Abwrackprämie für Ölheizungen schadet EE-Wärmenetzen

Solarthermieanlage des Energeidorfs BüsingenFoto: Guido Bröer
Energiedörfern, die zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energie versorgt werden (hier Büsingen), könnte die neue BAFA-Förderung eher schaden als nutzen.
Bio- und Solarenergiedörfer schlagen Alarm. Die neue Abwrackprämie für Ölheizungen macht ihnen das Leben schwer. Denn der Anschluss eines Hauses an bestehende Fern- oder Nahwärmenetze wird vom BAFA nicht gefördert.

Offenbar hat die Bundesregierung mit ihrer Abwrackprämie für Ölheizungen bei Hausbesitzern einen Nerv getroffen. Energieberater und Installateure berichten von reger Nachfrage. Die Förderung soll Hausbesitzer zur Modernisierung ihrer Heizungsanlage und zum Umstieg auf erneuerbare Energien anregen. Doch bei der neu gestalteten und stark angehobenen Förderung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat das Bundeswirtschaftsministerium offenbar einen wichtigen Punkt übersehen. Die Förderung greift nicht, wenn der fossile Kessel durch den Anschluss an eine Fernwärmeleitung ersetzt wird, selbst wenn diese 100 Prozent erneuerbare Energie transportiert.

Massive Benachteiligung

Das sei eine massive Benachteiligung ausgerechnet für eine der klimaschonendsten Formen der Wärmenutzung, meint Hans-Jochen Henkel, Genossenschaftsvorstand im hessischen Bioenergiedorf Oberrosphe. Er hat einen SOS-Notruf per E-Mail an seine Kollegen in allen 200 Energiedörfern Deutschlands geschickt. Gemeinsam wollen die Dörfler nun politisch mobil machen.

Im Gespräch mit den Solarthemen schilderte Henkel, wie sich das Problem in Oberrosphe auswirkt. Das Bioenergiedorf ist als eines der ersten seiner Art bereits seit 12 Jahren in Betrieb. 60 Prozent der Häuser im Dorf versorgt eine Biogasanlage mit Abwärme. Die anderen Hausbesitzer betreiben noch ihre eigenen Heizkessel – zumeist auf Heizölbasis, wie Henkel berichtet: „Wir könnten, ohne neue Trassen zu bauen, weitere 20 Prozent des Dorfes an die vorhandenen Leitungen anschließen.“ Eine Nachverdichtung sei nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für die Genossenschaft sehr wichtig. Denn der Wärmeverbrauch pro Hausanschluss sei seit dem Jahr 2009 von 24.000 Kilowattstunden auf 21.000 Kilowattstunden gefallen, berichtet Henkel. Durch effizientere Gebäude und den Klimawandel würden Kapazitäten für weitere Anschlüsse frei.

Überraschung auf der BAFA-Homepage

Aufgerüttelt hat ihn und seine Genossen ein noch nicht ans Netz angeschlossener Nachbar. Der hatte von der attraktiven Abwrackprämie für Ölheizungen gehört und will die neue Förderung nun zum Anlass nehmen, um seinen Ölkessel zu verschrotten und der Genossenschaft beizutreten. Erst bei der Antragstellung auf der BAFA-Homepage stellte er fest, dass der Fall eines Fernwärmeanschlusses in dem Online-Dialog gar nicht vorgesehen ist. Das ist kein Fehler des BAFA, denn Wärmenetzanschlüsse sind in der Förderrichtlinie des Bundeswirtschaftsministeriums schlicht nicht enthalten.

Immerhin findet sich der Neuanschluss an Fern- und Nahwärmenetze als Fördertatbestand in einem Programm der KfW-Bank. Der Hausbesitzer, der sich an ein bestehendes Netz anschließen will, kann einen 20-prozentigen Zuschuss aus dem Programm 430 „Einzelmaßnahmen“ beantragen. Für den Förderantrag ist ein Energieberater zu engagieren. (*)

Fünfstellige Umrüstkosten

Dabei sind die Kosten die dabei entstehen, nicht viel geringer als bei einer klassischen Heizungserneuerung. In Oberrosphe verlangt die Genossenschaft von neuen Mitgliedern einen Anschlussbeitrag von pauschal 8000 Euro. Oft sei der nicht kostendeckend, merkt Henkel an. Bene Müller, Vorstand der Solarcomplex AG, die in der Bodenseeregion zahlreiche Regenerativ-Wärmenetze betreibt, bestätigt dies. Eine Größenordnung von 10.000 Euro sei für einen Hausanschluss typisch. Müller zählt die üblichen Arbeiten auf: Abschiebern des jeweiligen Teilstrangs, Öffnen der Straße, Einbau eines T-Stücks, Verlegen der Hausanschlussleitung (z.B. 15 m), Kernbohrung, Verrohrung im Keller des Kunden, Lieferung, Montage und Inbetriebnahme der Wärmeübergabstation, hydraulische Einbindung ins Heizsystem, Schließen der Straße. Für den Hausbesitzer kommen dann noch die Kosten für die Entsorgung des alten Kessels und der Öltanks hinzu sowie eine Renovierung des Heizungskellers. All dies wird bei einer normalen Heizungserneuerung vom Bafa mit 30 bis 45 Prozent gefördert, aber bislang nicht beim Anschluss an ein Wärmenetz.

Die Konsequenz hat sich Hans-Jochen Henkel jetzt auch bei einem Treffen mit Vertretern anderer Energiedörfer bestätigt. Angesichts dieser Förderung – und nicht zuletzt dank der Abwrackprämie für Ölheizungen – sei es für Anschlusskandidaten mittlerweise oft finanziell attraktiver, eine neue Einzelheizung einzubauen als sich an das Wärmenetz anzuschließen.

Änderung erst durch die BEG?

Inzwischen ist das Thema in der Bundesregierung angekommen. Alarmiert von besorgten Energiegenossen hat die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), jetzt das für die Förderung zuständige Bundeswirtschaftsministerium um Stellungnahme gebeten. Das Ministerium von Peter Altmaier vertröstet in seiner Antwort, die den Solarthemen vorliegt, auf die für 2021 geplante „Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG)“. Sie soll die bisherigen Programme von BAFA und KfW zusammenführen und ersetzen. Mit ihr sollen laut BMWi „Hausübergabestationen als Fördertatbestand eingeführt und auch im Rahmen der Austauschprämie für Ölheizungen berücksichtigt werden. Die Details zu den Förderbedingungen werden hierzu derzeit noch ausgearbeitet.“

Die Bürgerenergiegesellschaften in den Energiedörfern wollen sich damit nicht zufrieden geben. Die Fehlsteuerung könne auch kurzfristig zu Fehlinvestitionen von Hausbesitzern führen, argumentieren sie. Sie behindere somit die Weiterentwicklung der gemeinschaftlichen Wärmeprojekte. Die Energiebürger hoffen jetzt auf Unterstützung von Politikern und Verbänden.

(*) Absatz geändert am 10.2.2020

6.2.2020 | Solarthemen | solarserver.de
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