Klimaschutz: 100 Milliarden Euro Konjunkturpaket vorgeschlagen

Zu sehen ist eine startende Rakete auf dem Deckblatt des Konjunkturprogramms der "Doppelte Booster"Grafik: Agora Energiewende
Der „Doppelte Booster“ enthält mehr als 50 Maßnahmen zum Klimaschutz.
Agora Energiewende und Agora Verkehrswende haben einen Vorschlag für ein Konjunkturpaket vorgestellt: Der „Doppelte Booster“ enthält mehr als 50 Maßnahmen für Industrie, Verkehr, Gebäude, Energiewirtschaft und zur Stärkung der Kaufkraft. Er soll die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie mit dem Klimaschutz verbinden.

Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise möglichst schnell zu überwinden und das Leben in Deutschland zukunftssicherer zu machen, haben Agora Energiewende und Agora Verkehrswende einen gemeinsamen Vorschlag für ein umfangreiches Konjunkturprogramm vorgestellt: Mit insgesamt 100 Milliarden Euro soll der Bund demnach in den nächsten zwei Jahren Investitionen in mehr als einem Dutzend Bereichen anstoßen – von der Energiewirtschaft über den Verkehrssektor und die Bauwirtschaft in Deutschland bis hin zur Stahl- und Wasserstoffindustrie in der Europäischen Union. Damit soll die Wirtschaft nicht nur gesunden, sondern zugleich auch so umgebaut werden, dass sie bis 2050 klimafreundlich werden kann. Der Entwurf vom „Doppelte Booster“ genannten Vorschlags war in den vergangenen Wochen intensiv mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik diskutiert worden.

Corona- und Klimakrise zeitgleich angehen

„Im Moment steht Corona im Fokus, aber die Klimakrise ist immer noch da: 2020 könnte wieder eines der trockensten Jahre in Deutschland werden und eines der heißesten weltweit. So eindringlich, wie die Wissenschaft vor den Folgen einer ungebremsten Pandemie warnt, so warnt sie auch vor den Folgen der globalen Klimakrise“, mahnen Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende und Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. „Wir haben weder die Zeit noch ausreichende Mittel, um die Corona- und die Klimakrise nacheinander zu lösen. Ein Wachstums- und Investitionsprogramm, das die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie überwindet, muss deshalb auch der Herausforderung der Klimaneutralität gerecht werden. Es soll erstens einen kräftigen Wachstumsschub auslösen und zweitens in eine zukunftsfeste Richtung zielen. Der Doppelte Booster zieht deshalb Investitionen auf heute vor, die bisher erst morgen anstanden.“

Mit 100 Milliarden Euro umfasst das Programm rund drei Prozent des deutschen Bruttoinlandproduktes. Es liegt damit in einer Größenordnung, die auch Wirtschaftsforschungsinstitute für geboten halten. Das Paket soll den Einbruch der Wirtschaftsleistung, der sowohl vom Bundeswirtschaftsministerium als auch dem Internationalen Währungsfonds für 2020 auf 6 bis 7 Prozent geschätzt wird, möglichst schnell überwinden und einer noch längeren und tieferen Rezession vorbeugen.

Bauwirtschaft: energetische Sanierung, Fernwärmenetze und Wärmepumpen

Mit 25 Milliarden Euro würde die Bauwirtschaft am meisten von dem Doppelten Booster profitieren. Zehn Milliarden Euro sollen in den Aufbau einer Industrie für die serielle energetische Sanierung von Häusern fließen. Jeweils fünf Milliarden Euro sind für den Ausbau klimafreundlicher Fernwärmenetze und für die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude sowie für ein Programm zum Austausch von einer Million Erdöl- und Erdgasheizungen gegen elektrische Wärmepumpen vorgesehen.

22 Milliarden Euro sollen die Kaufkraft der Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen stärken. Dies will das Konjunkturprogramm durch eine deutliche Absenkung der Strompreise erreichen. Dazu soll die Ökostromförderung zu einem Großteil aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden, wodurch sich die EEG-Umlage um rund 75 Prozent vermindern würde. Strom würde dadurch um rund sechs Cent je Kilowattstunde günstiger werden.

