Photovoltaik-Spitzenreiter in Deutschland: 5 Gemeinden im Norden führen die Solarstrom-Produktion an

In Brandenburg und Schleswig-Holstein liegen fünf Orte, an denen  die Photovoltaik besonders intensiv genutzt wird. Nirgendwo sonst in Deutschland ist mehr Solar-Leistung zur Stromerzeugung installiert.

Solarserver-Gastautor Björn-Lars Kuhn (Proteus Solutions) stellt die Top 5-Solargemeinden im September 2012 in der Rubrik Solar-Anlagen des Monats vor.
Finsterwalde in Brandenburg ist die Top-Solarkommune in Deutschland. Foto: Die Photovoltaik-Kraftwerke im Solarpark Finsterwalde sind mit mehr als 80 MWp die größte deutsche Solarstromanlage. Bild: Q-CellsEnergiewende beschleunigt
Vor dem Hintergrund sich ändernder Förderbedingungen für Solarenergie und den schon länger anhaltenden Diskussionen zwischen Politik und der Solar-Industrie zeigen diese Gemeinden, wie die Energiewende in die Tat umgesetzt werden kann.
Sie ebnen Unternehmen und Privatleuten den Weg zur Installation sauberer Sonnenkraftwerke und widerlegen die Kritik, die Energiewende würde nicht wirklich Fahrt aufnehmen. Da wird nicht gebremst; da wird gebaut und umweltverträglich Strom produziert!
Selbstverständlich geht das auch in kleinen Gemeinden nicht im Eilverfahren. Verwaltungsverfahren müssen ordnungsgemäß durchlaufen werden, und insbesondere Fragen zum Naturschutz werden genauestens unter die Lupe genommen. Erst wenn alle offenen Punkte geklärt sind, steht der Umsetzung von Photovoltaik-Projekten jeder Größenordnung nichts mehr im Wege.

Auf Basis der aktuellen Daten der Bundesnetzagentur, in der Solarstromanlagen bis einschließlich Juni 2012 erfasst sind, ergibt sich folgende Rangliste*:

Platz 1:
03238 Finsterwalde, Brandenburg, Landkreis Elbe-Elster mit insgesamt 96.141 Kilowatt (kW) Anlagenleistung, bei 187 installierten Solarstromanlagen
Platz 2:
24852 Eggebek, Schleswig-Holstein, Landkreis Schleswig-Flensburg mit insgesamt 88.180 kW Anlagenleistung, bei 115 installierten Anlagen
Platz 3:
01968 Senftenberg, Brandenburg, Landkreis Oberspreewald-Lausitz mit insgesamt 84.005 kW Anlagenleistung, bei 67 installierten Anlagen
Platz 4:
16909 Wittstock/Dosse, Brandenburg, Landkreis Ostprignitz-Ruppin mit insgesamt 77.309 kW Anlagenleistung, bei 157 installierten Anlagen
Platz 5:
03185 Turnow-Preilack, Brandenburg, Landkreis Spree-Neiße mit insgesamt  73.789 kW Anlagenleistung, bei 136 installierten Anlagen

Mehr als 300 Millionen Kilowattstunden Solarstrom pro Jahr sparen rund 250.000 Tonnen CO2 ein
Die etwa 419 Megawatt (MW) Gesamtleistung, welche die Gemeinden zusammen bereithalten, liefern jährlich mehr als 300 Millionen Kilowattstunden Solarstrom. Dies entspricht dem jährlichen Strombedarf von mehr als 85.000 Haushalten. Aber die Sonnenkraftwerke liefern nicht nur sauberen Strom, sondern sparen auch jährlich rund 250.000 Tonnen des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 ein.
Daten der Bundesnetzagentur zeigen, dass durchweg Anlagengrößen in großer Bandbreite realisiert wurden. Private oder industrielle Dachanlagen im Bereich von 5 kW bis 300 kW sind ebenso vorhanden, wie große Megawatt-Parks.
Finsterwaldes Bürgermeister Gampe hat den Produktionsfaktor Energie im AugeGerne haben die Gemeinden ihr Engagement für die Solarenergie erklärt: So beispielsweise Finsterwalde, die Solargemeinde Nummer 1.
Gelegen im Süden Brandenburgs und damit in einer Region, die geprägt ist von reichlich Sonnenschein, lebt Finsterwalde ihr Motto  "Sängerstadt Finsterwalde – Bei uns spielt die Musik" auch auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien."Dass wir mit rund 100 MW installierter Leistung im Bereich der Solarenergie ganz weit vorn rangieren würden, wussten wir", so Bürgermeister Jörg Gampe.
"Nun aber bestätigt zu bekommen, dass damit auch Platz 1 in ganz Deutschland verbunden ist, das freut uns natürlich ganz besonders und erfüllt uns auch mit gewissem Stolz", so Gampe weiter.
Die Solarstromanlagen konkurrieren nicht mit einer möglichen landwirtschaftlichen Nutzung, da sie auf ehemaligem Bergbaugelände und damit auf so genannten Konversionsflächen errichtet wurden. Finsterwalde beschreitet damit neue Wege in einer historisch geprägten Energieregion.
"Auch künftig wird Finsterwalde mit dem Schlüsselthema Energie verbunden sein, insbesondere weil wir hier vor Ort eine starke industrielle Struktur haben, die den Produktionsfaktor Energie natürlich im Auge hat", so der Bürgermeister ergänzend. "Ein nachhaltiger, sauberer und vor allem bezahlbarer Energiemix ist daher notwendig, um den erneuerbaren Energien auch die notwendige Akzeptanz zu verschaffen".

