Deutsche Photovoltaik-Fabriken legen zu

Ein oranger Roboter schwenkt ein Solarmodul in einer FabrikhalleFoto: Solarwatt
Photovoltaik-Modul-Produktion von Solarwatt
Deutsche Photovoltaik-Fabriken expandieren und sind teilweise bis in den Winter ausverkauft. Doch Lieferengpässe bremsen den Boom, denn das Gros der Solarzellen und ander­er solarer Komponenten stammt immer noch aus Asien.

Der Osten ist zurück: Seit diesem Sommer ist Sachsen-Anhalt wieder Schauplatz deutscher Solarzellenproduktion mit Photovoltaik-Fabriken. Jahre nach der Pleite des einst integrierten PV-Produzenten Solarworld laufen damit wieder Solarzellen von heimischen Bändern. Geliefert hat der Schweizer PV-Spezialist Meyer Burger: Wie von CEO und Ex-Solarworld-Manager Gunter Erfurt 2020 angekündigt, ist das Unternehmen in Ostdeutschland sowohl in die Zellen- als auch in die Modulfertigung eingestiegen.

Und zwar mit einer Kapazität von 400 Megawatt (MW). Die ersten 200 MW an Modulen sollen im laufenden Jahr an den Handel gehen. Bis November hat die Firma die komplette Produktionsmenge bereits verkauft. Und der nächste Schritt steht schon bevor. „Das Ziel sind 1,4 Gigawatt Nominalkapazität sowohl bei Solarzellen als auch -modulen bis Ende 2022“, erklärte Sprecherin Anne Schneider gegenüber den Solarthemen.

Auch die derzeit herrschenden Engpässe bei der Beschaffung von Komponenten bringen den Zeitplan kaum durcheinander. Lediglich das Hochfahren auf die volle Kapazität habe sich um wenige Wochen verzögert. Dabei seien eher Standardmaterialien wie Baustoffe akut knapp. Alle solarspezifischen Komponenten habe Meyer Burger rechtzeitig und ausreichend beschaffen können.

Wafer für Photovoltaik-Fabriken stammen aus China

Das Unternehmen aus dem schweizerischen Thun ist angetreten, um die Solarzellenproduktion wieder zurück nach Europa zu holen. Doch bei Vorprodukten und Komponenten ist es weiterhin auf den Einkauf in Asien angewiesen. Das gilt etwa für die Solarsiliziumwafer. Noch gibt es kaum Lieferanten in Europa. Junge Unternehmen wie Nexwafe bieten absehbar kaum nennenswerte Mengen an. Einziger größerer Player aus Europa ist die norwegische Norsun.
Deshalb kommen die meisten Wafer, die Meyer Burger in Sachsen zu Zellen weiterverarbeitet, aus China. „Alle Lieferanten sichern zu, dass die Wafer aus Polysilizium hergestellt werden, das vom europäischen Hersteller Wacker stammt“, sagt Schneider. „Dieses Silizium erlaubt es Meyer Burger, zum Beispiel den Ansprüchen des französischen Marktes gerecht zu werden und Module mit zertifiziertem CO2-Fußabdruck zu liefern.“

So beinhalten Meyer-Burger-Zellen und -Module rechnerisch nicht nur einen höheren europäischen Fertigungsanteil. Das Unternehmen meidet damit auch den Makel, der auf chinesischem Solarsilizium liegt. Denn beträchtliche Mengen des Solarrohstoffs stammen aus der Provinz Xin­jiang. Internationale Beobachter berichten, dass Uiguren in den Minen Zwangsarbeit leisten müssen und andere Menschenrechtsverletzungen gegenüber Angehörigen dieser Volksgruppe.

Quasi-Monopol bei Solarglas

Eine der wenigen Komponenten, bei der sich die PV-Industrie aus Europa heraus versorgen lassen kann, ist Solarglas. Die in Liechtenstein ansässige Interfloat ist einer der wenigen europäischen Produzenten. Und einer, der sich sein Quasi-Monopol gut bezahlen lasse, ist aus der Branche zu hören. Denn die Preise für das Solarglas sind in den letzten Monaten stark angestiegen. Damit profitiert Interfloat auch von den hohen Antidumpingzöllen, die Importe von chinesischem Solarglas unwirtschaftlich machen.

Bei vielen anderen Komponenten hat sich bisher in Europa wenig getan. „Das geht natürlich auch nicht über Nacht“, so Armin Froitzheim, Technikvorstand von Solarwatt, gegenüber den Solarthemen. „Ein sehr hoher Anteil kommt immer noch aus China. Das betrifft Folien, aber auch die Junc­tion-Boxen.“ Der Wechselrichterhersteller SMA hatte kürzlich ebenfalls über Engpässe bei Elektrobauteilen berichtet. Dessen ungeachtet treiben die Dresdner ihre Expansionspläne voran. Ende September wird die neue Modulfertigungslinie mit einer Kapazität von 300 Megawatt (MW) in Betrieb gehen. Außerdem intensiviert Solarwatt die Fertigung von Speichern. Auch dabei kommt ein Großteil der elektronischen Bauteile noch aus Asien. Die Batterien kauft Solarwatt über BMW ein. An beiden Unternehmen ist die Familie Quandt beteiligt.

