Josef Jenni: Ich gebe mir Mühe

Josef Jenni in seiner Fabrik. Rechs sind zwei große Solarspeicher-Tanks zu sehen.Foto: Jenni Energietechnik AG
Josef Jenni in seiner Fabrik für Wärmespeicher in Obernburg.
Josef Jenni, am 1. November 70 Jahre alt geworden, ist einer der bekanntesten Solarpioniere. Seine Firma, die heutige Jenni Energietechnik AG gründete der Schweizer 1976. Seit 1983 stellt sie Solarspeicher in Oberburg bei Burgdorf in der Schweiz her. Dass es möglich ist, ein Wohnhaus ausschließlich durch Solarthermie zu beheizen, wies Jenni mit der Errichtung des ersten Solarhauses 1989 nach. 2005 entstand sein erstes Mehrfamilien-100-%-Solarhaus. Jennis Aktiengesellschaft ist nicht an der Börse notiert, sondern sie besteht im Wesentlichen aus den zahlreichen Kunden der Firma.

Josef Jenni: Der Bericht des Club of Rome war sehr umfassend. Und wenn man das Buch heute noch einmal liest, dann erkennt man, dass es immer noch aktuell ist. Der Bericht trifft keine endgültigen Aussagen, sondern er ist eher ein Zeitroman über 200 Jahre, von 1900 bis 2100. Nun tritt leider immer offensichtlicher ein, was der Bericht vorhergesagt hat.

Das ist sicher so, aber es reicht bei Weitem nicht. Viele Menschen, auch viele Politiker, können nicht unterscheiden zwischen Leistung und Energie. Sie verstehen das einfach nicht und machen sich deshalb auch keine Sorgen. Im Bereich der erneuerbaren Energien gibt es viele Schönwetter-Propheten. Es hilft nichts, wenn wir uns Illusionen darüber machen, was erneuerbare Energien können und was nicht. Außerdem werden die Schattenseiten oft bewusst ausgeblendet. Zum Beispiel müssen wir uns viel mehr Gedanken über die graue Energie machen. Das gilt für alle erneuerbaren Energien und auch für die Elektromobilität. Die Hälfte der Umweltbelastung hat ein Auto bereits hinter sich, bevor es den ersten Kilometer gefahren ist. Nur die zweite Hälfte kommt vom Fahren. Je teurer und schwerer das Auto ist, desto extremer ist die Situation. Ein Elektroauto, das drei Tonnen wiegt und 700 PS Leistung hat, hat mit Umweltschutz nichts zu tun.

Im Grunde genommen geht es uns in der westlichen Welt so gut wie noch nie. Auch wenn wir immer darüber klagen, dass wir zu wenig verdienen und uns dieses oder jenes fehlt. Unsere Gesellschaft kann sich so viele Güter leisten wie noch nie zuvor. Aber vielleicht steht das Wasser noch nicht hoch genug. Die Leute wollen einfach nicht wahrhaben, dass wir auf einem sinkenden Schiff sitzen. Das kommt mir vor wie ein Titanic-Effekt. Die ersten Rettungsboote, die damals nach der Kollision mit dem Eisberg ins Wasser gelassen wurden, seien nicht einmal halb gefüllt gewesen, heißt es. Die Leute wollten nicht in die Rettungsboote steigen, sondern lieber auf dem großen Schiff bleiben.

Persönliches Handeln ist sehr wichtig. Wenn es sich darauf beschränkt, ökologische Produkte zu kaufen, bringt das nicht sehr viel. Dem liegen häufig egoistische Motive zugrunde. Man tut dies für sich selber und für die eigene Gesundheit und nicht unbedingt im Interesse der Allgemeinheit.

Wir müssen bescheidener werden und den eigenen Energiebedarf reduzieren. Es kann sehr entspannend sein, wenn man nicht alles haben muss. Auch das ist Freiheit.

Diese Häuser sind bis heute noch kein Renner. Die Bewohner nehmen die solare Heizung zur Kenntnis und sie ist für sie irgendwann selbstverständlich. Die solare Heizung wird eigentlich von den meisten Bewohnern nicht besonders hoch geschätzt. Es würde wahrscheinlich Widerstand geben, wenn wir plötzlich für die Energie etwas verlangen würden. Ich gehe aber davon aus, dass sich die Situation bei echtem Energiemangel stark ändern wird.