Verstärktes Engagement der Stadtwerke
Seitens der Stadt gilt es in diesem Zusammenhang, für die notwendige Bewusstseinsbildung und Wertschöpfung vor Ort zu sorgen. Ein Baustein auf diesem Weg ist das verstärkte Engagement der Stadtwerke in Sachen erneuerbare Energien. Regionale Akteure sind die besten Multiplikatoren, um die Energiewende zu erklären und voranzubringen. In Finsterwalde werden daher planerische Weichen unternehmerfreundlich gestellt und die Voraussetzungen geschaffen, um in der Stadt zu investieren.
Für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien ist es jedoch notwendig, dass der Energietransfer im doppelten Sinne realisiert wird: Es gilt, den erzeugten Strom durch den Ausbau der Leitungsnetze zum Abnehmer zu transportieren und die Entwicklung von Speichermedien voranzutreiben. Die Bedingungen in Finsterwalde sind dafür mehr als günstig und erlauben es, dass die Sängerstadt auch künftig im Hinblick auf erneuerbare Energien den Ton angibt.

Solarpark in Turnow-Preilack hat bereits mehr als 200 Millionen Kilowattstunden Solarstrom produziertDass der Bau einer großen Solarstromanlage nicht immer reibungslos verläuft, ist aus der Zusammenfassung der Gemeinde Turnow-Preilack ersichtlich. Dort waren erhebliche Altlasten während der Bauphase zu beseitigen, da der Solarpark auf ehemals militärisch genutztem Gelände gebaut wurde.
Jetzt profitieren Natur und Besucher: Seit nunmehr 3 Jahren ist das Photovoltaik-Kraftwerk Lieberose am Netz und hat mehr als 200 Millionen Kilowattstunden CO2-freien Solarstrom produziert.Gefährliche Altlasten beseitigt
Vor fast 2 Jahren ist eine Erweiterung ans Netz gegangen, so dass nun 71 MW PV-Leistung installiert sind. Auf mehr als 500 Hektar wurden gefährliche Abfälle und Munition geräumt. Insbesondere Chlorverbindungen wurden beim Übungsbetrieb der chemischen Truppen verwendet und gelangten ins Grundwasser.
Im Laufe der Zeit wurden 718 Fässer mit beispielsweise Chlorpekrin gefunden. Darüber hinaus wurden 118 Minen und 1.892 Granaten in der Größe von 5 x 5 cm, 950 Raketen und vieles mehr geräumt. Zudem wurden unzählige ausgeschlachtete Altbatterien gefunden, die vermutlich kurz nach der Wende auf dem Truppenübungsplatz abgeladen wurden.
Im Juli 2009 wurde dann etwas gefunden, was bisher alle vermutet haben, was aber bisher aber nicht nachgewiesen werden konnte – eine Kiste, so groß etwa wie der Verbandkasten im Kfz, mit tödlichem Inhalt. Darin waren Gläschen mit mehreren Gramm Yperit, Diphosgen, Blausäure, Lewisit oder Adamsit, die glücklicherweise fachgerecht entsorgt werden.
Die gesamte Entsorgung hat der Landesbetrieb Forst mit mehreren Millionen Euro vorfinanziert, die erst im Laufe der Zeit über die Beteiligung an der Energieeinspeisung wieder zurückfließen. So konnte eine große Fläche für die Waldbesucher wieder gefahrlos begehbar gemacht werden.Solarparks und Artenschutz
Doch auch für den Artenschutz hat der Bau des Solarparks positive Wirkungen: Die Flächen werden jährlich kontrolliert, um die Artenzusammensetzung bei Tieren und Pflanzen gegenüber dem optimalen Zustand einzuschätzen.
Die Flächen um die Solarparks sollen dem Biotoptyp "Trockene europäische Heiden" entsprechen. In diesem Zustand sind sie auch vor einigen Jahren unter Schutz gestellt und als Europäisches Schutzgebiet ausgewiesen worden. Auf Grund der Gefahren, die von Munition und Altlasten ausgingen, war jedoch eine Beweidung oder eine Entnahme von Bäumen nicht möglich. So verschlechterte sich der Biotopzustand immer mehr. Besonders die Vogelarten Heidelerche und Brachpieper fanden nicht mehr optimale Brutbedingungen.
Durch die jährliche Pflege, finanziert durch den Betreiber der Parks, kann der optimale Zustand für die Vogel- und Pflanzenarten erhalten werden. Gerade zur Heideblüte kann dort die Schönheit der Natur bewundert werden.
Mit den jährlichen Einnahmen aus der Stromerzeugung wird die Forstverwaltung auch weiterhin Flächen der Lieberoser Heide von Altlasten und Munition befreien und für Waldbesucher öffnen.

