PV-Symposium: Deutsche Photovoltaikindustrie vor dem Sprung

Das ehemalige Kloster Banz in Bad Staffelstein im Licht der Abendsonne. Hier findet das PV-Symposium statt, bei dem sich Photovoltaikindustrie, -forschung und Politik treffen.Foto: Andreas Witt
Das ehemalige Kloster Bank in Bad Staffelstein. Hier findet das PV-Symposium statt, bei dem sich Photovoltaikindustrie, -forschung und Politik treffen.
Das mögliche Wiedererstarken der deutschen Photovoltaikindustrie ist eines der Themen, das die PV-Branche diskutiert. So auch beim diesjährigen PV-Symposium in Bad Staffelstein. Die jüngsten Entwicklungen und Ankündigungen sorgen für Zuversicht. Noch fehlen aber ausreichend konkrete Signale aus Berlin und Brüssel.

Es gibt auch heute Unternehmen in Europa und speziell Deutschland, die wie Solarwatt und Meyer Burger Photovoltaikmodule produzieren. Doch die deutsche Photovoltaikindustrie ist in den vergangenen Jahren gegenüber der chinesischen deutlich ins Hintertreffen geraten. Diese Entwicklung war schon vor Jahren absehbar, als die chinesische Regierung mit der Strategie antrat, den PV-Weltmarkt zu erobern. Die neue deutsche Regierung, insbesondere Wirtschaftsminister Robert Habeck, sieht es als ihre Aufgabe an, dem nun eigene Initiativen entgegenzusetzen. Und auch die EU-Kommission scheint aufgewacht zu sein und will mit dem Green Deal Industrial Plan unter anderem die europäische Photovoltaikindustrie wiederbeleben. Nötig waren für diesen Bewusstseinswandel offenbar die durch die Corona-Pandemie gestörten Lieferketten und die Sorge um die eigene Versorgungssicherheit aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. 

Hoffnung für Photovoltaikindustrie

Die europäische Solarbranche schöpfe Zuversicht aus dem geänderten Mindset, also aus einer offenbar neuen Haltung zur Photovoltaik in Europa. So formulierten es Vera Immitzer, die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Photovoltaic Austria, und Maike Schmidt, die Leiterin des Fachgebietes Systemanalyse am Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg, auf dem PV-Symposium. Es wäre langweilig, würde er das ebenfalls sagen, so Carsten Körnig, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft. Stattdessen mahnt er, man könne für die anstehende Belebung der PV-Industrie nicht zu sehr darauf setzen, dass die Energiekrise auf Dauer trägt. Man brauche weiterhin Beharrungsvermögen. 

Großer Vorsprung der chinesischen Photovoltaikindustrie

Die chinesische Photovoltaikindustrie ist mit Unterstützung des Staates weit vorausgeeilt. Das zeigen die Zahlen, die Andreas Bett, der Leiter des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme, gestern präsentierte. Mehr als 90 Prozent aller Solarzellen würden in China produziert. Und bei Solarwafern liege der Anteil wohl sogar bei 99 Prozent. Diese zeige die sehr große Abhängigkeit von China. Zudem werde weltweit der Bedarf an Photovoltaikanlagen wachsen. Nach Aussage von Bett wird dieser bis 2030 auf 10 Terawatt (TW) und 2050 auf 63 TW geschätzt. Davon entfielen dann etwa 9 TW auf Europa. Dieser Kontinent verliert also künftig auch als Absatzmarkt relativ zu anderen an Bedeutung. Und das kann wohl als weiteres Argument dafür verstanden werden, eine eigene, möglichst viele Produktionsschritte umfassende Photovoltaikindustrie aufzubauen. 

PV-Absatz in Europa sichern

„Europa wacht auf“, erklärt Bett, der außerdem auf den Stakeholder-Dialog zur PV-Industrie in Deutschland hinweist, der schon vor dem russischen Krieg gegen die Ukraine begonnen habe. Als  wichtige Komponente für die Industriepolitik sieht Bett das Sicherstellen der Nachfrage nach europäischen Solarprodukten. Es nutze wenig, hier Kapazitäten aufzubauen, wenn diese hiesigen Produkte dann nicht verkauft würden. Denkbar sei hier eine effektive CO2-Bepreisung, von der in Europa herstellende Unternehmen profitieren könnten. Außerdem seien die kritischen Inputvarianten abzusichern. Dazu zählt der Solarexperte Kapital, Rohstoffe, Fachkräfte und günstige Energie. 

Wie Bett näher ausführt, sei in Europa in den nächsten Jahren eine Produktionskapazität von 30 Gigawatt anzustreben. Zum Vergleich: In China ist der jährliche Zuwachs derzeit offenbar höher, wenn man den Ankündigungen der chinesischen Produzenten folgt. Betts Fazit lautet: „Der Aufbau einer PV-Industrie in Europa scheint möglich.“ Eine Voraussetzung sei freilich, dass Europa auf die Subventionen in China, den USA und Indien eine eigene Antwort habe.

