Dezentrale KI soll Verteilnetze von Einspeisespitzen durch Solarstrom entlasten

Hand zeigt auf Computer-Bildschirm, der Grafiken von Leistungsverlauf enthält - Verteilnetze entlasten mit KI-SteuerungFoto: HSBI
Forschende der HSBI und der Universität Bielefeld untersuchen bei einem Feldtest in Herford, wie dezentrale Edge-Controller helfen können, das Verteilnetz zu entlasten.

Sowohl die dezentrale Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien als auch die Elektrifizierung bringen die Verteilnetze mancherorts an ihre Grenzen. In Gebieten mit vielen Photovoltaik-Anlagen entstehen mittags Einspeisespitzen. Das Laden von Elektroautos zieht hingegen viel Leistung aus dem Netz. Wo E-Autos beliebt sind, summiert sich auch diese Leistung zu Spitzen, die das Netz an seine Grenzen bringen können. Das Projekt „Artificial Intelligence on the edge for a secure and autonomous distribution grid control with a high share of renewable energies“ (AI4DG) untersucht, wie dezentrale KI helfen kann, durch die Steuerung dieser Anlagen die Verteilnetze zu entlasten.

Initiiert hat das Projekt Professor Jens Haubrock, der am Institut für Technische Energie-Systeme (Ites) der HSBI die Arbeitsgruppe Netze und Energiesysteme (Agnes) leitet. „In unserem Projekt haben wir eine Lösung entwickelt, wie wir die Schwankungen lokal ausgleichen und so das Netz sicher steuern können“, erklärt Elektrotechnikerin Katrin Schulte. Die Forschenden setzen auf dezentrale KI, um die Verteilnetze zu entlasten.

Edge-Computing soll die Netzsteuerung durch KI sicher machen

Dafür arbeiten die internationalen Projektpartner mit verschiedenen Schwerpunkten seit gut drei Jahren zusammen. Die Université Grenoble Alpes und die Universität Bielefeld stellen die KI, wobei sich die Bielefelder um deren verteilten Einsatz kümmert, um das sogenannte Edge-Computing. „Das bedeutet, dass die Daten dezentral genau dort verarbeitet werden, wo sie erzeugt werden. Sie müssen nicht erst zu einer zentralen Verarbeitungsstelle verschickt werden. Das erhöht die Sicherheit und den Datenschutz, und nebenbei auch die Geschwindigkeit,“ erklärt Timon Jungh. Er ist Biomechatroniker an der Universität Bielefeld und forscht am Center for Cognitive Interaction Technology (Citec) in der Arbeitsgruppe von Professor Ulrich Rückert.

Edge-Controller werden mit individuellem Lastgang trainiert

Bei der Umsetzung im Feld helfen schließlich die Industriepartner Atos Worldgrid aus Frankreich und der Bereich „Technik – Netzdigitalisierung“ von Westfalen Weser Netz (WWN) in der Region. Für den Anfang des Jahres gestarteten Feldtest hat WWN ein Gebiet in Herford ausgewählt. Jeder Haushalt hat einen Edge-Controller erhalten, einen weiteren gibt es in der Ortsnetzstation. Vor dem Feldtest zeichneten die Forschenden über Monate das Lastprofil des Haushalts auf. „Mit den erhobenen Daten wurde dann die im Edge-Controller arbeitende KI trainiert“, erklärt Timon Jungh. In Kombination mit den vorausgesagten Wetterdaten kann sie jetzt die Stromerzeugung über die PV-Anlage und den Verbrauch im Haushalt und im Ortsnetz prognostizieren.

Um die Stromflüsse zeitlich verschieben zu können, brauchen die Anlagen außerdem einen Batterie-Speicher. Jeder Haushalt hat einen individuell konfigurierten Edge-Controller erhalten. „Der Controller steuert dann die geplante Ladung und Entladung des Batteriespeichers über den Tag“, sagt Schulte. „An einem sonnigen Tag wie heute wird der Batteriespeicher zum Beispiel nicht sofort voll aufgeladen, sondern es bleibt Platz für die Mittags-Spitzen. Auch die Versorgung der Nachbarhaushalte mit ‚überschüssigem‘ PV-Strom könnte so gesteuert werden.“ Die Regelung kann Engstellen im Verteilnetz so entlasten, dass es mehr Solarstrom aufnehmen kann.

Für flächendeckende Netzentlastung ist Geschäftsmodell nötig

„Unser Ansatz wirkt, wir konnten die prinzipielle Funktionalität nachweisen“, bilanziert Schulte. „Mit Hilfe verteilter KI lässt sich eine netzdienliche Steuerung der Batterieladung erreichen.“ Flächendeckend wird die Technologie jedoch noch nicht umgesetzt werden. „Dafür braucht es noch ein variables System, das mit den unterschiedlichen Ausstattungen der Haushalte umgehen kann und die zeitaufwendige individuelle Abstimmung spart“, sagt Jungh. Schulte ergänzt: „Auch ein Geschäftsmodell ist nötig, das Anreize schafft für den Einbau eines Batteriespeichers und die eventuelle Versorgung der Nachbarn mit PV-Strom. Es gibt schon Überlegungen zu Nachfolgeprojekten, um den Ansatz weiter auszubauen“, sagt Schulte.

Bisher werden Nieder- und Mittelspannugsnetze kaum automatisiert gesteuert – dabei könnte dies helfen, die neuen Herausforderungen zu bewerkstelligen. Das besagt auch eine Studie der Energietechnischen Gesellschaft (ETG) im VDE. Die Studie der VDE ETG betont auch die Bedeutung der Cybersicherheit.

Etabliert sind im Markt hingegen Energiemanagementsysteme, die dafür sorgen, dass möglichst viel Solarstrom direkt vor Ort verbraucht wird. Sie rechnen sich auch ohne zusätzlichen finanziellen Anreiz, da durch mehr Eigenverbrauch die Wirtschaftlichkeit der Solaranlage steigt. Je nach Verbrauchsprofil kann das auch zu einer Entlastung im Verteilnetz führen – allerdings eher als Nebeneffekt, denn über den Lastverlauf und Engpässe im Netz haben diese Steuerungen gar keine Informationen.

Quelle: HSBI | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

Schließen