Fraunhofer ISI präsentiert Impulspapier für Wasserstoff-Importstrategie

Visualisierung zeigt Wasserstofftanks und Pipelines vor Windenergieanlagen.Foto: PhotoGranary / stock-adobe.com
Reiner Wasserstoff soll per Pipeline nach Deutschland kommen, Derivate vor allem per Schiff (Archivbild).
Das Fraunhofer ISI hat in einer Metastudie Informationen rund um die Wasserstoff-Erzeugung und den Handel damit zusammengestellt. Sie sollen helfen, eine Wasserstoff-Importstrategie zu entwickeln.

Die Auswertung der Studien fand im Rahmen des Forschungsprojekts „Hypat“ mit Zuschüssen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung statt. Aus den Erkenntnissen hat das Fraunhofer ISI ein Impulspapier formuliert und gibt Handlungsempfehlungen für eine deutsche Wasserstoff-Importstrategie. In ihrer überarbeiteten Wasserstoffstrategie geht die Bundesregierung davon aus, dass rund 50 bis 70 Prozent des für 2030 prognostizierten Wasserstoffbedarfs durch Importe aus dem Ausland gedeckt werden müssen. Die Regierung will ihre Importstrategie für Wasserstoff im Frühjahr 2024 vorlegen.

Dabei unterscheiden die Forschenden ausdrücklich zwischen dem Import von reinem Wasserstoff und von Wasserstoffderivaten. Transportwege, Märkte, Anwendungsfelder und Exportländer seien für diese Segmente jeweils unterschiedlich.

Grüner Wasserstoff kann den globalen Bedarf decken

Die Metastudie basiert auf zahlreichen Einzelstudien, die sich mit den Kosten für Herstellung und Transport sowie möglichen internationalen Handelsströmen für grünen Wasserstoff und Wasserstoffderivate befassten. Die Studien gehen davon aus, dass bis 2050 ein Anteil von 4 bis 11 Prozent am Endenergiebedarf in Form von Wasserstoff nachgefragt wird. Das globale Angebot an grünem Wasserstoff könne dem durchaus gerecht werden, selbst wenn man Regionen mit Wasserstress oder geopolitischen Instabilitäten ausschließt. Doch der Markthochlauf erfolge bisher nur schleppend.

Wichtig für die günstige Wasserstoff-Erzeugung seien gute PV- und Windenergieressourcen, geringe Kapitalkosten, Wasserverfügbarkeit, politische Stabilität, das technologisches Know-how und die Transportdistanzen.

USA und China versorgen sich selbst, Deutschland auf Import von Wasserstoff angewiesen

Die Metastudie kommt zu dem Schluss, dass zwischen 2030 und 2050 lediglich ein Drittel des gesamten Wasserstoffbedarfs global gehandelt wird. Der Importbedarf für Wasserstoff sei eher gering. Viele Länder, wie die USA oder China, könnten ihren Wasserstoffbedarf überwiegend selbst decken. Dies gelte allerdings nicht für Deutschland.

Grüner Wasserstoff und Wasserstoffderivate würden kurz- und mittelfristig eher teuer und knapp bleiben. Daher sollte sich eine Importstrategie auf Bereiche fokussieren, in denen sich die Klimaziele nur unter Anwendung von Wasserstoff erreichen lassen. Als Beispiele nennt das Fraunhofer ISI die Stahl- und Grundstoffchemie, den internationalen Flug- und Schiffstransport oder Raffinerien.

Länder mit Wasserstoffproduktion wollen Wertschöpfung zu sich holen

Das Fraunhofer ISI benennt auch ein Problem, das im Grunde von Anfang an absehbar war, aber weitgehend ignoriert wurde. Die angehenden Wasserstoff-Exportländer haben nämlich längst nicht alle Interesse daran, die Moleküle für eine Handvoll Euro oder Dollar um den Globus zu transportieren. Stattdessen wollten sie „teilweise“ die Wertschöpfung zu sich holen und selbst Ammoniak oder Eisenschwamm herstellen.

Für deutsche Chemie- und Stahlkonzerne ist das wenig erfreulich. Anderen Ländern, wie den USA, könnte es gelegen kommen. Sie haben sowohl die Ressourcen, um viel grünen Wasserstoff zu produzieren, als auch die Industrien, die ihn brauchen. So könnten sie eine voll integrierte Wertschöpfungskette für grünen Wasserstoff aufbauen und damit an die Weltspitze kommen.

