Strategien zum Weiterbetrieb von Ü20-Photovoltaik-Anlagen

Auf einem Schuldach in Oberndorf befindet sich eine PV-Anlage. Hier gelingt der Weiterbetrieb einer Ü20-Photovoltaik-Anlage.Foto: eER Erneuerbare Energien Rottenburg eG
Auf einem Schuldach in Oberndorf gelingt der Weiterbetrieb einer Ü20-Photovoltaik-Anlage.
Bei einigen Zehntausend Photovoltaikanlagen ist die garantierte Einspeisevergütung über das EEG inzwischen ausgelaufen. Die meisten laufen weiter. Doch bei einigen sind Umbauten oder sogar Betreiberwechsel erforderlich. Wie gelingt der Weiterbetrieb von Ü20-Photovoltaik-Anlagen?

Für die Mitglieder des Solarenergie-Fördervereins Deutschland (SFV) sind die sogenannten Ü20-Photovoltaikanlagen ein Top-Thema. Das habe eine Befragung gezeigt, berichtet SFV-Geschäftsführerin Susanne Jung. Für die Eigentümer:innen der Solarschätzchen sei der Weiterbetrieb von Ü20-Photovoltaik-Anlagen ein wichtiges Anliegen. Natürlich würde ein Großteil von ihnen nach dem Auslaufen der garantierten Einspeisevergütungen die Anlagen, die seinerzeit nur als Volleinspeiseanlagen nach dem EEG förderberechtigt waren, gern auf Eigenverbrauch umrüsten. Doch dafür sei ein neuer Zähler notwendig. „Und dann fangen die Sorgen an“, so Jung. Denn dann fällt auf, dass die Elektroinstallation in einem Gebäude nicht mehr mit den herrschenden Normen kompatibel ist. So müsste dann häufig ein neuer Zählerschrank installiert werden. Und das kostet schnell einen vierstelligen Betrag. 

Lohnt sich ein neuer Zählerschrank für Post-EEG-Anlagen?

Wie so oft komme es auf den Einzelfall an, erklärt Jung. Möglicherweise sei es sowieso sinnvoll, die Haustechnik auf einen neuen Stand zu bringen. Und wer weiterhin Solarstrom nutzen wolle, komme auch bei einer neuen Anlage nicht um den neuen Zählerschrank herum. Es sei dann also durchaus sinnvoll, diesen Schritt schon bei der Ü20-Photovoltaik-Anlage zu machen. Nur mit Blick auf die Bestands-PV-Anlage sei eine Amortisation dieser Investition aber nicht immer möglich. 

Das Beispiel einer 3-kW-Anlage, die rund 2400 Kilowattstunden liefert: Ohne Batteriespeicher lassen sich davon rund 800 kWh für den Eigenverbrauch nutzen. Bei Stromkosten von 35 Cent je Kilowattstunde bringt das — abzüglich entgangener Einspeisevergütung – eine Ersparnis von etwa 240 Euro im Jahr. Wenn die Photovoltaik-Anlagen dann noch einige Jahre gut läuft, kann sich das also rechnen. Aber es sind auch viele Variablen im Spiel. 

Alternative: Ü20-Anlage wie bisher weiterbetreiben?

Es kann auch eine Überlebensstrategie für eine Ü20-Photovoltaik-Anlage sein, diese einfach weiterlaufen zu lassen und weiterhin eine – verringerte – Vergütung für den komplett ins Netz eingespeisten Strom zu kassieren. Das ist sogar bis Ende 2032 möglich, nachdem der Bundestag diese Regelung, die zunächst nur bis Ende 2027 lief, verlängert hat. Sie gilt seit dem 16. Mai 2024. „Das hat uns sehr gefreut“, sagt dazu Jung. 

Welche Vergütung gilt, ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) durch mehrfache Verweise nicht so leicht zu finden. Der grundsätzliche Anspruch findet sich in § 23b des EEG. Im Folgenden wird aber auf verschiedene andere Paragrafen verwiesen. Grundsätzlich erhalten die Betreiber:innen eine Vergütung auf Basis des Jahresmarktwertes. 2023 waren das 7,2 Cent/kWh. Dieser Wert wird erst jeweils nachträglich ermittelt. Für 2024 ist aufgrund der monatlichen Werte dieses Jahres ein geringerer Betrag zu erwarten.

