Schöne Bescherung: Kompromiss zum EEG2021

Ü20-Windkraftanlagen von Nordex im GegenlichtFoto: Guido Bröer
Aufatmen nach Koalitions-Kompromiss zum EEG2021: Ü20-Windkraftanlagen können vorerst weiterlaufen.
Die Koalition hat sich auf dringende Änderungen zur EEG-Novelle geeinigt. Der Bundestag dürfte den Kompromiss am morgigen Donnerstag beschließen. (Vorabbericht aus der Ausgabe des Infodienstes Solarthemen vom 17.12.2020):

Nachdem die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Matthias Miersch (SPD), Carsten Linnemann (CDU) und Georg Nüsslein (CSU) am Wochenende die Kuh vom Eis geholt haben, können nun einige in den betroffenen Branchen aufatmen. Das EEG2021 wird nach dem Kompromiss pünktlich in Kraft treten. Eine Verschiebung hätte für eine fünfstellige Zahl von sogenannten ausgeförderten Anlagen unabsehbare Folgen gehabt. Und der Zeitdruck resultiert auch aus der Tatsache, dass die beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission für das bislang geltende Vorgängergesetz EEG2017 an Silvester ausläuft.

Entschließungsantrag für 2021

Diese Rechtsunsicherheiten werden mit dem heutigen Bundestagsbeschluss, den die Länder im Bundesrat morgen absegnen dürften, vom Tisch sein. Dennoch nimmt sich die Koalition für Anfang kommenden Jahres noch ein mit Stolpersteinen gespicktes Teilstück des Weges vor. Denn Teile des jetzt erzielten Kompromisses lassen sich vor Weihnachten offenbar nicht mehr im Detail juristisch ausarbeiten. Bis zur Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages am Dienstagabend (nach Redaktionsschluss) wollten die Koalitionsfraktionen deshalb einen Entschließungsantrag formulieren, in dem es möglichst genau zu beschreiben gilt, welche Gesetzesänderungen im kommenden Jahr nachgeschoben werden.

Dazu zählt beispielsweise die grundlegende Frage höherer Ausschreibungsmengen, die das EEG2021 erst an das jüngst angehobene EU-Ziel von 55 Prozent Treibhausgasminderung bis 2030 anpassen würden.

Der vielleicht wichtigste Durchbruch in den Verhandlungen betrifft die EEG-Umlagepflicht für den Eigenverbrauch. Diese soll für neue und bestehende Anlagen bis 30 kW und bis zu einer selbst verbrauchten Strommenge von 30.000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr ganz entfallen. Die Koalition würde sich damit an der Vorgabe der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien orientieren, die zum Stichtag 1.7.2021 die Umlagebefreiung bis 30 kW vorsieht. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte diese EU-Vorgabe in seinem Gesetzentwurf aber ignoriert und stattdessen die bisherige 10-kW-Bagatellgrenze lediglich auf 20 kW anheben wollen.

Keine EEG-Umlage für Ü20-Kleinanlagen

Die Umlagebefreiung soll sich nach Darstellung des SPD-Bundestagsabgeordneten Timon Gremmels ausdrücklich auch auf ausgeförderte Ü20-Photovoltaikanlagen beziehen. Gremmels sagt: „Altanlagen, deren EEG-Vergütung ab dem 1. Januar 2021 nach dann 20 Jahren Förderung ausläuft, können ohne unverhältnismäßige Anforderungen an die Messtechnik und ohne EEG-Umlage wirtschaftlich weiterbetrieben werden.“

Hier bezieht sich Gremmels auf den nächsten wesentlichen Punkt des Koalitionskompromisses, der vor allem für Photovoltaikbetreiber eine wesentliche Rolle spielt: Für alle Bestandsanlagen ist das Thema einer Smartmeter-Pflicht ab 1 kW Anlagenleistung vom Tisch. Es bleibt für sie bei der 7-kW-Grenze für intelligente Messsysteme, die das Messstellenbetriebsgesetz vorschreibt. Auch hier hätten die Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums insbesondere Ü20-PV-Anlagen bedroht. Der bisherige Gesetzentwurf hätte die Smartmeter-Nachrüstung für diese größtenteils sehr kleinen PV-Anlagen obligatorisch vorgeschrieben, sobald die Betreiber ihre Anlagen von Volleinspeisung auf Eigenverbrauch umgerüstet hätten.

Freilich schwebt das Damoklesschwert Smartmeter-Pflicht weiterhin über den kleinen Anlagen, denn die Bundesregierung soll nun zunächst prüfen, wie sich der Einbau von intelligenten Messsystemen wirtschaftlich realisieren lässt. Das BMWi soll dann in einer Verordnung, bei der der Bundestag mitzureden hat, festlegen, ab welchen Kilowattgrenzen Betreiber von Neu- und Bestandsanlagen Smartmeter einbauen müssen.

Gebannt scheint jedenfalls, wenn der Bundestag heute das EEG2021beschließt, die Gefahr, dass eine große Zahl von Ü20-Anlagen zu wilden Einspeisern gemacht oder abgeschaltet worden wäre.

