Forschungsprojekt will Agri-Photovoltaik raus aus der Nische holen

Bisher konnten in Deutschland nur sehr wenige, kleine Projekte der Agri-PV realisiert werden.Foto: Fraunhofer ISE
Beim Anbau von Obst ist ein Schutz vor Wettereinflüssen wünschenswert.
Bisher konnten in Deutschland nur sehr wenige, kleine Projekte der Agri-Photovoltaik realisiert werden. Das Forschungsvorhaben SynAgri-PV will das ändern.

Anfang Juli 2022 startete das Projekt SynAgri-PV. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierte Projekt wird mit 1,7 Millionen Euro gefördert und hat eine Laufzeit von drei Jahren. Unter Koordination des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE sowie des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) arbeiten neun Partner aus Forschung, Praxis und Industrie gemeinsam an der Entwicklung eines Leitbildes für den Einsatz von Agri-PV in Deutschland.

Aufgrund der zunehmenden Elektrifizierung in der Mobilität und Industrie rechnen die Forscher:innen im Jahr 2045 mit einem Bruttostromverbrauch von rund 1.100 Terrawattstunden (TWh) pro Jahr. Aktuell liegt dieser Wert bei etwa 530 TWh. Ein signifikanter Ausbau im Bereich der Photovoltaik ist daher notwendig. Weil ein bedeutender Teil dieses Zubaus von 12 bis 20 Gigawatt (GW) pro Jahr auf der Freifläche erwartet wird, zeichnet sich vielerorts ein erheblicher Flächenbedarf ab. Dadurch steigt der Druck auf die ohnehin knappe Ressource Land, die auch für die Produktion von Nahrungsmitteln, Energiepflanzen, als Bauland oder andere Landnutzungen benötigt wird.

Agri-PV als Chance für die Landwirtschaft in Deutschland

Eine vielversprechende Lösung und gleichzeitig eine Chance sowohl für die Landwirtschaft als auch die Energiewende bietet die Agri-Photovoltaik (Agri-PV). Agri-PV beschreibt die kombinierte Produktion von erneuerbarer Energie und Nahrungsmitteln auf derselben Fläche. Somit stellt dies eine vergleichsweise neue Form der Landnutzung dar. Die Module von Agri-PV-Anlagen sind im Vergleich zu den herkömmlichen Freiland-Photovoltaikanlagen meist hoch aufgeständert. So ermöglichen sie die Unterfahrt von Landmaschinen.

Schwenkbare Module, sogenannte PV-Tracker, ermöglichen mehr Lichteinfall, den die Pflanzen für ihr Wachstum benötigen und sind damit auch leistungsfähiger als die statischen Freiland-Photovoltaikanlagen. Die PV-Module können zudem eine Schutzfunktion für Pflanzen gegenüber Extremwetterereignissen wie Hagel oder Frühjahrsfrost übernehmen. Inzwischen sind auch Anlagen mit integrierter Bewässerung marktreif.

Aktuell sind erste Anlagen in Deutschland insbesondere bei Sonderkulturen im Einsatz, etwa beim Anbau von Obst, wo ein Schutz vor Wettereinflüssen wünschenswert ist. „Damit sind Agri-PV-Systeme für die Landwirtschaft zunehmend attraktiv, weil hiermit eine Möglichkeit gegeben ist, die heimische Landwirtschaft auch gegenüber dem internationalen Markt wettbewerbsfähig zu halten und den Landwirtinnen und Landwirten zusätzliches Einkommen zu ermöglichen“, sagt Max Trommsdorff, Projektleiter am Fraunhofer ISE.

Markthochlauf: Hürden überwinden

Trotz dieser Ausgangslage konnte man bisher in Deutschland nur sehr wenige, kleine Agri-PV Projekte realisieren. Gründe hierfür liegen insbesondere in den bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen. Darunter unzureichende Anreizsysteme und vergleichsweise aufwendige Genehmigungsprozesse. Zudem treten zunehmend Sorgen auf, etwa was die Akzeptanz der jeweils ansässigen Bevölkerung und die Landschaftsattraktivität angeht.

Im Rahmen des Vorhabens wollen die Forscher:innen den wissenschaftlichen, rechtlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stand der Agri-PV für den Standort Deutschland evaluieren. Ziel ist, evidenzbasiert und unter Einbezug möglichst aller relevanten Akteure ein gesellschaftliches Leitbild für den Ausbau der Agri-PV in Deutschland zu entwickeln, Handlungsbedarf zu dessen Umsetzung zu benennen, Lösungsansätze zu skizzieren und weiteren Forschungsfelder zu identifizieren. Dazu will man laufende Pilotanlagen begleiten und vernetzen. Zudem will man Beteiligungsformate schaffen sowie die gewonnenen Erkenntnisse ausgewerten, aufbereiten und der breiten Öffentlichkeit und Politik zugänglich machen. Über möglichst alle relevanten Bereiche aus Praxis, Technologie, Rechtssetzung und Wissenschaft, zum Beispiel Akzeptanzforschung und Agronomie, will man Kontakte herstellen. Außerdem will man eine Plattform für den Wissens- und Erfahrungsaustausch im Bereich der doppelten Landnutzung etablieren.

„Durch den integrierten Ansatz aus Nahrungs- und Futtermittelproduktion sowie Energiegewinnung können Agri-PV-Systeme mehrere Synergien ermöglichen – nicht nur für den Landwirtschafts- und Energiesektor, sondern auch in Bezug auf das Wassermanagement, den Landschafts- und Naturschutz sowie soziale Innovationsprozesse“, sagt Klaus Müller, Projektleiter am ZALF. Zur optimalen Nutzung der Potenziale für die Energiewende und zur Prävention von Fehlentscheidungen in der Anwendung von Agri-PV sollen im Projekt neben der Vernetzung insbesondere die Begleitung von Praxisbeispielen Perspektive im Vordergrund stehen.

2.8.2022 | Quelle: ZALF | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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