Davon ist ein Betrag für Vermarktungskosten des Stroms (§ 53 Abs. 2 EEG) abzuziehen, den die Netzbetreiber ermitteln. Der liegt 2024 bei 1,808 Cent; und kann sich jedes Jahr ändern. Im Jahr 2023 waren es nur 0 Cent. Sofern ein intelligentes Messsystem vorhanden ist, halbieren sich die Vermarktungskosten. 2024 beträgt die Einspeisevergütung somit für eine ausgeförderte Anlage wohl voraussichtlich unter 5 Cent. Sie war auch schon mal deutlich höher – das hängt vor allem vom Jahresmarktwert für Solarstrom ab.

Volleinspeisung versus Eigenverbrauch bei Ü20-PV-Anlagen

Um das Beispiel der 3-kW-Anlage wieder aufzunehmen: Die Einspeisevergütung bei dieser Anlage kommt 2024 auf weniger als 120 Euro. Im Jahr 2023 waren es rund 170 Euro. Ärgerlich findet Susanne Jung auch in diesem Zusammenhang, dass Strom- bzw. Grundversorger und insbesondere der Gesetzgeber darauf bestehen, das geringe Eigenverbräuche einer PV-Anlage – in der Regel des Wechselrichters – zu messen sind. Das kann zur Folge habe, dass allein die Grundgebühren den Ertrag einer kleinen Anlage übersteigen. Allerdings hat das Solarpaket im Mai auch hier eine Verbesserung gebracht. Sofern der/die Anlagenbetreiber:in im selben Haus wohnt, auf dem auch die PV-Anlage installiert ist, ist der Bezugsstrom nun über den sowieso vorhandenen Haushaltsstromzähler abzurechnen. Für Anlagen auf anderen Gebäuden ist dies aber keine Option.

Mit Eigenverbrauch und der geringen Einspeisevergütung hat die umgerüstete 3-kW-Ü20-Photovoltaik-Anlage dann im Vergleich zum einfachen Weiterbetrieb jährlich etwa 350 Euro auf der Habenseite. Als wirtschaftliche Optionen stehen also wohl nur die Umrüstung oder die Stilllegung – vor allem bei kleinen Anlagen – zur Verfügung. Die im EEG verlängerte Einspeisevergütung ist dennoch sinnvoll, weil sie den Zeitdruck nimmt. 

Zehntausende nutzen Ü20-PV-Anlagen weiter

63.520 Anlagen, die zwischen 1980 und 2004 installiert wurden, laufen derzeit noch, wie eine Solarthemen-Auswertung des Marktstammdatenregisters zeigt. Es gibt aber auch noch eine Grauzone von Anlagen, für die die Betreiber:innen im Register offenbar falsche Angaben gemacht haben. Denn 826 Anlagen sollen schon vor 1970 in Betrieb gegangen sein, manche davon gar zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Hier handelt es sich eindeutig um falsche Angaben. Und anscheinend hält es die Bundesnetzagentur nicht für wichtig, diese Daten zu korrigieren. Mancher Fehler wäre sicherlich schon vermeidbar, wenn bei der Eingabe der Daten ein Hinweis erschiene, dass das Datum nicht stimmen kann. 

Doch in jedem Fall sind noch viele Ü20-Anlagen in Betrieb. Endgültig stillgelegt wurden laut Marktstammdatenregister 4.750 PV-Anlagen. Von den im Jahr 2001 in Betrieb gegangenen Anlagen laufen rund 9 Prozent nicht mehr. Von den Anlagen aus dem Jahr 2002 liegt der Anteil sogar nur bei 0,7 Prozent und für Baujahr 2003 bei 4 Prozent. Die früh gebauten Photovoltaik-Anlagen beweisen also Stehvermögen.

Stillgelegte PV-Anlagen melden!

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) geht davon aus, dass stillgelegte Anlagen tatsächlich beim Marktstammdatenregister abgemeldet werden. Denn die Marktstammdatenregisterverordnung (MaStRV) normiert eine Registrierungspflicht im Marktstammdatenregister für Marktakteure. Und § 7 Abs. 1 MaStRV verpflichte diese Akteure, Änderungen der im Registereingetragenen Daten innerhalb eines Monats zu melden. Dazu gehöre auch die Stilllegung einer Anlage, sagt Nadia Affani, Pressesprecherin der Bundesnetzagentur. Sollten Betreiber:innen ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen, sei die Bundesnetzagentur berechtigt, die erforderlichen Anordnungen zu treffen, „um die Richtigkeit der Daten im Marktstammdatenregister herzustellen“. Hierzu leite sie ein Verwaltungsverfahren ein, „das bei wiederholter Zuwiderhandlung mit Verwaltungszwang durchgesetzt werden kann“.

