Planungswerkzeuge für die urbane Energiewende

Grafik: Optimierungsebenen für das EnergiesystemGrafik: ZSW
Wie Städte und urbane Ballungsräume die Energiewende sicher, effizient und möglichst kostengünstig umsetzen können, haben acht Hochschulen, zwei Universitäten, das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) im Rahmen des Projekts ENsource ermittelt.

Die Ergebnisse aus fünf Jahren Forschungsarbeit und der Erprobung in Fallstudien haben die Institute am 22. Februar 2021 der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit neuartigen Verfahren und Planungswerkzeugen können Kommunen nun berechnen, wie sie die Energieversorgung für einzelne Quartiere am besten ausgestalten können. Das ZSW entwickelte dabei eine Quartierssteuerung, die einzig über finanzielle Anreize funktioniert. Zentrale Steuerungsbefehle sind komplett verzichtbar.

Das ist eine wesentliche Anforderung in einer klimaneutralen Energiewelt, in der die Versorgung mit Strom, Wärme und Kraftstoffen in hohem Maße dezentral, erneuerbar und sektorenübergreifend ist.
Städte und urbane Ballungsräume spielen dabei eine zentrale Rolle. Weltweit leben über die Hälfte aller Menschen in solchen Bevölkerungszentren und rund 80 Prozent der Treibhausgasemissionen stammen von dort. Daher muss die Transformation des Energiesystems vor allem hier verwirklicht werden.

Zwölf Partner aus der Forschung

Um die Energiewende vor Ort möglichst effizient und günstig zu gestalten, hat das ZSW in dem Projekt „Urbane Energiesysteme und Ressourceneffizienz“ (ENsource) zusammen mit elf weiteren Partnern und unter der Leitung der Hochschule für Technik Stuttgart die hierzu notwendigen Verfahren und Planungswerkzeuge entwickelt. Neue Softwaretools ermöglichen nun den Vergleich verschiedener Energieversorgungsszenarien für Quartiere mit Privathaushalten, Gewerbe und Industrie.

Ist es günstiger, ein Quartier vollständig energetisch zu sanieren oder lohnt sich eher eine gezielte Investition in erneuerbare Energien? Wie lassen sich Verbrauch und Erzeugung durch Vernetzung und Kommunikation intelligent aufeinander abstimmen? Und wie müssen Solaranlagen, Windparks, Biomasseanlagen, Blockheizkraftwerke und Speicher zusammenspielen, damit Quartiere das ganze Jahr über zu 100 Prozent erneuerbar betrieben werden können?

Diese und weitere Fragen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in fünf Regionen durchgerechnet. Zum Einsatz kamen hierbei die im Projekt neu entwickelten ENsource-Werkzeuge und Dienstleistungen an Beispielquartieren für eine urbane Energiewende in Mannheim, Stuttgart, Mainau, Rainau und Schwieberdingen. Diese Beispielquartiere haben die Forschungspartner so gewählt, dass sie eine große Vielfalt an Bausubstanz, Flächenausdehnung und vorhandener Energieinfrastruktur abdecken. Damit konnten die Forschenden ihre Planungswerkzeuge unter ganz unterschiedlichen Rahmenbedingungen testen.

Zentrale Quartierssteuerung über Anreize möglich

Das ZSW entwickelte in dem Projekt ein Modell für die urbane Energiewende, das die Hoheit über die Steuerung von Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen oder Blockheizkraftwerken vollständig auf der Ebene der Anlagenbetreiber belässt. „Die Orchestrierung eines Quartiers erfolgt lediglich über finanzielle Anreizsignale und abgestimmte Fahrpläne“, erklärt ZSW-Fachgebietsleiter Jann Binder. „Dadurch wird ein individuelles, aber dennoch gemeinsam koordiniertes Erzeugungs- und Verbrauchsverhalten im Quartier sektorübergreifend erwirkt.“ So könnten die Energiebeschaffungskosten sowie Verbrauchsspitzen für das Gesamtsystem netzdienlich und emissionsarm minimiert werden. Das entwickelte Verfahren über finanzielle Anreize ermöglicht eine koordinierte Energienutzung digital vernetzter Akteure. Dies geht über die reine Eigenoptimierung der einzelnen Anlagen hinaus.

Dienstleistungen dieser Art sind für Planer und Betreiber von Anlagen, Netzen und Quartieren von großem Interesse. Der Anlagenpark zur Energieerzeugung, Energiewandlung und Speicherung wird dann dem Bedarf entsprechend modular und flexibel gestaltet. Und der Betrieb wird laufend optimiert.

Der Bedarf dafür wächst: Der zunehmende Ökostromanteil sowie mehr Elektroautos und Wärmepumpen fordern auf kommunaler Ebene vor allem die Verteilnetze heraus. Sie müssen den vom Wetter abhängigen erneuerbaren Strom aufnehmen, außerdem sollen auftretende Leistungsspitzen auf Verbraucherseite vermieden werden. Die Verschiebung des Verbrauchs und die Zwischenspeicherung von Energie helfen, die Balance zwischen Erzeugung und Verbrauch zu verbessern. Das spiegelt sich dann auch sofort in reduzierten Kosten wider.

Über das Forschungsprojekt ENsource

Im ENsource-Projekt „Urbane Energiesysteme und Ressourceneffizienz“ als Teil des Zentrums für angewandte Forschung an Hochschulen (ZAFH) hat das ZSW mit acht weiteren Hochschulen (Hochschule Aalen, Biberach, Heilbronn, Mannheim, Pforzheim, Reutlingen, Rottenburg und Hochschule für Technik Stuttgart), zwei Universitäten (Universität Stuttgart und Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) sowie dem Fraunhofer ISE zusammengearbeitet. Das Forschungsministerium Baden-Württemberg und der Europäische Fond für regionale Entwicklung (EFRE) haben das Projekt mit insgesamt 2,5 Millionen Euro gefördert.

23.2.2021 | Quelle: ZSW | Solarserver
© Solarthemen Media GmbH

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