EU-Notfall-Verordnung soll Windkraft und PV beschleunigen

Diagramm zeigt den Zusammenhang zwischen Notfall-Verordnung der EU-Energieminister und der RED III und RED IV Richtlinie für Erneuerbare EnergienGrafik: Stiftung Umweltenergierecht
Die EU-Notfallverordnung der Energieminister regelt einige Punkte auf die Schnelle, während die RED-Richtlinien langfristig wirken sollen.
Lange und umständliche Genehmigungsverfahren selbst in ausgewiesenen Vorranggebieten gelten als Hindernis für die Energiewende. Mit einer Notfall-Verordnung will der EU-Energieministerrat nun für mehr Tempo sorgen.

Am Montag vor Weihnachten hat sich der Rat der EU-Energieminister:innen auf eine Notfall-Verordnung (Council Regulation) geeinigt, um Wind- und Solarprojekte in den Mitgliedsstaaten schneller voranzubringen. Inhaltlich steht der Entwurf; lediglich formal-juristische Änderungen soll es noch geben. Final beschlossen ist er jedoch noch nicht. Das soll in den kommenden Tagen in einem schriftlichen Umlaufverfahren geschehen.

Die Notfall-Verordnung der EU soll die Verfahren für alle Genehmigungen für Erneuerbare Energien beschleunigen, die ab dem 1. Januar in den Mitgliedsstaaten anlaufen. Im Gegensatz zu einer Richtlinie muss sie dafür nicht in nationales Recht übersetzt werden. Die Verordnung gilt für 18 Monate – sechs Monate länger als zunächst geplant. Dauerhafte Lösungen sollen später die Updates der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III und RED IV) bringen. Diese könnten im Sommer 2023 beschlossen werden und dann 2024 in Kraft treten.

Ein zentraler Punkt der Verordnung ist, dass Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien nun auch EU-weit im „überwiegenden öffentliche Interesse“ liegen. Das bestätigt die in Deutschland bereits geltende Regelung im EEG.

Genehmigungen für Erneuerbare müssen schneller erfolgen

Die Notfallverordnung ist mit 9 Artikeln auf 28 Seiten recht überschaubar. Wie bereits Ende November in den Solarthemen (S+) beschrieben, legt sie fest, wie lange die Mitgliedsländer für bestimmte Genehmigungen brauchen dürfen. Das bezieht sich auf alle Arten von Genehmigungen, die im jeweiligen Land nötig sind, um die Ökoenergie-Anlagen zu bauen und zu betreiben  – vom Netzanschluss bis zur Umweltprüfung.

Für manche Genehmigungen für Erneuerbare-Energien-Projekte räumt der Ministerrat den EU-Staaten mehr Zeit ein, als die Kommission zunächst vorgesehen hatte.

Für Solaranlagen und zugehörige Speicher auf und an Gebäuden liegt die Frist laut der beschlossenen Verordnung bei drei Monaten, nicht bei einem Monat wie zunächst vorgesehen. Gibt es bis dahin keine Antwort von der Behörde, gelten kleine Anlagen bis 50 kW automatisch als genehmigt, es sei denn, das Land regelt es explizit anders. Das ist zum Beispiel in Deutschland der Fall. Hier dürfen PV-Anlagen mit bis zu 10,8 kW ans Netz gehen, wenn der Netzbetreiber nicht binnen eines Monats widerspricht.

Das Repowering von Erneuerbare-Energien-Anlagen soll innerhalb von sechs Monaten genehmigt werden. Das ist vor allem für die Windenergie ein Thema. Der Netzanschluss für Repowering-Projekte mit maximal 15 Prozent Leistungssteigerung beträgt die Frist drei Monate. Auch dieser Zeitraum hat sich gegenüber der früheren Entwurfsfassung verlängert.

Wärmepumpen bis zu 50 MW elektrischer Leistung sollen als Luft-Wärmepumpen binnen eines Monats genehmigt werden, Erdwärmepumpen in drei Monaten. Bis zu 12 kW soll künftig keine Genehmigung mehr nötig sein. Wer mindestens 60 Prozent des Stroms für die Wärmepumpe selbst erzeugt, kann diese Ausnahmeregelung sogar bis zu 50 kW elektrischer Anschlussleistung in Anspruch nehmen. „Die Regelung für Wärmepumpen hat bisher keine Entsprechung in den RED-Novellen. Damit sie auch nach Ablauf der Notfall-Verordnung noch Bestand hat, müsste sie dort noch aufgenommen werden“, sagt Frank Sailer, Leiter des Forschungsgebiets Energieanlagen und Infrastrukturrecht bei der Stiftung Umweltenergierecht.