Mehr Batterien künftig aus Europa

Künftig könnten die Batterien immerhin aus Europa stammen, sagt Froitzheim mit Blick auf den geplanten Produktionsaufbau hierzulande. So wie die Platinen, die man ebenfalls aus Deutschland beziehen könne.
Auch im Maschinenbau sei China mittlerweile mehr als präsent. „Wir haben die Maschinen für unsere neue Modulfertigung teilweise aus Asien kaufen müssen, weil manche Technologien nur dort wirklich weiterentwickelt wurden“, so Froitzheim. „Das betrifft beispielsweise die Lötmaschinen. Wir haben in Europa keine adäquate Maschine bekommen können.“

Die neue Modulfertigung in Dresden verfüge zwar über einen hohen Automatisierungsgrad. Und auch die Effizienz steige dank neuer Verbinder, die die Lichtausbeute erhöhten, erklärt Froitzheim. Auf die Verkaufspreise werde sich das aber derzeit kaum auswirken können. „Viele Materialien sind angesichts von Ressourcenknappheit teurer geworden. Die Modul-Fertigungskosten selbst spielen dank der hohen Automatisierung dabei eine sehr kleine Rolle“, sagt Froitzheim. So habe sich die Solarzelle wegen gestiegener Siliziumpreise und höherer Transportkosten seit einem Jahr um rund 20 Prozent verteuert.

„Ich gehe aber davon aus, dass die Preise auch wieder fallen werden“, so der Solarwatt-Technikchef. „Die Lernkurve ging bei der Photovoltaik bisher steil nach unten. Es gab dabei aber immer auch Phasen, in denen die Technologie teurer wurde.“ Das sei auch jetzt der Fall. Doch weiter steigende Nachfrage sowie neue Zellkapazitäten, die mittelfristig am Markt vorhanden sein werden, würden dann wieder für Preisdruck sorgen können.

Zukunft der REC-Zellenfabrik offen

In Europa etwa planen neben Meyer Burger noch weitere Akteure den Einstieg in die Gigawatt-Fertigung. Konkret ist allerdings noch wenig. So hat REC seine Pläne, im französischen Hambach eine Fabrik für Solarzellen mit Heterojunction-Technologie aufzubauen, schon mehrmals verschoben. Unternehmenssprecher Alexis Fabre verwies auf Anfrage der Solarthemen Ende August auf eine zwei Monate alte Erklärung, die den aktuellen Stand der Dinge widerspiegele. Darin hatte das Unternehmen erklärt, für eine finale Investitionsentscheidung sei es noch zu früh, ohne nähere Gründe zu nennen.

Das Fraunhofer ISE will ebenfalls in die Zellfertigung einsteigen und eine Kapazität von nicht weniger als 5 Gigawatt (GW) verschiedener Technologien wie PERC, Topcon und Tandemzellen realisieren. Diese plant das Institut zusammen mit dem Unternehmen Greenland Giga in der spanischen Stadt Sevilla. Ende 2023 soll die Produktion starten. Mit dabei ist auch die deutsche Bosch Rexroth.

Sonnenstromfabrik expandiert

Die hiesigen Modulproduzenten dürften das gerne hören, möchten doch manche sich gerne mehr aus Europa versorgen. Wie die Sonnenstromfabrik, die mittlerweile zu Centrotec gehört und für das laufende Jahr kräftige Absatzzuwächse auf 130 bis 140 MW erwartet. „Die Erhöhung des Wertschöpfungsanteils in Europa ist weiterhin unser Ziel“, sagte Geschäftsführer Bernhard Weilharter den Solarthemen. Bei der Zelle sei dies aber nicht möglich, weil es keine signifikanten Hersteller gebe. „Wo es geht, setzen wir auf europäische Lieferanten.“

Verzögerungen bei Lieferungen an neuen Maschinen bremsen das Expansionstempo der Wismarer, die eine zusätzliche Kapazität von 210 MW für neue Modulformate anstreben. Diese stehe nun drei Monate später als geplant im ersten Quartal 2022 zur Verfügung.

Dass die Nachfrage für heimische Solarmodule kräftig wächst, konstatiert auch Produzent Axsun Solar aus dem bayrischen Laupheim. „Wir planen den weiteren Ausbau unserer Produktion mit der Halbzellentechnologie“, erklärte die Firma gegenüber den Solarthemen. Engpässe in der aktuellen Beschaffungssituation habe sie durch eine vorausschauende Planung vermeiden können.

16.9.2021 | Autor: Oliver Ristau
© Solarthemen Media GmbH

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