Energiewende-Engagement in neun EU-Ländern: von Ökostrom bis Social Media

Im Bild Bürger:innen beim Bau einer Windenergieanlage, die Bürgerbeteiligung an Windparks und Photovoltaik-Freiflächenanlagen erhöht die Akzeptanz.Foto: Guido Bröer
Bürgerwindpark - Nur wenige der Teilnehmenden der Umfragen sind an Wind- oder Solarprojekten beteiligt.
In einer repräsentativen Online-Umfrage mit 10.000 Personen in 19 europäischen Ländern stimmten 70 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass die Energiewende Aufgabe aller sei und sich daher alle Bürger:innen aktiv einbringen sollten.

Mehr als 60 Prozent gaben an, dass sie ihren Energieverbrauch in den vergangenen Jahren wegen der Energiekrise gesenkt haben. Das schlage sich vor allem in geringeren Raumtemperaturen, einem bewussteren Umgang mit Haushaltsgeräten, aber auch einer umweltfreundlicheren Mobilität nieder, wie zu Fuß gehen, Rad fahren oder ÖPNV. Die Hauptmotivation für diese Form von Energiewende-Engagement sei es, Energiekosten zu senken, aber auch Umweltbelange seien für viele wichtige Beweggründe.

Das sind zwei der Ergebnisse des EU-Projekts „EnergyProspects“, in dem von 2021 bis 2024 Organisationen aus neun europäischen Ländern zusammenarbeiteten. Auf deutscher Seite war das Zentrum Technik und Gesellschaft (ZTG) der TU Berlin beteiligt. Ziel war es, mehr über individuelle Einstellungen und das Engagement für die Energiewende, die Reaktionen auf die Energiekrise und die wahrgenommenen Zukunftsaussichten zu erfahren.

In Deutschland hat Ökostrom eine starke Tradition

Während das Energiesparen recht verbreitet ist, sind andere Formen des Engagements für die Energiewende seltener. Dazu gehören der Bezug von Ökostrom (31,6 Prozent), die energetische Renovierung des Eigenheims (36,5 Prozent) oder das Investieren in die Produktion von erneuerbarer Energie, zum Beispiel mit einer PV-Anlage auf dem eigenen Dach (15,5 Prozent) oder in Energiegenossenschaften (6 Prozent). Nur ein geringer Anteil der Befragten will das Engagement für die Energiewende in Zukunft verstärken.

Signifikante Unterschiede zwischen Deutschland und den anderen 18 europäischen Ländern zeigten sich beim Bezug von Ökostrom und der energetischen Sanierung. 45,1 Prozent der Befragten in Deutschland gaben an, Ökostrom zu beziehen, also weit mehr als in den anderen europäischen Ländern. Das liegt in der Größenordnung, die auch die Bundesnetzagentur in ihrem Monitoringbericht 2023 für den Ökostromanteil nennt. Bei der energetischen Sanierung war der Anteil mit 16 Prozent in Deutschland deutlich geringer. Professorin Martina Schäfer, wissenschaftliche Geschäftsführerin des ZTG und Leiterin des Projektes EnergyProspects ZTG erklärt den hohen Ökostrom-Anteil in Deutschland mit dessen vergleichsweise langer Geschichte. Den Grund für den geringen Anteil energetischer Sanierung sieht sie darin, dass in Deutschland mehr Menschen in Mietwohnungen leben als im Durchschnitt einbezogenen Länder.

Pessimismus und Unzufriedenheit hemmen Engagement für die Energiewende

Allerdings sei auch die Bereitschaft zu Engagement gering, das ohne finanzielle Mittel auskomme. Dazu zählen die Forschenden, dass die Befragten Bekannte für die Energie motivieren, zu dem Thema in den Social Media aktiv sind oder sich in Umweltorganisationen einbringen. Zudem sähen die Befragten die nahe Zukunft pessimistisch, bilanziert Ariane Debourdeau vom ZTG. Über die Hälfte gehe davon aus, dass sie im Jahr 2030 mehr für Energie bezahlen werden. Immerhin 43 Prozent sind der Meinung, dass die Energiewende zu langsam vorangeht. Außerdem zeigen sich die Teilnehmenden sehr unzufrieden mit der Arbeit der verantwortlichen Institutionen auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene. Diese Kritik beziehe sich sowohl auf die Behörden als auch auf die Energieversorger und die wirtschaftlichen Akteure. Nur die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen und der Wissenschaft sähen die Teilnehmenden positiver. „Der Politik sollte es zu denken geben, dass über zwei Drittel der Meinung sind, dass die Ansichten und Ideen von Bürger*innen nicht ernst genommen werden“, resümiert Debourdeau.

Policy Paper fasst Empfehlungen zusammen

Nötig, um das Engagement für die Energiewende zu stärken, seien maßgeschneiderte finanzielle Förderung, weniger Bürokratie sowie die Unterstützung von Menschen, die von Energiearmut betroffen seien. Auch Bedenken bezüglich der „wahrgenommenen Auswirkungen und Kosten der Energiewende“ müssten ausgeräumt werden. Zudem müsse der rechtliche Status bestimmter Erzeugerkonstellationen geklärt werden, zum Beispiel die kollektive Energieerzeugung, das Energy Sharing und der Peer-to-Peer-Handel. Das gelte explizit auch für Deutschland. Und schließlich sollte die Politik mehr tun, um Bürger:innen in die politischen Entscheidungsprozesse einzubeziehen und so die Energiewende inklusiv und sozial gerecht zu gestalten.

Aktuelle Trends rund um das Thema Beteiligung beleuchtet der Solarserver in diesem Artikel.

Das Projektteam von EnergyProspects hat die Empfehlungen in einem Policy Paper zusammengefasst. Es richtet sich an Entscheider:innen auf nationaler und europäischer Ebene. Ziel sei es, die europäischen Bemühungen hin zu einer nachhaltigen und integrativen Energielandschaft zu unterstützen. EnergyProspects erhielt Zuschüsse aus dem EU-Programm Horizont 2020. Das Konsortium besteht aus neun Partnern aus Irland, Belgien, Ungarn, den Niederlanden, Bulgarien, Frankreich, Lettland, Deutschland und Spanien.

Zum Original-Projektbericht auf Englisch geht es hier.

Quelle: TU Berlin | © Solarthemen Media GmbH

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