Neuer Klimapakt ohne Konsens zu Photovoltaik und Windkraft
Der Entwurf zum neuen Klimaschutzgesetz enthält im Vergleich mit dem bisherigen schärfere Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen. Das betrifft – wie vom Verfassungsgericht angemahnt – Ziele für die Zeit nach 2030, aber auch davor. So sollen Treibhausgase insgesamt bis 2030 in Deutschland nicht mehr nur um 55, sondern um 65 Prozent verringert werden. Die Regierung will so den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechen. Erste Schritte will die Regierung mit dem Klimapakt gehen.
Herausforderung für Energiewirtschaft
Unterteilt ist dieses Ziel auf einzelne Sektoren, wie Gebäude, Verkehr und Energiewirtschaft. Auch letztere stellt die Bundesregierung vor neue Herausforderungen. Sollte die Energiewirtschaft die CO2-Emissionen bislang bis 2030 auf 175 Millionen Tonnen herunter bringen, so sind es nun im neuen Gesetzentwurf noch 108 Millionen Tonnen. Das Zwischenziel für 2022 liegt in beiden Gesetzesfassungen bei 257 Tonnen.
Wie Union und SPD das konkret erreichen wollen, ist aber noch offen. So gab Bundesumweltministerin Svenja Schulze auf die Frage, ob der Kohleausstieg bis 2038 noch kompatibel sei, eine eher ausweichende Antwort: „Der Kohlekonsens sagt klar, dass es spätestens 2038 einen Ausstieg geben wird.“ Abhängig sei dies vom Ausbau der erneuerbaren Energien. „Reicht der Ausbau der erneuerbaren Energien um auszusteigen?“ Das ist laut Schulze eine der Leitfragen. Denn sie wolle auch eine sichere Energieversorgung ohne Atomstrom aus Frankreich oder Kohlestrom aus Polen.
Kein Tempo für Erneuerbare im Klimapakt
Deutschland müsse bei den Erneuerbaren schneller werden, so Schulze. Für sie verbindet sich damit auch der Gesamterfolg des Klimaschutzgesetzes. „Wir sind immer davon abhängig, dass es mehr erneuerbare Energien gibt.“ Das betreffe ebenso den Gebäude- und den Verkehrssektor. Doch der mit dem Gesetz vorgelegte Klimapakt der Regierung, ihre To-Do-Liste, so Schulze, enthält keine höheren Ausbauziele für erneuerbaren Energien. „Darüber sind wir noch in der Diskussion.“ Das Kabinett habe dazu noch keine Einigung erzielen können.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier erklärt, eine Ausbaustrategie für die erneuerbaren Energien sei „nicht auf Knopfdruck“ möglich. Er halte es aber für wahrscheinlich, dass das jüngst im Erneuerbare-Energien-Gesetz formulierte Ziel eines 65-prozentigen Anteils der Erneuerbaren am Gesamtstromverbrauch angehoben werden müsse. Altmaier sagt aber auch: „Für mich ist ganz klar, wenn wir Ausbaupfade erhöhen, muss die Finanzierung der EEG-Umlage aus allgemeinen Mitteln sichergestellt werden.“ Für ihn sei es weiterhin ein wesentliches Ziel, dass die Kosten für den Ausbau im Rahmen blieben.
Chancen für die Photovoltaik?
Chancen sieht Altmaier offenbar vor allem in der Photovoltaik. Durch das „Photovoltaik-Gesetz“ habe die Branche einen Pusch erhalten. „Die Anlagen sind preiswerter geworden.“ Und es sei ein erfreulicher Trend, dass Freiflächenanlagen immer häufiger außerhalb des EEG errichtet würden.
