Netzentgelte: Welche Spielräume lässt das EU-Recht der Bundesnetzagentur bei einer Reform?

Ein Strommast mit Geldscheinen als Symbol für den Rechtsrahmen bei der Reform der Netzentgelte.Grafik: marcus_hofmann / stock.adobe.com
In Deutschland besteht Handlungsbedarf bei den Netzentgelten.
Die Diskussionen über die Neugestaltung der Netzentgelte sind voll im Gange. Die Bundesnetzagentur hat bereits erste Festlegungen erlassen. Doch wie frei ist sie in ihren Entscheidungen? Die Stiftung Umweltenergierecht hat sich den Rechtsrahmen näher angesehen.

Im September 2021 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Sachen Netzentgelte entschieden. Das Gericht stellte fest, dass nationale Gesetze oder Verordnungen die Netzentgeltregulierung in Deutschland nicht vorprägen dürfen. Vielmehr muss die Bundesnetzagentur als nationale Regulierungsbehörde tätig werden. Aktuell diskutiert die Fachwelt verschiedene, teils gegenläufige Vorschläge. Doch welche Vorgaben sind bei der Aus- und Umgestaltung zu beachten? Ein Forschungsteam der Stiftung Umweltenergierecht hat den Rechtsrahmen näher untersucht und die zentralen Punkte herausgearbeitet. Mit der heute veröffentlichten Würzburger Studie zum Umweltenergierecht Nr. 37, „Das EU-Recht der Netzentgelte im Stromsektor – Systematik und Reformbedarf“, hat Tim Schilderoth unter Mitarbeit von Tobias Klarmann, Johannes Hilpert und Markus Kahles ein Prüfschema erarbeitet, das alle denkbaren Ausgestaltungen bei der Reform der Netzentgelte abdeckt. Die Studie zeigt damit der Fachwelt die rechtlichen Spielräume und Grenzen der Bundesnetzagentur bei der notwendigen Reform der Netzentgelte auf.

Abweichungen vom Diskriminierungsverbot bei Reform der Netzentgelte möglich

Das EU-Recht selbst sei in Sachen Netzentgelte ungeordnet und inkohärent. „Hieran hat auch die aktuelle Elektrizitätsbinnenmarktreform nichts geändert. Aber dennoch kann man drei Vorgaben benennen, an denen sich alle Netzentgelt-Ausgestaltungen zu messen haben: Diskriminierungsfreiheit, Effizienz und Transparenz“, sagt Tobias Klarmann.

Vom Diskriminierungsverbot können die nationalen Regulierungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen jedoch abweichen. „Hier gilt es für jeden Umsetzungsvorschlag im Einzelnen zu prüfen, inwieweit eine mögliche Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden kann und ob der Vorschlag auch insgesamt verhältnismäßig ist. Maßstab ist eine Orientierung an den individuell durch die Netznutzenden verursachten Netzkosten“, so Klarmann.

Aktuelle Systematik benachteiligt flexibles Bezugsverhalten

In Deutschland besteht Handlungsbedarf. „Besonders auffällig ist das etwa bei der Netzentgelt-Privilegierung für Großverbraucher, die zumindest in ihrer Grundkonzeption hohe gleichmäßige Strombezüge mit deutlich reduzierten Netzentgelten belohnt“, sagt Johannes Hilpert, Projektleiter der Stiftung im Projekt unIT-e², in dessen Rahmen die aktuelle Studie entstand. Neben der rechtlichen Problematik widerspricht diese Systematik auch dem Ziel eines transformierten, flexibleren Energiesystems. „Eigentlich sollte in einem zunehmend von Wind- und Photovoltaik-Strom geprägten Energiesystem flexibles Bezugsverhalten belohnt werden. Doch durch die aktuelle Regelung wird es im äußersten Fall sogar bestraft“, so Hilpert. Dieser Einschätzung folgt auch die Bundesnetzagentur in einem Eckpunktepapier vom 24. Juni 2024.

Erste Umgestaltungsprozesse zur Reform der Netzentgelte hat die Bundesnetzagentur bereits angestoßen, unter anderem die Festlegungen zu § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Diese beinhalten erstmals die Option eines zeitvariablen Netzentgelts für Betreiber steuerbarer Verbrauchseinrichtungen – wie zum Beispiel Wärmepumpen oder E-Kfz. Eine weitere Festlegung soll die Mehrkosten auf alle Stromkund:innen umlegen, die in Verteilernetzen mit besonders viel erneuerbarer Stromerzeugung entstehen. Der Schweriner Stromversorger Wemag hat bereits angekündigt, aufgrund dieser Festlegung die Strompreise ab Januar 2025 zu senken. Die genaue Höhe der Entlastung steht noch nicht fest.

Die Stiftung Umweltenergierecht veranstaltet am 25. September 2024 ein kostenfreies Online-Seminar zu den Kernergebnissen der Studie. Eine Anmeldung ist unter dem nebenstehenden Link möglich.

Die Würzburger Studie zum Umweltenergierecht Nr. 37 „Das EU-Recht der Netzentgelte im Stromsektor – Systematik und Reformbedarf“ ist unter diesem Link zu finden.

Quelle: Stiftung Umweltenergierecht | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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