Passivierungsschicht in der Lithium-Ionen-Batterie: Rätsel der Bildung gelöst

Das Bild zeigt eine Collage zur Symbolisierung der Passivierungsschicht in der Lithium-Ionen-Batterie.Collage: Christine Heinrich
Forscher:innen des KIT haben die Bildung der Feststoff-Elektrolyt-Grenzphase mit Hilfe von Simulationen charakterisiert.
Forscher:innen des KIT konnten mit Simulationsrechnungen eine Erklärung für die Bildung der Passivierungsschicht in der Lithium-Ionen-Batterie finden. Damit soll es möglich sein, die Leistungsfähigkeit und die Lebensdauer von zukünftigen Batterien zu optimieren.

Eine Lithium-Ionen-Batterie funktioniert nur mit einer Passivierungsschicht. Wie Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nun anhand von Simulationen festgestellt haben, entsteht diese Feststoff-Elektrolyt-Grenzphase nicht direkt an der Elektrode, sondern wächst aus dem Lösungsmittel. Die Feststoff-Elektrolyt-Grenzphase (solid electrolyte interphase – SEI) bildet sich beim ersten Anlegen einer Spannung. Der Elektrolyt wird in der unmittelbaren Nähe der Oberfläche zersetzt. Bisher war unklar, wie die Bestandteile des Elektrolyten eine bis zu 100 Nanometer dicke und stabile Schicht an der Oberfläche der Elektroden bilden können, wenn die Zersetzungsreaktion nur innerhalb weniger Nanometer von der Oberfläche möglich ist.

Die Passivierungsschicht an der Anodenoberfläche bestimmt die elektrochemische Leistungsfähigkeit und die Lebensdauer einer Lithium-Ionen-Batterie wesentlich mit, weil jeder Lade- und Entladezyklus sie stark beansprucht. Bricht die SEI dabei auf, zersetzt sich der Elektrolyt weiter und die Kapazität der Batterie nimmt stetig ab – ein Prozess, der die Lebensdauer der Batterie bestimmt. Mit dem entsprechenden Wissen über Wachstum und Zusammensetzung der SEI lassen sich Batterieeigenschaften gezielt anpassen. Bisher gelang es allerdings weder mit experimentellen noch mit computergestützten Ansätzen, diese auf ganz unterschiedlichen Größen und Längenskalen ablaufenden komplexen Wachstumsprozesse zu entschlüsseln.

Forschende am Institut für Nanotechnologie (INT) des KIT haben es nun geschafft, die Bildung der SEI mit einem multiskaligen Ansatz zu charakterisieren. „Damit haben wir eines der großen Rätsel der wichtigsten Schnittstelle in Flüssigelektrolyt-Batterien gelöst – auch in Lithium-Ionen-Batterien, wie wir alle sie täglich nutzen“, sagt Wolfgang Wenzel, Leiter der Forschungsgruppe „Multiscale Materials Modelling and Virtual Design“ am INT.

Mehr als 50 000 Simulationen zur Bildung der Passivierungsschicht in der Lithium-Ionen-Batterie

Um das Wachstum und die Zusammensetzung der Passivierungsschicht an der Anode von Flüssigelektrolyt-Batterien zu untersuchen, erzeugten die Forschenden am INT einen Satz von mehr als 50 000 Simulationen, die verschiedene Reaktionsbedingungen repräsentieren. Sie stellten fest, dass die Bildung der organischen SEI auf einem lösungsvermittelten Weg erfolgt. Zunächst schließen sich SEI-Vorläufer, die sich direkt an der Oberfläche bilden, weit entfernt von der Elektrodenoberfläche über Keimbildung zusammen. Anschließend wachsen die Keime so schnell, dass sich eine poröse Schicht bildet, die schließlich die Elektrodenoberfläche bedeckt.

Diese Erkenntnis erklärt die paradox anmutende Situation, dass die SEI sich nur in der Nähe der Oberfläche bilden kann, wo Elektronen verfügbar sind, aber ohne den beobachteten Mechanismus sofort aufhören würde zu wachsen, wenn dieser kleine Bereich nahe der Elektrode aufgefüllt ist. „Wir haben diejenigen Reaktionsparameter identifiziert, die die Dicke der Passivierungsschicht bestimmen“, sagt Saibal Jana, Postdoc am INT und einer der Autoren der Studie. „Dies wird es künftig ermöglichen, Elektrolyte und geeignete Zusatzstoffe zu entwickeln, um die Eigenschaften der SEI zu steuern und damit die Leistungsfähigkeit und Lebensdauer der Batterien zu verbessern.“

Über ihre Erkenntnisse berichten die Karlsruher Forschenden in der Zeitschrift Advanced Energy Materials. Die Forschungsgruppe ist an der großangelegten europäischen Forschungsinitiative BATTERY 2030+ beteiligt, die auf sichere, bezahlbare, langlebige und nachhaltige Hochleistungsbatterien für die Zukunft zielt.

7.3.2023 | Quelle: KIT | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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