Mobilität: Höherer Umweltbonus für Elektroautos

Ein Betrag von 15 Milliarden Euro ist für die Mobilitätswirtschaft vorgesehen. „Mit klugen Konjunkturimpulsen können wir auch den Strukturwandel in der Automobilindustrie und die Verkehrswende voranbringen“, sagt Christian Hochfeld von Agora Verkehrswende. „Ziel muss vor allem sein, die Elektrifizierung des Straßenverkehrs und die Modernisierung des öffentlichen Verkehrs zu beschleunigen. Gleichzeitig gilt es, Fehlanreize zu vermeiden, die den Umstieg auf alternative Antriebe und klimafreundliche Verkehrsträger weiter verschleppen.“

Dementsprechend schlagen die Autorinnen und Autoren des Papiers vor, den Umweltbonus für Elektroautos und Plug-in-Hybride um bis zu 2.000 Euro anzuheben und auf elektrische Nutzfahrzeuge bis 7,5 Tonnen Gesamtgewicht auszuweiten. Parallel dazu wird die Ladeinfrastruktur für Elektroautos verbessert und ein Förderprogramm für Elektromobilität im ländlichen Raum eingerichtet. Zusätzliche Milliardenbeträge soll die Politik für den Aufbau von Batteriezellfertigungen in Deutschland und für einen Innovationsfonds für Start-up-Unternehmen bereitstellen. Mit Blick auf Benzin- und Dieselfahrzeuge empfiehlt das Papier die Einführung eines Bonus-Malus-Systems, wobei der Bonus für besonders effiziente Modelle als Konjunkturimpuls vorgezogen wird. Auf drei Autobahnkorridoren soll es verschiedene alternative Antriebssysteme für Lastwagen geben.

Im öffentlichen Verkehr sollen Bund und Länder den Ausbau von Premiumbussystemen mit 500 Millionen Euro in bis zu zehn Städten fördern. In zehn Innovationsräumen soll die Verknüpfung des klassischen öffentlichen Personennahverkehrs mit modernen Mobilitätsdienstleitungen vorangetrieben werden. Hierfür ist bis zu eine Milliarde Euro vorgesehen. Schließlich ist es Agora zufolge dringend erforderlich, zusätzliche Personalkapazitäten für die Planung und Genehmigung von Verkehrsinfrastrukturen einzurichten, damit öffentliche Investitionen in diesem Bereich möglichst rasch Früchte tragen.

Industrie: Anschubfinanzierung für Wasserstoff

Ebenfalls 15 Milliarden sollen in den klimafreundlichen Umbau der Chemie-, Stahl- und Grundstoffindustrie fließen. Hier sind im Papier der „Doppelte Booster“ Ausgaben in Höhe von jeweils fünf Milliarden Euro für die Anschubfinanzierung von Anlagen zur Wasserstoffherstellung sowie von klimafreundlichen Produktionsanlagen im Bereich der Stahl-, Zement- und Chemieindustrie vorgesehen. Ebenfalls fünf Milliarden Euro sind für Verbesserungen der Energieeffizienz von Produktionsprozessen vorgesehen. Zudem schlägt das Papier die Einführung eines Regulierungsrahmens für Industriestrom auf Basis von Erneuerbaren Energien vor, der durch weitgehende Befreiung von Abgaben und Umlagen besonders günstig sein kann.

Schließlich sollen 20 Milliarden Euro in europäische Projekte fließen. So soll die Politik den Aufbau einer europäischen Wasserstoffindustrie, den Bau eines Drehkreuzes für Windkraft aus Offshore-Anlagen in der Nord- und Ostsee und die Errichtung von Solarprojekten in Spanien und Italien ebenso wie den Wiederaufbau einer europäischen Photovoltaikindustrie mit zusammen zehn Milliarden Euro fördern. Weitere zehn Milliarden Euro sind für Projekte vorgesehen, die im gemeinsamen europäischen Interesse liegen – darunter ein europaweites Netzwerk von Schnellladesäulen für Elektroautos, eine grüne europäische Stahlindustrie und die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude in großem Umfang.

Erneuerbare Energien: Hürden beseitigen

Für den Ausbau Erneuerbarer Energien in Deutschland sieht das Papier hingegen keine nennenswerten finanziellen Impulse vor. Denn die Finanzierung hierfür deckt das Erneuerbare-Energien-Gesetz bereits weitgehend ab. Stattdessen gehe es vielmehr darum, Hemmnisse rasch abzubauen, die die Energiewirtschaft aktuell lähmen: So sollten die Politik dringend den Ausbaudeckel für Solaranlagen streichen und die Hürden für den Ausbau der Windenergie an Land beseitigen – stattdessen brauche es neue Flächenausweisungen und eine Beschleunigung der Genehmigungsprozesse. Zusätzlich sei es essenziell, den Ausbau der Solarenergie, sowie der Windenergie an Land und auf See zu beschleunigen, um das Klimaschutzziel Deutschlands zu erreichen, schreiben die Autorinnen und Autoren.

Das 48-seitige Papier „Der Doppelte Booster – Vorschlag für ein zielgerichtetes 100-Milliarden-Euro-Wachstums- und Investitionsprogramm“ steht unter dem nebenstehenden Link zum Download zur Verfügung. Es wird öffentlich zum ersten Mal im Rahmen eines Webinars am Donnerstag, 14. Mai, um 15 Uhr diskutiert. Anmeldungen sind unter diesem Link möglich.

12.5.2020 | Quelle: Agora Energiewende | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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