Neu: In Vorranggebieten keine projektspezifische UVP

Neu hinzugekommen ist in der Verordnung der Artikel 5a, der eine Idee aus der RED IV vorwegnimmt: die Go-To-Areas, die den deutschen Vorranggebieten ähneln sollen. „Die Idee der Go-To-Areas ist es, alle Umweltprüfungen schon bei der Ausweisung der Flächen durchzuführen, um dann die einzelnen Projekte schnell genehmigen zu können“, erklärt Sailer von der Stiftung Umweltenergierecht.

Um die Zeit bis zum Beschluss und der Umsetzung der RED IV zu überbrücken, sieht die Notfallverordnung nun „Dedicated Renewable Areas“ vor. Dort dürfen die Mitgliedsstaaten auf die projektspezifischen Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) verzichten, die normalerweise nach EU-Recht vorgeschrieben sind. Voraussetzung ist, dass zuvor eine strategische Umweltverträglichkeitsprüfung für das gesamte Gebiet stattgefunden hat.

Der Unterschied zu den Go-To-Areas: Weil die nötigen Artenschutz-Maßnahmen beim Ausweisen der Vorranggebiete nicht geprüft wurden, bleibt dieser Teil der Arbeit zunächst auf Projektebene erhalten. „Das soll sich dann mit Einführung der Go-To-Areas in der RED IV ändern“, bilanziert Sailer.

Notfallverordnung beschleunigt Genehmigung

Die bereits ausgewiesenen Wind-Vorranggebiete in Deutschland gelten dabei als solche „Dedicated Renewable Areas“. Das sind bisher etwa 0,8 Prozent der Landesfläche in Deutschland. Cornelia Uschtrin, Politikreferentin beim Bundesverband Windenergie (BWE) erklärt: „Die Notfall-Verordnung macht das Ausweisen von Flächen nicht schneller, sorgt aber dafür, dass auf bereits ausgewiesenen Flächen schneller gebaut werden kann.“

Sailer ergänzt: „Der RED-IV-Vorschlag enthält keine Mindestfläche für die Go-To-Areas. Auf dieser Ebene entsteht also kein zusätzlicher Druck auf die Staaten.“ Zwei Prozent der Landesflächen für Windenergie bereitzustellen, bleibt also ein nationales Ziel in Deutschland.

Über die RED IV und die darin vorgesehenen Go-To-Gebiete hat der EU-Ministerrat ebenfalls beraten, wie der Solarserver berichtete.

Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie, sieht daher vor allem die Bundesländer in der Verantwortung. „Von der Ausweisung geeigneter Flächen über die Kommunikation der Notwendigkeit der Energiewende vor Ort bis hin zu den Genehmigungen. Nun gilt es, die Vorgaben der Notfall-VO so schnell wie möglich handhabbar vor Ort umzusetzen und den Ausbau zu beschleunigen. Der Ausbau wird durch die EU-Notfall-VO nicht zu einem Selbstläufer, sondern braucht das Engagement in Ländern und Kommunen.“ Zudem dürfe die Beschleunigung in den einen Gebieten nicht dazu führen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in anderen Gebieten gebremst werde.

Wenig Auswirkung auf Photovoltaik

Die Wirkung für die Photovoltaik schätzt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft, eher gering ein. Der Schwerpunkt der Verordnung liegt bei Repowering-Projekten und Solaranlagen auf „künstlichen Strukturen“. „Ein Großteil der Solaranlagen auf Gebäuden ist jedoch bereits heute genehmigungsfrei. Die genehmigungsrechtlichen Herausforderungen liegen vor allem bei der Genehmigung von Freiflächenanlagen, die jedoch von der Verordnung nicht adressiert wird. Entsprechend profitieren nur wenige Anlagen von den neuen Regelungen“, sagt Körnig. Es seien allerdings noch einige Auslegungsfragen zu klären, zum Beispiel beim Netzanschluss, sodass eine abschließende Bewertung auch für die Photovoltaik noch nicht möglich sei.

22.12.2022 | Quelle: BMWK, Stiftung Umweltenergierecht, BWE, BSW | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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