Mieterstrom-Novelle ist noch nicht der große Wurf

Simulationsgrafik: eines renovierten Mietshauses im 50er/60er-Jahre-Stil mit PhotovoltaikanlageGrafik: Kolb Ribke Gesellschaft von Architekten mbH / Naturstrom
Photovoltaikanlagen für Mieterstrom werden wohl weiterhin in bestehenden Wohnhäusern kein Selbstläufer sein.
Mit der jüngsten Energierechtsnovelle haben sich die Rahmenbedingungen für Photo­vol­taik im Mietwohnungsbau geändert. Doch der Gesetzgeber laboriert beim Mieterstrom weiterhin nur an Details. Die Branche erwartet nicht, dass dadurch jetzt Millionen Dächer von Mietshäusern blau würden.

Für das Bundeswirtschaftsministerium scheinen die entscheidenden Hürden für den sogenannten Photovoltaik-Mieterstrom bereits abgebaut. Und zwar durch die jüngsten Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und am Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Die Solarthemen fragten im Ministerium an, welche weiteren, über das sogenannte „Osterpaket“ hinausgehenden Änderungen am Regelwerk für Mieterstrom und Energy Sharing geplant seien. Daraufhin zählt die Pressestelle des BMWK lediglich noch mal die jüngst beschlossenen Änderungen dieses Paketes auf: „Soweit der Strom hinter dem Netzverknüpfungspunkt erzeugt und verbraucht wird, sollen in Zukunft keinerlei Umlagen und Entgelte mehr anfallen. Um die Situation für Mieterstromprojekte weiter zu verbessern, fallen ab 1. Januar 2023 die maximale Anlagengröße von 100 kW und der Deckel von 500 MW weg. Zudem profitieren Mieterstromprojekte auch davon, dass die EEG-Umlage abgeschafft ist.“

Durch EEG-Umlage entfällt etwas Mieterstrom-Bürokratie

So weit, so gut. Doch weil jegliche Stromlieferung künftig ohne EEG-Umlage auskommt, verändert sich der finanzielle Abstand zwischen PV-Mieterstrom und externen Stromlieferungen durch deren Ab­schaf­fung gerade nicht. Die eigentliche Entlastung für Mieterstromprojekte durch die Streichung der EEG-Umlage ist anderswo zu suchen. „Da die EEG-Umlage nicht mehr anfällt, entfällt künftig der Teil an Bürokratie und Messaufwand, der mit ihr zusammenhing“, erklärt Thomas Seltmann, Experte des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW).

Dass gerade der sogenannte „kleine Mieterstrom“ in vielen Konstellationen praktisch unmöglich war, lag an der mit der EEG-Umlage verbundenen Unterscheidung zwischen Eigenverbrauch und Energielieferung. Für den Eigenverbrauch galt eine reduzierte EEG-Umlage und für kleine Anlagen die Bagatellgrenze von zuletzt 30 kW. Im Gegensatz dazu beaufschalgen die Gesetze jede noch so kleine Energielieferung – auch innerhalb einer Kundenanlage – mit der EEG-Umlage. Und die Unterscheidung zwischen Stromlieferung und Eigenverbrauch machte der Gesetzgeber allein an einer eng ausgelegten „Personenidentität“ zwischen Stromerzeuger und -verbraucher fest.

Personenidentität 2.0 für PV-Eigenversorgung

Diese enge Auslegung des „Eigenverbrauchs“ in Verbindung mit der EEG-Umlage hemmt bislang in Deutschland auch jegliche Form von „gemeinschaftlicher Eigenversorgung“ beziehungsweise „Energy Sharing“, wie sie die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU bereits seit 2018 als besonders förderungswürdig deklariert. In einem Rechtsgutachten hatte die Verbraucherzentrale NRW schon vor Jahren dargestellt, wie dies vor allem den „kleinen Mieterstrom“ verkompliziert. Im neuen EEG ist nun aber mit den Paragrafen zur EEG-Umlage de facto auch die Eigenverbrauchsdefinition via „Personenidentität“ entfallen.

Die EEG-Umlage ist zwar Geschichte und innerhalb einer sogenannten „Kundenanlage“ fallen laut dem neuen Energiefinanzierungsgesetz (siehe Seite 3) auch sonst keine Umlagen mehr an. Doch damit sei das Hemmnis „Personenidentität“ für den Mieterstrom beileibe noch nicht beseitig, berichtet Seltmann. Insbesondere von einer Neuregelung zur Stromsteuer drohe nämlich neues Ungemach: „Seit 2019 muss bei der Weitergabe von Strom auch innerhalb der Kundenlage dies beim Zollamt als Belieferung angezeigt und in bestimmten Fällen die Steuerbefreiung sogar erst beantragt werden. Leider wusste das kaum jemand, und die Zollämter haben nun begonnen, Verdachtsfälle auf Basis des Marktstammdatenregisters anzuschreiben. Für neue gemeinschaftliche Photovoltaik-Versorgungen ist damit eine neue bürokratische Hürde hinzugekommen, obwohl fast jeder Mieterstrom aufgrund der Bagatellgrenze von 2 MW per Antrag von der Stromsteuer befreit werden kann.“

EnWG für gemeinschaftliche Eigenerzeugung novellieren!

Das meiste an Bürokratie müsste nicht sein, so sehen es Seltmann und viele andere Energieexpert:innen. Das EnWG müsste einfach unterscheiden zwischen einer Energielieferung im eigentlichen Sinn und der bloßen Weitergabe von Strom innerhalb einer Kundenanlage. Bei letzterem dürfe es keine Rolle spielen, ob der Strom aus dem Netz bezogen oder teilweise zum Beisiel aus einer PV-Anlage am Gebäude stammt. „Nur Versorger die wirklich geschäftsmäßig Versorger sind sollten auch so behandelt werden und entsprechende Anforderungen haben“, sagt Seltmann.

