Mit großer Eile in den Energie-Strukturwandel

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Solarthemen+plus. Mit einigen Wochen Verspätung hat die Bundes­regie­rung gestern die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung eingesetzt, die Vorschläge für Klimaschutz und Kohleausstieg unterbreiten soll. Die heterogen zusammengesetzte Gruppe steht unter ei­nem hohen Zeitdruck. Schon im Oktober soll sie erste Ergebnisse vorlegen – und das möglichst im Konsens.

Von einem einheitlichen Interesse kann innerhalb der Kommission nicht ausgegangen werden. Doch stehen einige Ziele klar im Einsetzungsbeschluss der Bundesregierung. So soll die Kommission u.a. Perspektiven für neue Arbeitsplätze und Energieregionen schaffen, die deutschen Klimaschutzziele erreichbar machen und einen Plan zum Kohleausstieg mit einem Enddatum vorschlagen. Die Bundesumweltministerin Svenja Schulze erklärt zur Kommission, sie sei „sehr ausgewogen zusammengesetzt“. Damit seien bereits sehr gute Erfahrungen gesammelt worden. Denn auch 2011 sei es gelungen, den Atomausstieg in einer ähnlichen Konstellation nach vorn zu bringen. Neben den benannten Mitgliedern mischen Vertreter aus vier Ministerien sowie dem Kanzleramt und aus sechs Bundesländern mit. Empfehlungen zur Entwicklung der Braunkohleregionen soll die Kommission bereits Ende Oktober schriftlich vorlegen. Vorschläge zum Schließen der Lücke bei den Klimaschutzzielen sollen noch vor der Weltklimakonferenz im Dezember folgen. Ein Abschlussbericht soll zum Ende des Jahres vorliegen. Schon in wenigen Wochen wird sich herausstellen, ob die Kommission tatsächlich erfolgreich arbeiten kann. Schon der erste Arbeitsauftrag, eine Perspektive für die Kohleregionen beim Ausstieg aus der Kohleverstromung zu formulieren, hat es in sich. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer forderte bereits, erst müsse es um Perspektiven für die Betroffenen, dann erst um den Klimaschutz gehen. Die Braunkohle werde „bis zur Mitte dieses Jahrhunderts wirtschaftlichen Wohlstand sichern“. Das Jahr 2050 als spätes Ausstiegsdatum wird aber mit einigen Mitgliedern der Kommission nicht zu machen sein. Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND, erklärt: „Die Kommission wird dann zum Erfolg, wenn sie ihren klimapolitischen Auftrag umsetzt. Der erfordert einen ehrgeizigen Einstieg in den Kohleausstieg und ein rasches, aber sozial verträgliches Auslaufen der Kohleverstromung.“ Und Martin Kaiser, der Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland betont, die Lücke zum deutschen Klimaschutzziel 2020 müsse durch schnelles Abschalten von Kohlekraftwerken geschlossen werden: „Dafür werden wir in der Kommission kämpfen.“ Dagegen ist Besitzstandswahrung ein wesentliches Ziel von Stefan Kapferer, dem Vorsitzenden der BDEW-Hauptgeschäftsführung: „Unerlässlich ist außerdem, dass jede von der Strukturkommission gefundene Lösung die energiewirtschaftlichen Notwendigkeiten erfüllt und die Eigentumsrechte betroffener Unternehmen nicht verletzt.“ Einige weitere Mitglieder der Kommission wird er mit dieser Forderung an seiner Seite wissen. Nicht vertreten im Gremium ist der Bundesverband für Erneuerbare Energien. Lediglich Reiner Priggen, der Vorsitzende des NRW-Landesverbandes für Erneuerbare Energien, darf mitreden. BEE-Präsidentin Simone Peter sagt, von der Kohlekommission erwarte ihr Verband einen Kohleausstiegsplan, der den kurz- und langfristigen Klimazielen Rechnung trage. „Der Kohleausstiegsplan muss dabei zwingend begleitet werden von einem Masterplan 100 Prozent Erneuerbare Energien, um den Erfordernissen eines modernen, klimaverträglichen und flexiblen Energiesystems Rechnung zu tragen“, so Peter. Außen vor bleiben auch die Oppositionsparteien. Sie sind nur indirekt in der Kommission vertreten, wenn ihre Mitglieder als Vertreter einer Organisation mitdiskutieren werden. Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, kritisiert: „Ich finde es sehr bedauerlich, wenn das Parlament nicht als Ganzes beteiligt wird, sondern nur die Koalition mit sich selber spricht.“ Nur wenn sich alle daran beteiligten, werde man einen gesellschaftlichen Konsens herstellen können. Zu viele Pro-Kohle-Verfechter sieht Gösta Beutin, energie- und klimapolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, im Gremium: „Viel zu viele beteiligte Ministerien, ihr überfrachteter Arbeitsauftrag, der nicht einhaltbare Zeitplan, das schwache Mandat und deutlich zu wenige Ostdeutsche in der Kommission, all das macht die Kohlekommission zu einem zahnlosen, undemokratischen Regierungsdebattierclub.“ Doch die Aufgaben sind klar gesetzt. Die Treibhausgase müssen sehr deutlich verringert werden. Andreas Kuhlmann, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (dena) kommentiert: „Um das Klimaziel 2030 zu erreichen, müsste Deutschland seit 2015 jährlich mindestens 20 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Uns steht also ein gewaltiger Kraftakt bevor, wenn wir bedenken, dass die Treibhausgasemissionen seit 2014 praktisch überhaupt nicht gesunken sind.“ Text: Andreas Witt Foto: chalabala/fotolia.de

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