Photovoltaik-Module stammen aus der Region
Die Mehrzahl der verbauten Photovoltaik-Module (90 %) wurden in Frankfurt/Oder hergestellt und haben dort für mehrere Monate rund 600 Beschäftigten Arbeit gegeben. Sollten die Module nach 20 Jahren abgebaut werden, ist bereits jetzt eine Bankbürgschaft hinterlegt worden, um sie mit diesem Geld zu entsorgen.
Der Eigentümer der Fläche ist jedoch daran interessiert, dass zu diesem Zeitpunkt wieder die modernsten Photovoltaik-Module auf die dann immer noch funktionstüchtigen Gestelle montiert werden, um weiterhin umweltfreundlich Solarstrom erzeugen zu können.
Bei der Eröffnung des Parks im August 2009 wurde von einem ökologischen Leuchtturmprojekt gesprochen (siehe auch www.solarpark-lieberose.de). Diese Feststellung gilt nach wie vor, denn neben den Arbeitsplätzen haben auch der Natur- und Umweltschutz von der Anlage profitiert.
Solarparks der Megawatt-Klasse haben im Vergleich zu konventionellen Kraftwerken einen entscheidenden Vorteil: Sie können in sehr kurzer Zeit installiert und ebenso schnell am Ende der Laufzeit zurückgebaut werden.

Solarstrom-Produktion auf ehemaligen Tagebauflächen
Auch die Gemeinde Senftenberg blickt mit Stolz auf ihre großen Solarparks, wie einige Statements deutlich machen.Zur Einweihung im September 2011 sagte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck: "Solare Großkraftwerke wie die Anlagen hier in Senftenberg und Schipkau spielen eine immer wichtigere Rolle für die Deckung des Energiebedarfs von Deutschland und beschleunigen die angestrebte Energiewende. Brandenburg ist im Vergleich zu anderen Bundesländern führend beim Ausbau und bei der Förderung erneuerbarer Energien."Senftenbergs Bürgermeister Andreas Fredrich begrüßt die getätigten Investitionen: "Aufgrund hoher Sonneneinstrahlung, der Vielzahl ehemaliger Tagebauflächen sowie ausgebauter Energienetze ist unsere Region ein idealer Standort für große Photovoltaik-Anlagen. Unsere Stadt profitiert nicht nur von den zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen, sondern auch von den lokal vergebenen Bau- und Betriebsführungsaufträgen."

Ausgleichsflächen für den Naturschutz
Besonderes Augenmerk wurde bei der Planung der Anlage auf die Berücksichtigung naturschutzrechtlicher Belange gelegt. Torsten Käsch, Geschäftsführer des Projektentwicklers unlimited energy GmbH, erläutert: "Für die Feldlerche haben wir insgesamt 24 Hektar Ausgleichsflächen außerhalb der Photovoltaik-Anlage eingerichtet. Darüber hinaus sind die PV-Modulreihen eingebettet in Wind- und Grünschutzstreifen, die als Lebensraum für Vögel bedeutsam sind."Werden Megawattparks geplant, regt sich in vielen Fällen Widerstand. Dass dieser jedoch überwunden werden kann und die ökologischen Belange bei jedem Bau berücksichtigt werden können, zeigen diese Beispiele. Im Falle des Solarparks Lieberose ist die Umwelt sogar sauberer als zuvor. Der Solarserver gratuliert den Gemeinden zu ihrem wirtschaftlichen und ökologischen Erfolg.
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* Die Auswertungen basieren auf den Daten der Bundesnetzagentur bis inkl. Juni 2012 und sind bezogen auf die Postleitzahl. Bei Großanlagen kann die installierte Leistung größer sein. Dann wurden die Anlagenteile jedoch nicht unter gleicher PLZ registriert.

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