Gesellschaft für Nachhaltigkeit (GfN): Solare Wärmewende für die Haushalte jetzt einleiten!

29.10.2004 Die Gesellschaft für Nachhaltigkeit, Neue Umweltökonomie und nachhaltigkeitsgerechtes Umweltrecht e.V. (GfN) ist ein Netzwerk von Praktikern, Lehrenden und Lernenden, die inhaltlich und praktisch an Strategien für eine dauerhafte Entwicklung arbeiten, die vom "Verbrauch" der natürlichen Grundlagen auf deren "Benutzung" umstellt. Eine Entwicklung, die darauf zielt, von den Zinsen zu leben, statt vom Kapital. In […]

29.10.2004

Die Gesellschaft für Nachhaltigkeit, Neue Umweltökonomie und nachhaltigkeitsgerechtes Umweltrecht e.V. (GfN) ist ein Netzwerk von Praktikern, Lehrenden und Lernenden, die inhaltlich und praktisch an Strategien für eine dauerhafte Entwicklung arbeiten, die vom "Verbrauch" der natürlichen Grundlagen auf deren "Benutzung" umstellt. Eine Entwicklung, die darauf zielt, von den Zinsen zu leben, statt vom Kapital. In ihrem Positionspapier fordert die GfN ein abgestimmtes Gesamtkonzept für die solare Wärmewende, das auch eine nationale Baupflicht für Solarwärmeanlagen nach dem Vorbild von Barcelona und Vellmar umfasst.Die GfN kritisiert, dass die Bundesregierung in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie für die Energiewende auf dem Wärmemarkt keine zukunftsfähigen Antworten gibt. Das enorme Potenzial des solaren Bauens müsse für den Klimaschutz endlich erschlossen werden.

Wirtschaftliche Unabhängigkeit vom Erdöl und wirksamer Klimaschutz

Es ist paradox: die Folgen des Klimawandels und die Knappheit der fossilen Energieträger werden deutlicher und schneller sichtbar als befürchtet, die öffentliche Meinung spricht sich aber, z.B. bei der ökologischen Steuerreform, gegen weitere politisch-rechtliche Instrumente aus. Mit den bislang beschlossenen Maßnahmen wird die Bundesregierung die gesetzlich verankerten Klimaschutzziele nicht erreichen können. Insbesondere für die Haushalte, die etwa ein Drittel des Endenergieverbrauchs in Deutschland verursachen, existiert kein ausreichendes Konzept.
Die Chance für ein Umdenken ist jetzt greifbar: Die Stadt Vellmar ist für ihr Solarpflicht-Projekt mit dem Deutschen Solarpreis 2004 ausgezeichnet worden. Die Idee wurde in Berlin geboren und im Jahr 2000 in der katalanischen Hauptstadt Barcelona umgesetzt. In der Laudatio zum Deutschen Solarpreis 2004 an die Stadt Vellmar heißt es:
"Der städtebauliche Vertrag der Stadt Vellmar ist bundesweit die erste Baupflicht für thermische Solaranlagen. In einem bisher einmaligen Konzept hat sich Vellmar das Ziel gesetzt, das gesamte Neubauviertel "Auf dem Osterberg" (350 Wohneinheiten) mit solarer Wärme zu versorgen. (…) Das Vellmarer Projekt legt damit als Pilotprojekt den Grundstein für eine zukünftige deutschlandweite Baupflichtverordnung für Erneuerbare Energien."
Dr. Hermann Scheer, MdB, Träger des Alternativen Nobelpreises und Präsident von Eurosolar

Haushalte sind abhängig vom Öl

Eine solare Wärmewende ist im Interesse der Bevölkerung. Die deutschen Haushalte sind die eigentlichen Verlierer des Ölpreisschubs. Selbst wenn sie ihre Heizungen mit Erdgas feuern: der Erdgaspreis ist immer noch an den Ölpreis gekoppelt. Den Verbrauchern drohen also in diesem Winter hohe Heizkosten, was die Kaufkraft der Bevölkerung erheblich schwächen kann. Die Binnenkonjunktur könnte hierdurch weiter Schaden nehmen und den Aufschwung der deutschen Wirtschaft ausbremsen.

Haushalte sind Verursacher des Klimawandels

Alle Experten sind sich darüber einig, dass die Haushalte zum Klimaschutz beitragen müssen, nur das Wie ist nicht geklärt. Das im Sommer 2004 in Kraft getretene Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen legt nationale Emissionsziele für CO2-Emissionen in Deutschland fest. In den Jahren 2005, 2006 und 2007 darf Deutschland nicht mehr als 859 Millionen Tonnen CO2 je Jahr verursachen; davon der Sektor "Verkehr und Haushalte" 298 Tonnen CO2. Dem steht ein Ausstoß von 311 Tonnen CO2 im Jahr 2001 gegenüber.