Die Aktionen der Klimabewegung wirken sich in der allgemeinen Bevölkerung eher kontraproduktiv aus. Die Klima-Jugend will vor allem Action. Die jungen Leute finden es aufregend, sich auf die Straße zu kleben. Sie ziehen aber aus dem Klimawandel nicht die Konsequenz, dass sie im Klimaschutzsektor arbeiten wollen. Wir haben absolut keine Bewerbungen aus diesen Gruppierungen, obwohl wir versucht haben, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Aber sie haben kein Interesse an einer Mitarbeit gezeigt. Die meisten dieser Klima-Aktivisten würden nur Ärger machen, wenn man sie in einer Firma anstellen würde. Sie würden stattdessen alles Mögliche bemängeln und für konkrete Arbeit könnte man nur wenige gebrauchen.

Es gibt schon junge Leute, welche sich ernsthaft mit der Klimafrage befassen und Konsequenzen ziehen. Nur sind deren Tätigkeiten nicht medienwirksam. Es sind aber viel zu wenige. Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, braucht es in der Schweiz und Deutschland Hunderttausende Handwerker dafür.

Die Schweizer nehmen wahr, dass sich die Gletscher zurückziehen, aber das tut ihnen persönlich nicht weh. Dass der Wintersport unter dem Klimawandel leidet, ist für den durchschnittlichen Schweizer noch zu wenig gravierend. Der Tourismus im Winter ist zwar ein wichtiger Wirtschaftszweig in der Schweiz, aber er ist nicht existenziell. Das Wasser läuft immer noch aus dem Hahn heraus. Wir haben nach wie vor genügend Trinkwasser. Es gibt zwar mehr Waldbrände, aber nur lokal, und wir sind darauf eingestellt, diese Brände zu löschen. Die Schweizer müssen noch nicht hungern auf die eine oder andere Weise. Die jüngsten Wahlen haben gezeigt, dass die Umweltparteien mit den Umweltthemen keine Punkte mehr sammeln können.

Die Havarie des Kernkraftwerks Fuku­shima im Jahr 2011 hat die Energiewende sicherlich beschleunigt. Als 25 Jahre zuvor der Kernreaktor in Tschernobyl explodierte, hat man sich damit zufrieden gegeben, dass es russische Technik war, und die galt als veraltet. Aber als etwas Ähnliches in Japan passierte, hat es schon mehr Eindruck gemacht. Das hält natürlich nicht ewig an. Der Fukushima-Effekt verblasst allmählich.

Das waren die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg. Die Nachfrage hat dadurch stark zugenommen. Wir sind seit einiger Zeit sehr stark ausgelastet und überlastet. Wir könnten deutlich mehr installieren. Vor allem im Handwerk herrscht ein extremer Mangel an Fachkräften. Damit wir eine größere Nachfrage bewältigen können, muss sich unsere Firma natürlich entsprechend weiterentwickeln. Ich habe öfters persönlich in der Werkstatt mitgeholfen, damit wir nur einigermaßen die Termine einhalten konnten.

Die Leute waren verunsichert. Die Energiewirtschaft, zu der auch wir gehören, verdient mit Abstand am besten, wenn die Leute Angst um die Verfügbarkeit von Energie haben. Durch die Pandemie und natürlich auch durch den Ukraine-Krieg ist diese Angst entstanden. Ich weiß aber nicht, wie lange das anhält. Für das nächste Jahr haben wir schon relativ viele Aufträge in Aussicht. In Bezug auf unsere Firma bin ich relativ zuversichtlich. Aber wir wissen natürlich nicht, was kommen wird.

Meine Grundhaltung ist, dass ich mir Mühe gebe. Martin Luther wird das Zitat zugeschrieben: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Das ist auch eine Devise für mich persönlich. Die Frage, ob die Menschheit überhaupt noch eine Zukunft auf der Erde hat, höre ich nur ungern. Die will ich einfach nicht beantworten.

Das war bisher immer so. Aber in der nächsten Zeit kommen die großen Probleme weltweit gleichzeitig auf uns zu. Das Ganze wird weitgehend parallel ablaufen, was eine gigantische Herausforderung ist. Wenn die Menschen nicht sehr schnell mit radikalen und einschneidenden Maßnahmen reagieren, haben wir kaum mehr eine Chance, einigermaßen menschenwürdig auf der Erde zu überleben.

Interview: Detlef Koenemann
© Solarthemen Media GmbH

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