitionen rund um diese Frage. Wenn der Betreiber der Anlage und der Letztverbraucher nicht exakt identisch seien, liege bereits keine Eigenversorgung mehr vor. Auch dies kritisiert Nümann: Es sei durchaus denkbar, sich aus einer im Sinne des EEG „selbst betriebenen“ Anlage zu versorgen, wenn man diese in Gemeinschaft betreibe und allein den Strom entnehme oder umgekehrt. Auch die Sichtweise, alles was hinter dem Anschluss bleibe, sei Eigenversorgung, sei gar nicht so abwegig. Ausnahme Familie Nach wie vor vertritt die BNetzA aber eine strenge Linie in der Frage der Personenidentität. So würde etwa der Mitinhaber einer GbR, die auf seinem eigenen Wohn- und Geschäftshaus eine kleine PV-Anlage betreibt, den auf dem Dach produzierten Strom nicht als Eigenverbraucher nutzen, sondern im Rahmen eines Lieferverhältnisses, das nach dem EEG 2014 nicht umlagebefreit wäre. Die im Vorfeld zugespitzt diskutierte Frage, ob nach Lesart der BNetzA überhaupt mehrere Personen innerhalb einer Familie Eigenstrom nutzen können, wenn die Anlage auf dem Dach nur einem Familienmitglied gehört, wurde in der neuesten Fassung des Leitfadens jedoch nunmehr mit einem Beispiel deutlich kulanter beantwortet: „Betreibt Frau Schmidt eine PV-Anlage auf dem Dach und nutzt den erzeugten Strom in ihrer Wohnung, so ist sie in aller Regel unproblematisch auch die Betreiberin der Letztverbrauchsgeräte in der Wohnung und somit Letztverbraucherin des Stroms. Aufgrund dieser personellen Identität auf Erzeugungs- und Verbrauchsseite kann eine Eigenversorgung vorliegen. Daran ändert sich grundsätzlich nichts, wenn sie beispielsweise gemeinsam mit Mann und Kindern in der Wohnung wohnt.“ Auch die Verwendung von Solarstrom durch Personen, die sich zwischenzeitig in der Wohnung aufhielten, wie Gäste, Handwerker oder Putzhilfen, sei in diesem Fall kein Problem, erläutert die BNetzA ausdrücklich. Anders kann es aber schon aussehen, wenn ein volljähriges Kind sich unter dem Dach eine Einliegerwohnung einrichtet. Gesetzgeber verpasst Chance In den Augen des Berliner Rechtsanwalts Florian Valentin hat es der Gesetzgeber in der aktuellen EEG-Novelle deshalb versäumt, gerade in der Frage der Personenidentität in § 61 für klare Verhältnisse zu sorgen. Valentin: „Für Eigenversorgungsmodelle gibt es leider keine wirklichen Verbesserungen und auch nicht mehr Klarheit.“ Peter Nümann sieht die aktuelle EEG-Novelle als Ergebnis eines Politikstils, der falsche Prämissen setze, die man nur dort, wo besonders viele Proteste erwartet würden – wie etwa bei der Bürgerenergie oder bei absurden Eigenstromklauseln innerhalb der Familie – durch Ausnahmeregeln außer Kraft setze, ohne allerdings die Prämissen selbst infrage zu stellen. Text: Guido Bröer Foto: Timo Leukefeld

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