Potenziale der Solarwärme

Neben der Wärmeschutzsanierung des Gebäudebestandes weist die Wärmegewinnung durch erneuerbare Energien das größte Potenzial auf. Durch eine aktive Politik für die solare Wärmewende, wie sie hier vorgeschlagen wird, könnte die Solarkollektorfläche von heute vier Mio. auf 25 Mio. im Jahr 2012 ausgedehnt werden. Nach einer zurückhaltenden Schätzung könnten dadurch 2,5 Mio. Tonnen CO2 je Jahr im Haushaltssektor eingespart werden. Viel wichtiger ist aber, dass die Berücksichtigung von Sonnenkollektoren bei der Planung von Häusern und Siedlungen einen Paradigmenwechsel hin zu einer an der Sonne orientierten Bauleitplanung bewirken kann. Ein Durchbruch des Solaren Städtebaus in Deutschland würde noch viel größere Potenziale zur CO2-Reduktion erschließen. Diese Chance darf nicht verspielt werden.

Klimaschutzpolitik am Scheideweg

Um diesen Beitrag der Solarwärme für einen effektiven Klimaschutz und eine Reduzierung der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Haushalte vom Öl zu erreichen, muss die Bundesregierung eine neue Strategie verabschieden. Die alleinige Fixierung auf staatliche Zuschüsse (110 €/qm Kollektorfläche) durch das Marktanreizprogramm ist nicht ausreichend.
Die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung steht am Scheideweg; die Ziele drohen zur Makulatur zu werden. Mit dem Emissionshandel hat die Regierung bereits bis 2012 festgeschrieben, dass die Industrie noch nicht einmal ihre Zusagen aus der Selbstverpflichtung zum Klimaschutz einhalten muss. Die Aussetzung der Ökologischen Steuerreform kann im Verkehrssektor dazu führen, dass auch von dort kein Beitrag zum Klimaschutz mehr zu erwarten ist. Allerdings ist unbekannt, wie sich der internationale Rohölpreis in den nächsten zwei Jahren entwickelt. Sollte er wie in den 80er Jahren für eine Übergangszeit noch einmal sinken, wird das Verkehrsaufkommen weiter wachsen. Dann bliebe als Hoffnungsschimmer allein der Haushaltssektor übrig. Doch auch hier werden die Einsparpotenziale durch die Energieeinsparverordnung (EnEV) und das Gebäudesanierungsprogramm der KfW bei weitem nicht ausgeschöpft. Erforderlich ist ein Konzept für die solare Wärmewende.

Konzept für die solare Wärmewende

Die schnelle Substitution von Erdöl und Erdgas durch Solarwärme ist volkswirtschaftlich und ökologisch sinnvoll. Deshalb fordert die GfN dynamische Wachstumsziele für die Solarwärme und ein abgestimmtes Gesamtkonzept für die solare Wärmewende:

  • Bis Ende 2005: Fortführung des Marktanreizprogramms ohne Abstriche
  • Ab Anfang 2006:
    – Einführung einer bundesweiten Solar-Pflicht bei Neubauten und umfassenden Sanierungsmaßnahmen im Zuge der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie
    (Vorschlag: Novelle des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG) des Bundes vom 22.7.1976 und Verankerung einer Mindestpflicht für die solare Warmwasserbereitung in der Energieeinsparverordnung (EnEV))
    – Reform des Marktanreizprogramms (Vorschlag: im Neubaubereich sollten Zuschüsse nur an Bauherren vergeben werden, die zusätzlich zur Mindestpflicht der Wassererwärmung eine solare Heizungsunterstützung vorsehen)
    – Alternativ könnte ein Bonus-Malus-Systems zur Förderung der Solarwärme angelehnt an das Konzept des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) eingeführt werden. Hierzu müssen aber praktikable Konzepte für ein Wärme-EEG entwickelt werden.

Verantwortlich: Prof. Dr. Holger Rogall, MdA Berlin, Vorsitzender der GfN ; Fabio Longo, Stadtverordneter Vellmar, Stellv. Vorsitzender der GfN
Weiterführende Literatur von Fabio Longo und Holger Rogall:

  • Politik für eine "Solar-City", SOLARZEITALTER Heft 3 2004, S. 33/34.
  • Der Vellmarer Weg, die neue Solarverordnung im Vergleich, SONNENENERGIE Heft 3 2004, S. 29-31;
  • Baupflichten: Motor des Kollektormarktes, Sonne Wind & Wärme Heft 4 2004, S. 46-48;
  • Baupflichten für Solaranlagen, Deutsche Bauzeitschrift DBZ Heft 2 2004, S. 78/79.
  • www.solarserver.de: mehrere Beiträge zum "Vellmarer Weg" und zu Solaren Pflichten im Siedlungsbau (Suchbegriff: Vellmar)

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