Doch diese Feststellung durch den Wirtschaftsminister führt in der Koalition nicht dazu, den stärkere Ausbau der Photovoltaik mit konkreten Maßnahmen zu hinterlegen. So vermisst auch der Bundesverband Solarwirtschaft in einer ersten Reaktion auf die Beschlüsse der Regierung „insbesondere die Heraufsetzung der Ausbaupfade für erneuerbare Energien im EEG“, so BSW-Geschäftsführer Carsten Körnig. „Endlich höhere Klimaschutz-Ziele, noch immer aber keine Signale für mehr Solaranlagen über 2022 hinaus.“ Es gelte, die Energiewende zu beschleunigen, Marktbremsen für Solartechnik zu lösen und CO2-Mindestpreise noch in dieser Legislaturperiode heraufzusetzen. „Andernfalls bleibt das Klimaschutzgesetz ein Papiertiger“, so Körnig. Konkret fordert der BSW einen Ausbau der Photovoltaik-Leistung bis 2030 auf mindestens 205 Gigawatt. Das wäre eine Verdrei- bis Vervierfachung des jetzigen Ausbautempos.
Fehlende Signale durch Klimaeinigung
Die geforderten Signale bleiben aber noch aus. Dabei handelt es sich auch aus Sicht von Altmaier beim Ausbau der Photovoltaik noch um die leichtere Aufgabe. Schwieriger sehe es beim Ausbau der Windenergie aus, bemerkt der Minister. Die jüngsten Ausschreibungsmengen seien wieder unterzeichnet gewesen. Ein entscheidender Punkt, der den Windkraftausbau bremse, ist in Altmaiers Augen die bundesweit uneinheitliche Anwendung des Naturschutzrechtes. „Das werden wir lösen müssen.“ Keine Rolle scheinen für ihn unterschiedliche Abstandsregelungen für Windkraftanlagen von der Wohnbebauung zu spielen. Darauf ging Altmaier in der Pressekonferenz direkt nach dem Beschluss zum Klimaschutzgesetz nicht ein.
So bleibt es bislang bei einer Diskrepanz zwischen Zielformulierung und passenden Maßnahmen. Einerseits will die Regierung gerade in der Energiewirtschaft Treibhausgasemissionen kräftig verringern. Andererseits enthält sie sich hier jeglicher konkreter Aussage – abgesehen von der Ankündigung, mehr Fördermittel in die Entwicklung von Wasserstofftechnologien stecken zu wollen. Hier ist also die fortwährende Uneinigkeit der Koalition weiterhin sichtbar. Seit ihrem Beginn streitet sie über Ausbaupfade und Zielsetzungen für erneuerbare Energien sowie über konkrete Maßnahmen. Ob es hier noch zu Klarstellungen im Rahmen eines angekündigten „Sofortprogramms 2022“ kommt, ist fraglich. Dabei betonte Altmaier in seinem Statement zum Klimaschutzgesetz, wichtig sei für Unternehmen vor allem Verlässlichkeit. Für die Branche der Erneuerbaren scheint diese Aussage nur bedingt zu gelten.
Mehr Dynamik im Wärmesektor
Etwas mehr Dynamik könnte aber in den Wärmebereich kommen. Zwar lehnt sich das Kabinett auch hier nicht weit aus dem Fenster. So fehlen klare Zeitfenster, um fossile Energien aus dem Wärmemarkt zu drängen – etwa zumindest über das Verbot neuer Ölheizungen auch in Kombination mit einem kleinen Anteil Erneuerbarer. Aber immerhin wird im Klimapakt das Ordnungsrecht angesprochen.
Die Regierung will nun Neubaustandards – wohl im Gebäudeenergiegesetz – anheben. Schulze sieht im Gebäudebereich eine Mischung aus Förderpolitik und Ordnungsrecht. Für den Bestand solle es zunächst die Förderprogramme geben, die sie, so deutete sie an, wohl eher degressiv ausgestaltet sehen möchte. Erst gehe es um Förderung. „Aber klar“, so Schulze, „danach kommt Ordnungsrecht“.
„Heizungen, die ausschließlich mit fossilen Brennstoffen betrieben werden können, werden nicht mehr gefördert.“ Das schreibt die Regierung in ihrem Klimapakt, geht dabei aber nicht über die jetzigen Regelungen hinaus. Denn auch derzeit ist in der Bundesförderung für effiziente Gebäude die Förderung einer Gasheizung nur möglich, wenn der Kessel mit einer erneuerbaren Energie kombiniert ist.
12.5.2021 | Autor: Andreas Witt | Solarserver
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