1 Cent extra für alte Windräder

Für ausgeförderte Windkraftanlagen soll es offenbar eine Art Überbrückungsprämie von einem Cent pro Kilowattstunde zusätzlich zum Marktwert des Windstroms geben, mit der diesen der Übergang in die sonstige Direktvermarktung oder ein Repowering erleichtert werden soll. Außerdem könnte es eine Art Förderausschreibung für diese Altanlagen geben, deren Details aber bei Redaktionsschluss noch nicht geklärt waren.

Ein Signal an die Betreiber neuer Wind- und PV-Anlagen ist der Koalitions-Kompromiss in punkto Paragraf 51 des EEG2021, der die Kürzung der Vergütungen bei negativen Strompreisen regelt. Statt bereits nach einer Stunde mit ununterbrochen negativen Preisen an der Strombörse, wie es der Kabinettsentwurf vorsah, soll nun erst nach 4 Stunden die Förderung auf null gekappt werden. Bislang beträgt die Frist 6 Stunden. Die 4-Stunden-Regel wollen die Politiker zunächst nur bis Ende 2021 gelten lassen und dann überprüfen.

Auch für die Photovoltaik sind noch nicht alle Themen des Koalitionskompromisses in trockenen Tüchern. So haben sich die Verhandlungsführer zwar laut Gremmels auf eine Abschwächung des Degressionsmechanismus beim sogenannten atmenden Deckel verständigt. Details sind dabei aber wohl noch ebenso offen wie beim Mieterstromthema.

Mieterstrom für Quartiere

Dazu soll der Entschließungsantrag regeln, dass sich Mieterstromanlagen nicht mehr auf die Gewerbesteuerbefreiung von Wohnungsunternehmen auswirken. Auch soll Mieterstrom, der sich bislang im EEG nur auf Einzelgebäude bezieht, auch in Quartieren möglich sein.

„Wir müssen jetzt allerdings sehr genau aufpassen, wie die verhandelten Punkte im Gesetzentwurf und im Entschließungsantrag formuliert werden“, sagte Gremmels den Solarthemen am Montag. Da blieben noch etwa 30 Stunden Zeit bis zur abschließenden Sitzung des Wirtschaftsausschusses am Dienstagabend.

Freie Wahl auf dem Dach?

Aus Solarperspektive sind dabei auch die größeren Dachanlagen ein heikles Thema. Zwar haben die Unterhändler der Koalition sich im Kompromiss zum EEG2021 darauf verständigt, die Grenze, ab der Dachanlagen in die EEG-Ausschreibungen müssen, bei 750 kW zu belassen und nicht, wie vom BMWi geplant, auf 500 kW abzusenken. Allerdings soll nun eine weitere Grenze bei 300 kW eingezogen werden. Betreiber von Anlagen zwischen 300 und 750 kW sollen künftig entscheiden können, ob sie in eine Ausschreibung gehen und dann den Strom gegen Marktprämie voll einspeisen wollen oder ob sie auch Eigenverbrauch realisieren möchten. Wer Eigenverbrauch anstrebt, der soll aber nach den jüngsten Plänen nur für 50 Prozent des am oder auf dem Gebäude produzierten Stroms eine Vergütung erhalten.

Ausschreibung durch die Hintertür?

Für Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft, ist das ein Unding. Dieses Marktsegment zwischen 300 und 750 kW habe 2019 nach Zahlen der Bundesnetzagentur fast 1,3 Gigawatt zum PV-Ausbau beigetragen und nur eine Minderheit habe überhaupt die Eigenverbrauchsoption genutzt. In Körnigs Augen bedeutet der Koalitions-Kompromiss zum EEG 2021 für viele dieser Anlagen, dass sie nicht gebaut würden. Überall dort, wo sich ein 50-prozentiger Eigenverbrauch nicht realisieren lasse, zum Beispiel auf einer großen Lagerhalle, in der kaum Strom ver­braucht werde, sei es ebenso das Aus für mögliche Projekte wie es ein Zwang zur Ausschreibungsteilnahme wäre, sagte Körnig den Solarthemen.

Einer weiteren Forderung des Bundesrates wollen die Koalitionsparteien jetzt nachkommen, indem sie Agrar- und Floating-PV-Anlagen künftig in den EEG-Innovationsausschreibungen berücksichtigen wollen.

Biogas, Wasserkraft, Geothermie

Auf weitere Verbesserungen hat sich die Koalition in ihrem Kompromiss zum EEG2021 für die Bereiche Geothermie, Wasserkraft und Bioenergie verständigt. Für Biogas sollen die jährlichen Ausschreibungsmengen von 350 auf 600 MW steigen. Kleinere Anlagen bis 500 kW will die Koalition in den Ausschreibungen um 0,5 Cent besser stellen. Flexibilitätsanforderungen will die Koalition senken.
Bei Wasserkraftanlagen sieht der Kompromiss für einen Bemessungsleistungsanteil bis 100 kW ein Zuschlag von 3 Cent vor, um die durch den Klimawandel bedingten sinkenden Wassermengen auszugleichen.

16.12.2020 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

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