Mieterstrom wie Betriebskosten behandeln

Noch grundsätzlicher möchten Energieexpert:innen der Wohnungswirtschaft das Problem angehen. Für Ingrid Vogler, Leiterin Energie und Technik beim GdW Bundesverband deut­scher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, hat das Thema Gebäude-Photovoltaik samt Mieterstrom im Energierecht eigentlich nichts zu suchen. Sie sagt: „Seit Jahren werden immer nur kleine Verbesserungen gemacht. Dabei müsste das große Ganze revolutioniert werden. Der Gesetzgeber müsste eigentlich die gebäudenahe Stromerzeugung aus dem Energierecht herausnehmen und PV-Anlagen als Teil des Gebäudes sehen.“

Aber auch innerhalb des Energierechts sieht Vogler Möglichkeiten: „Man könnte auch so weit gehen, das Gebäude selbst zum Letztverbraucher zu erklären. Aber wir wollen uns als GdW nicht auf ein Modell versteifen. Uns geht es darum, dass man den Strom vom Dach auf die eine oder ander Weise künftig so einfach wie Betriebskosten behandeln kann.“

Mieterstrom in die Nebenkostenabrechnung

Einen solchen Paradigmenwechsel befürwortet auch der Verband Haus und Grund, in dem private Hausbesitzer und Kleinvermieter organisiert sind. Nach seinem bereits seit Jahren propagierten Modell könnte der Gesetzgeber eine PV-Anlage ähnlich behandeln wie einen Gaskessel. Die Kosten für PV-Mieterstrom ließen sich dann einfach mit den Nebenkosten abrechnen.

Doch im Artikel 42a des EnWG heißt es unmissverständlich: „Ein Vertrag über die Belieferung von Letztverbrauchern mit Mieterstrom darf nicht Bestandteil eines Vertrags über die Miete von Wohnräumen sein.“ Ingrid Vogler vom GdW sieht darin ein Problem: „Die freie Wahl des Bürgers für seinen Strom­lieferanten ist – oft mit Hinweis auf Europarecht – eine heilige Kuh.“ Wenn man beim Mieterstrom darauf verzichte, müsse und könne man den Verbraucherschutz auf andere Weise sicherstellen, betont Vogler. Ihr Verband vertritt auch viele gemeinnützige und kommunale Woh­nungs­unternehmen mit einem großen Bestand an Sozialwohnungen.

Freie Wahl des Versorgers auch beim Mieterstrom?

Solange jeder Mieter aber die freie Wahl hat, ob er Mieterstrom vom eigenen Dach beziehen möchte, müssen dessen Anbieter insbesondere in Bestandsgebäuden mit hohen Akquisekosten kalkulieren, betont Tim Loppe, Pressesprecher der Naturstrom AG. Das Unternehmen betreibt bundesweit zahlreiche Mieterstromanlagen. Aktuell hätten seine Kolleg:innen ein massives Problem beim Vertrieb insbesondere der EEG-geförderten Mieterstrom-Projekte. Loppe sagt: „Im Moment wechselt ohnehin kaum ein Stromkunde mehr aus freien Stücken, und die Preisobergrenze macht uns zusätzliche Sorgen.“

Mieterstromvertrieb kämpft mit Grundversorgertarifen

Was Loppe meint: Nach wie vor gibt es im Praragraf 42a EnWG die Vorgabe, dass Mieterstrom „90 Prozent des in dem jeweiligen Netzgebiet geltenden Grund­versorgungstarifs, auf Basis des Grund- und Arbeitspreises, nicht übersteigen“ darf. In den vergangenen Jah­ren war das nie ein Problem. Strompreise der Grundversorgung waren hoch. Seit Beginn des Ukraine-Krieges können aber Versorger wie Naturstrom die Reststrommengen, die nicht aus der PV-Anlage stammen, für Neukunden kaum noch zu den Preisen beschaffen, die in vielen bestehenden Grundversorgungsverträgen als Endkundenpreis bislang noch beibehalten werden.

Das bestätigt auch Anja Burde, Geschäftsführerin des Berliner Mieterstrom-Spezialisten Solarimo. Sie sagt: „Ein aktuell hochärgerliches Detail für den Mieterstromzuschlag ist die Regelung, 10 Prozent unter dem Grundversorger-Tarif zu liegen, wenn die Grundversorger noch immer zwei Tarife anbieten. Das sorgt für mehr Bedarf an Aufklärung bei den Kunden.“

Politik ist weiterhin gefragt

Einen weiteren Punkt möchte Burde aus Sicht der Mieterstrom-Anbieter auf die To-do-Liste der Politik setzen: „Die fehlende Regulierung in der Kommunikation mit Netzbetreibern bzw. den grundzuständigen Messstellenbetreibern ist seit Jahren eine Crux, die es nun endlich zu beheben gilt.“

Bei aller Kritik erkennt Burde aber auch Fortschritte an, die die aktuelle Energierechtsnovelle für das Thema Mieterstrom gebracht habe: „Die Abschaffung der EEG-Umlage werten wir positiv, es macht das Geschäftsmodell Mieterstrom etwas unbürokratischer und verursacht weniger Aufwand. Auch die Abschaffung der 100-kW-Grenze fördert den Ausbau von PV-Anlagen in Quartieren im Neubau.“

18.8.2022 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

Einen Hintergrund-Artikel zum Mieterstrom finden Sie im Wissens-Bereich des Solarservers.

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