EU stärkt Eigenversorgung mit Erneuerbaren Energien

Foto: Erich Westendamp / pixelio.de
Mit der neuen Erneuerbare-Energien-Richtlinie wird die Europäische Union das Recht auf erneuerbare Eigenversorgung europaweit verankern. In einer Stellungnahme erläutert der auf Energierecht spezialisierte Rechtsanwalts Dr. Philipp Boos, dass die Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie diverse Änderungen vornehmen muss.

Zum ersten Mal erhalten Stromverbraucher europaweit das Recht, Strom selbst zu erzeugen, zu speichern und zu verkaufen, ohne dass sie dabei mit diskriminierenden Vorgaben, unverhältnismäßigen bürokratischen Hindernissen oder Abgaben und Umlagen belastet werden dürfen. Dies hat das Europäische Parlament am 13. November 2018 im Rahmen der Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EE-Richtlinie) beschlossen.
Das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) sieht darin die historische Chance, dass bisher passive Verbraucher zukünftig massenhaft zu aktiven Eigenversorgern werden können.
 
„Damit wird die deutsche Rechtspraxis, Eigenversorgung bei Anlagen ab zehn Kilowatt pauschal mit einer anteiligen EEG-Umlage von derzeit 40 Prozent zu belegen, nicht mehr zulässig sein“, sagte Dr. René Mono, Vorstand des BBEn auf einer Pressekonferenz des Bündnissen heute in Berlin. Das BBNe hat den renommierten Energierechtsanwalt Dr. Philipp Boos mit einer Expertise beauftragt, was die Umsetzung der EE-Richtlinie für das deutsche Energierecht bedeutet.

Der Energierechtler sieht zukünftig Handlungsbedarf im deutschen Energierecht. „Die EE-Eigenversorgung aus Anlagen mit einer Leistung unter 30 Kilowatt muss von allen Abgaben, Umlagen und Gebühren freigestellt werden. Das gilt jedenfalls, sofern für die Anlage keine Förderung nach dem EEG oder KWKG in Anspruch genommen wird“, so Dr. Philipp Boos auf der Pressekonferenz. Eine frühere Inanspruchnahme einer Förderung sei dabei unschädlich. So sind beispielsweise Anlagen, die nach 20 Jahren aus der Förderung nach Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) herausfallen, zukünftig von Abgaben und der EEG-Umlage zu befreien. Außerdem besteht beim Überschussstrom, der in das Netz eingespeist wird, Anspruch auf eine Vergütung zu Marktpreisen. Diese Vergütung stelle keine Förderung dar, die einer umlagefreien EE-Eigenversorgung entgegenstehe.

Zwar lässt die neue EU-Richtlinie für bestimmte Ausnahmefälle eine Belastung der EE-Eigenversorgung zu. So können im nationalen Recht Erneuerbare Energie-Anlagen mit einer Leistung über 30 kW oder nach dem EEG geförderte Anlagen mit Abgaben, Umlagen und Gebühren belegt werden. „Eine Belastung mit der EEG-Umlage und anderen Abgaben darf aber nur erfolgen, wenn durch diese Abgaben die Förderung der Anlage nicht wirtschaftlich untergraben wird“, so Dr. Boos weiter. Diese Regelung setzt eine Einzelfallprüfung voraus, deren Umsetzung zu einem unverhältnismäßig hohen bürokratischen Aufwand führen könnte. Daher fordert das Bündnis Bürgerenergie: Eigenversorgung aus Erneuerbaren Energien sollte generell von der EEG-Umlage befreit werden. Mindestens aber gebietet eine sinnvolle Umsetzung des Europarechts, alle Anlagen bis 30 Kilowatt freizustellen.  

Chance zur dezentralen Mitmach-Energiewende

Das Bündnis Bürgerenergie ist überzeugt, dass mit der EE-Richtlinie auch die Rechte für Bürgerenergiegesellschaften gestärkt werden. Sie erhalten nicht nur die gleichen Rechte wie Stromverbraucher, sondern auch weitere Möglichkeiten. So darf Mieterstrom ohne Begründung nicht anders behandelt werden als individuelle Eigenversorgung. Und die Bürgerenergiegesellschaften können Energie innerhalb ihrer Gemeinschaft teilen. Dafür bedürfe es in Deutschland allerdings Anreize und weniger bürokratische Hürden für Micro Grids, also gemeinschaftliche Netze, mit denen die Mitglieder von Erzeuger-und-Verbraucher-Gemeinschaften verbunden sind. Zu den Rechten von Bürgerenergiegesellschaften hat das Bündnis Bürgerenergie Dr. Philipp Boos mit einer weiteren rechtlichen Stellungnahme beauftragt, die im Frühjahr 2019 erscheinen soll.

„Das Bündnis Bürgerenergie sieht für Deutschland eine historische Chance zur dezentralen Mitmach-Energiewende, wenn die Erneuerbare-Energien-Richtlinie klug in nationales Recht umgesetzt wird“, so Dr. René Mono. So könne der Weg geebnet werden, dass aus passiven Verbrauchern aktive Eigenversorger werden. Über einen Bürgerstromhandel können Eigenversorger zudem ihre erzeugte Energie in der Nachbarschaft verkaufen, beispielsweise durch digitalen Handel. Dazu wird Gelegenheit sein, wenn 2019 oder 2020 das EEG und das Energiewirtschaftsgesetz reformiert werden.
Zeitgleich mit der energierechtlichen Expertise „Europäische Förderung der Eigenversorgung aus EEG-Anlagen“ veröffentlicht das Bündnis Bürgerenergie den Bericht „Regionale Entwicklung mit Bürgerenergie“. Der Bericht stellt systematisch dar, welche Vorteile Bürgerenergieprojekte für die regionale Entwicklung haben, und enthält ein Interview zur EE-Richtlinie mit Dr. Philipp Boos. Sowohl die energierechtliche Expertise als auch der Bericht „Regionale Entwicklung mit Bürgerenergie“ werden zudem auf dem heute beginnenden Bürgerenergie-Konvent in Lutherstadt Wittenberg der Bürgerenergie-Community vorgestellt.

Die vollständige Stellungnahme ist hier zu lesen.
23.11.2018 | Quelle: Bündnis Bürgerenergie e.V.  | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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