Reiner Wasserstoff: Pipeline-Transport auf der Mittelstrecke

Den Handel mit reinem Wasserstoff sieht das Fraunhofer ISI nicht global, sondern „überwiegend in großräumigen regionalen Märkten“, über Distanzen von 2.000 bis 3.000 Kilometern. Aus Kostengründen werde der Fokus voraussichtlich auf Pipelines liegen, Schiffe könnten aber ein Backup bilden. Für Wasserstoffderivate sehen die Forschenden allerdings einen internationalen Markt, analog zu den heutigen Ölmärkten, in dem der Schiffstransport eine entscheidende Rolle spielen werde.

Das Fraunhofer ISI empfiehlt für den Import per Pipeline, auf Folgendes zu achten: Ein Netz von Pipelines zu bauen, kostet Zeit und Geld. Da der Markt nur langsam anlaufe, sei es allerdings noch zu schaffen. Dabei solle man sich lieber nicht – wie einst beim Erdgas – auf einen oder wenige vermeintlich billige Lieferanten festlegen. Besser sei es, mehrere Lieferanten und Importwege zu haben und zusätzlich mit einer heimischen Produktion die Abhängigkeit zumindest zu reduzieren. Auch Wasserstoff-Speicher in Deutschland sollen dabei helfen, eventuelle Engpässe in der Versorgung abzufangen.

Als gute Importpartner sehen die Forschenden unter anderem Spanien und Norwegen. Sie seien verlässlich, hätten ein gutes Potenzial für grünen Wasserstoff und die EU würde dadurch insgesamt gestärkt.

Das Fraunhofer ISI warnt ausdrücklich dafür, im Alleingang spezielle Anforderungen an den Wasserstoff zu formulieren, zum Beispiel in Form von strengeren Umweltstandards. Das würde den Markt fragmentieren, die Kosten treiben und so die Investitions- und damit die Versorgungssicherheit gefährden.

Zugleich machen die Forschenden auch deutlich, dass der Fokus klar bei „wirklich notwendigen Wasserstoff-Anwendungen“ liegen solle, um die Nachfrage in Grenzen zu halten.

Importstrategie für Wasserstoff-Derivate: gemeinsame Marktposition aufbauen

Für den Import von Wasserstoffderivaten gibt es eine Reihe eigener Ratschläge. Neben Deutschland würden vor allem Japan und Südkorea voraussichtlich viele Wasserstoffderivate importieren. Sie seien daher die wichtigsten Konkurrenten – oder im besten Fall Kooperationspartner. Mit anderen EU-Importländern oder auch der ganzen EU solle Deutschland zudem möglichst eine Wasserstoff-Allianz schmieden, um die eigene Marktposition zu stärken. Zu diesen gehören insbesondere die Niederlande und Belgien.

Als wesentliche Derivate benennt die Metastudie E-Kerosin, Methanol und Ammoniak. Zum E-Kerosin gebe es im Flugverkehr so gut wie keine Alternativen. Für den Import könne man bestehende Infrastruktur nutzen. Methanol lässt sich als Treibstoff nutzen, zum Beispiel für Seeschiffe. Es ist auch ein Grundstoff für die chemischen Industrie. Die Importinfrastruktur muss hier noch geschaffen werden. Auch Ammoniak wäre ein möglicher Schiffstreibstoff. Unter Umständen käme es auch für die Stromerzeugung in Frage. Dabei sei allerdings noch viel Entwicklungsarbeit nötig. Aus Ammoniak wieder Wasserstoff herzustellen, sei mit hohen Umwandlungsverlusten verbunden und daher teuer.

Deutschland sollte schon jetzt auf potenzielle Exportländer zugehen

Professor Martin Wietschel, Leiter des Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme am Fraunhofer ISI und Mitautor des Impulspapiers, rät in Bezug auf die Import-Strategie: „Gerade weil der Importbedarf international begrenzt sein wird, muss Deutschland in Abstimmung mit der EU schon jetzt auf potenzielle Exportländer zugehen, die mittelfristig eine bedeutende Marktmacht erlangen werden.“

Verhandlungen sollten nicht in die Länge gezogen werden. Sonst könnten die angehenden Wasserstoffexporteure andere Kunden in Betracht ziehen. Gemeinsam und auf Augenhöhe gelte es, Technologien und Geschäftsmodelle zu entwickeln und Risiken fair zu verteilen.

Mehrere Fraunhofer-Gesellschaften sind bereits in einer Wasserstoff-Kooperation mit Südafrika involviert, wie der Solarserver berichtete.

Quelle: Frauhofer ISI | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

Schließen