In Europa fehlen Herstellungskapazitäten

Peter Dold, der Leiter des Fraunhofer-Centers für Silizium-Photovoltaik in Halle, machte in Bad Staffelstein darauf aufmerksam, dass die politisch Verantwortlichen den zeitlichen Aspekt nicht aus dem Auge verlieren dürften. Noch sei Expertise und Know-how für die einzelnen Wertschöpfungsketten in Europa vorhanden. Um sie hier zu halten und auszubauen, sei es aber dringend erforderlich, wieder eigene Produktionsanlagen zu errichten. Wolle man 20 Gigawatt Produktionskapazität schon auf der Stufe der Ingots, aus denen die Wafer zu schneiden sind, aufbauen, so seien dafür 25.000 Tiegel nötig, für die es derzeit in Europa aber schon keine eigenen Herstellungskapazitäten gebe. 

Ebenso gibt es Abhängigkeiten beim Solarglas. Markus Jandel, Direktor für Produktmanagement beim österreichischen Maschinenbauhersteller LISEC, machte deutlich, wo hier die Ansatzpunkte liegen. So habe das seit 60 Jahren tätige Unternehmen LISEC schon 2010 Maschinen entwickelt, um 2 Millimeter dünnes vorgespanntes Glas für PV-Module herzustellen – einschließlich eines Laminierverfahrens mit Rahmenabdichtung. Doch aufgrund der „Preisschlacht“ habe sein Unternehmen vom Solarbereich Abstand genommen. Jandel sieht aber neue Chancen, weil die Varianz an PV-Modulgrößen wachse und damit auch neue Herausforderungen auf die Produktion zukämen. „Das können europäische Maschinenbauer besser“, zeigt sich Jandel selbstbewusst. Außerdem müssten sich westeuropäische Glashersteller nach neuen Absatzmärkten für das hier noch produzierte Glas umsehen, weil die osteuropäische Konkurrenz wachse. Mit Hilfe aus dem PV-Sektor sei eine Diversifizierung weg vom Fassaden- hin zum Solarglas möglich.

Photovoltaikindustrie fordert Subventionen

Aus Sicht eines der noch in Europa produzierenden Unternehmen wies Christoph Podewils auf die wichtigen Faktoren für die heimische Photovoltaikindustrie hin. Er ist seit diesem Jahr Leiter des Bereiches Politik und Unternehmenskommunikation bei der Meyer Burger Technology AG. Europa sei derzeit „sehr lahm unterwegs“. Für die PV-Unternehmen sei es aktuell viel attraktiver, sich in den USA zu engagieren und Fabriken aufzubauen. Ohne Subventionen werde es angesichts dieser Konkurrenz auch in Europa nicht funktionieren, so Podewils. Die staatliche Unterstützung müsste aber nicht so hoch sein wie in den USA. Denn in Europa und speziell in Deutschland gebe es eine besser Forschungslandschaft und eine bessere Maschinenbaubasis sowie einen etablierten Markt. 

Erforderlich sind laut Podewils für die europäische Photovoltaikindustrie eine Eigenkapitalförderung, etwa über staatliche Beteiligungen, und Betriebskostenbeihilfen. Peile man in einer Reihe Produktionsstätten unterschiedlicher Unternehmen mit mehreren Wertschöpfungsstufen an, so sei mit Subventionskosten von 0,2 bis 2,4 Milliarden Euro jährlich bei abnehmender Tendenz zu rechnen. Der Wiederaufbau der PV-Industrie soll nach Ansicht von Meyer Burger insgesamt 11 bis 15 Milliarden Euro kosten. Das Ergebnis wären etwa 15 Zellfabriken mit einer Kapazität von je 3,5 GW und 30 Modulfabriken mit je 1,5 GW. „Die Zeit, die PV-Industrie zurückzuholen, ist jetzt“, fordert Podewils.

Wirtschaftsministerium will unterstützen

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) will dabei offenbar durchaus Hilfestellung leisten. So war auch Cornelia Viertl wieder einmal zum PV-Symposium gekommen, die seit vielen Jahren zunächst im Umwelt- dann im Wirtschaftsministerium in Referaten für erneuerbare Energien arbeitet. Jetzt ist sie im gerade neu geschaffenen BMWK-Referat für Photovoltaik tätig. Im Jahr 2023 sollten in Deutschland PV-Anlagen mit insgesamt 9 GW Leistung installiert werden, im Jahr 2024 dann 13 GW, betont Viertl. „Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen stellen.“ Und sie fordert die Unternehmen auf, dem BMWK mitzuteilen, wo sie derzeit die größten Hürden sehen. 

Zudem warb sie um Verständnis, wenn die Förderung nicht immer so stringent sei, wie es sich das Ministerium jetzt selbst wünsche. Jeder Förderschritt sei mit der EU-Kommission abzustimmen, von der die deutsche Politik in Subventionsfragen abhängig sei. So bleibt auch abzuwarten, welche Impulse die kommenden Wochen bringen. Mitte März will die EU-Kommission ihre näheren Überlegungen zum Green Deal Industrial Plan bekanntgeben. 

1.3.2023 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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