Betriebsweisen für größere ausgeförderte PV-Anlagen

Schon in den ersten Jahren des EEG hat es auch PV-Anlagen von Betreibergemeinschaften gegeben. Für diese stellt sich nun die Frage, welche geeigneten Überlebensstrategien es für diese Ü20-Photovoltaik-Anlagen gibt. Sie haben 20 Jahre plus das Inbetriebnahmejahr hohe Einspeisevergütungen erhalten. Doch mit der Anschluss-Einspeisevergütung von derzeit etwas mehr als 5 Cent je Kilowattstunde sind sie kaum wirtschaftlich zu betreiben, auch wenn die PV-Module immer noch ihren Dienst tun. Ein defekter Wechselrichter kann hier bereits das Aus bedeuten.

Daher gibt es verschiedene Konzepte für die Altanlagen. Einzelne Betreibergemeinschaften
wie in Erlangen – demontieren die Anlagen und nutzen die Module weiter – zum Beispiel für Balkonsolaranlagen. Auf das freie Dach kommt dann eine neue leistungsstärkere PV-Anlage. Andere rüsten die alten PV-Anlagen um und verkaufen den Strom an die Gebäudeinhaber – recht häufig waren das bei den ersten Anlagen Schulen, deren Dächer zur Verfügung standen. Jetzt kann daraus eine Win-Win-Situation entstehen. Die Schulen erhalten günstigen Strom. Die Betreibergemeinschaften erhalten eine Vergütung, die den Weiterbetrieb ermöglicht.

Übernahme ermöglicht Weiterbetrieb einer Ü20-Photovoltaik-Anlage in Oberndorf

Ein Beispiel ist eine PV-Anlage auf einer Schule in dem zu Rottenburg gehörendenOrtsteil Oberndorf. Sie wird jetzt von der Genossenschaft eER – erneuerbare Energien Rottenburg eG – betrieben. In den ersten Jahren sei das allerdings nicht der Fall gewesen, erklärt Vorstandsmitglied Winfried Santura. Ursprünglich habe eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Sonnenstrom Oberndorf GbR, die Anlage initiiert und viele Jahre als reine Einspeiseanlage genutzt. Doch die Weiternutzung sei in der Konstellation dann zum Ende der EEG-Laufzeit schwierig gewesen. Daher habe die Genossenschaft die Anlage übernommen, berichtet Santura. Für das Betriebsmodell sei es dann einfach gewesen, weil die Genossenschaft sowieso schon andere kommunale Gebäude mit Strom beliefere. 

Aber auch bei diesem Projekt kommt es auf Details an. Die Anlage in Oberdorf hat rund 24 kW Leistung. Zum Glück liege das unter 30 kW, sagt Santura. Denn sonst wäre ein digitaler Zähler und wohl auch ein Umbau der Zähleranlage erforderlich gewesen. Und dies hätte das Projekt, die Ü20-PV-Anlage zu erhalten, wohl gesprengt. Denn viel Geld lasse sich mit  dieser Anlage nicht verdienen. Ziel der Genossenschaft sei es, sie möglichst lange zu erhalten, um regenerativ Strom zu erzeugen. Es müsse sich aber, so Santura, „halbwegs rechnen“. Jetzt funktioniere es, dass der Stromverkauf die Kosten decke.

Aber nicht bei allen Ü20-PV-Anlagen sei das möglich, erklärt Santura. Die Genossenschaft habe auch schon die Übernahme von Anlagen abgelehnt. Es sei wichtig, dass die Anlagen regelmäßig kontrolliert und gewartet werden – sonst seien die Risiken zu groß. Auch ein Messprotokoll sollte vorliegen. In aller Regel kein Problem sei aber das Alter der Module, so Santura. Auch die befürchtete Degradation der Modulleistung sei nicht gravierend. „Die Module sind besser als gedacht“, so sein Fazit. Es sei einfach zu schade, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, die Anlagen nicht weiter zu nutzen.

Autor: Andreas Witt | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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