Eicke Weber im Interview: Den PV-Zukunftsmarkt für uns behaupten

Solarthemen 443. Prof. Dr. Eicke Weber ist Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Schon seit einigen Jahren wirbt er für den Aufbau einer neuen Solarfabrik im Rahmen eines europäischen Konsortiums mit einer Produktionskapazität von mindestens einem Gigawatt. Beteiligt am Konsortium sind neben dem ISE auch das französische Institut National de l’Energie Solaire ­­CEA-INES und das Schweizer Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique CSEM. Die Solarthemen sprachen mit Prof. Weber am Rande des Photovoltaik-Symposiums in Bad Staffelstein über die aktuellen Chancen und den Sinn einer großskaligen Produktion in Europa.

Solarthemen: Warum eine neue X-Gigawatt-Solarfabrik in Europa?

Eicke Weber: Die Herausforderung ist, dass wir im Moment dabei sind, die Produktion von Solarzellen und -modulen vollständig zu verlieren. China hat in den vergangenen Jahren mit enormer staatlicher Unterstützung eine gigantische Produktionskapazität aufgebaut. Dadurch fielen die Preise innerhalb von vier Jahren um 75 Prozent und die Solarproduktion in Deutschland war weitgehend nicht mehr rentabel. Sie wurde nur noch gerettet durch ausländische Investitionen. Das ist die Ausgangssituation. Wir sehen aber, dass die Photovoltaik gerade erst am Beginn ihrer großen Erfolgsgeschichte ist. Verglichen mit der Automobilindustrie sind wir da, wo die Autos 1920 waren. Es gibt schon Autos, die man fahren kann und die auch ganz vernünftig funktionieren, aber das große Wachstum der Industrie haben wir noch vor uns. Wir sind also in der Situation, dass wir uns fragen müssen, ob wir diesen wirklich spannenden, wichtigen Zukunftsmarkt anderen, etwa den Chinesen, überlassen wollen. Ich bin ganz dezidiert der Meinung, dass das ein Riesen-Fehler wäre. Wir haben ja auch schon erlebt, wie die Mikroelektronik und die Flachbildschirmtechnologie praktisch bis auf kleine, noch existierende Nischen aus Deutschland und Europa verschwunden sind. Ich finde, das sollten wir uns bei der Photovoltaik nicht erlauben – und besonders deswegen nicht, weil wir ja in der Photovoltaik noch einige wesentliche Technologieentwicklungen vor uns haben.

Doch worin würde der Unterschied einer Fabrik, wie sie Ihnen vorschwebt, zu denen bestehen, die es bereits gibt?

Der Unterschied ist die Technologie. Die Technologie, an die wir denken, basiert auf den sogenannten selektiven Kontakten. Das heißt, man nimmt einen kristallinen Siliciumwafer und bringt eine dünne Schicht z.B. von amorphem Silicium auf, quasi wie eine Membran, die nur eine Sorte der durch Absorption der Sonnenstrahlung entstehenden Ladungsträger zu den Kontakten durchlässt. Auf diese Schichten werden transparente Kontakte aufgebracht, die einen sehr effizienten Ladungsträgerabtransport ermöglichen. Der absorbierende Halbleiter berührt die Kontakte nicht mehr, und so erzielt man hervorragende Rekombinationseigenschaften. Das Spannende an der Technologie ist die Kombination der besten Effizienz, die es im Silciumbereich gibt, mit vernünftigen Produktionskosten. Es gibt diese Heterostruktur-Technologie schon unter dem Namen HIT seit vielen Jahren von Panasonic in Japan, aber zu sehr hohen Produktionskosten. Diese Module haben hier in Europa kaum eine Chance, weil sie sehr teuer sind. Nur weil der japanische ein relativ abgeschotteter Markt war, konnten diese Module dort verkauft werden. Unser Ansatz ist es, das ganz billig zu machen. Wir wollen Premiummodule produzieren zu Preisen, die mit chinesischen Billigmodulen konkurrenzfähig sind.

Wenn Sie sagen, dies sei eine ganz neue Technologie, also auch eine neue Produktionstechnik, wäre man denn überhaupt schon in der Lage, eine solche Fabrik zu bauen?

Wir schlagen vor, dies in zwei Stufen zu tun. In der ersten Stufe soll eine echte Fabrik mit 24 Stunden Produktion, aber eben limitiert in der Größe auf 90 Megawatt Jahresproduktionskapazität errichtet werden. Und in dieser Fabrik kann man dann am Feintuning arbeiten und all die Probleme lösen, die sicherlich entstehen werden, weil es eine neue Technologie ist, bevor man die große gigawattskalige Fabrik baut.

Man könnte diese Technologie also nicht in bestehenden Fabriken nutzen, weil es mit deren Produktionstechnik nicht kompatibel wäre.

Das ist der Punkt. Bei der Fortentwicklung der heutigen Feld-Wald-Wiesen- Aluminium-Backsurface-Field-Technologie, kurz Al-BSF, die über 80 Prozent Marktanteil hat, zur Passivated Emitter and Rear Contact-Technologie, kurz PERC, kann man die existierenden Produktionslinien verwenden. Es müssen nur ein paar Teile ausgetauscht werden. Das ist ein inkrementeller Fortschritt, der insbesondere an unserem und anderen europäischen Instituten entwickelt wurde und nun von den europäischen Anlagenherstellern weltweit zur Aufrüstung bestehender Linien führt. Doch bei der Hetero-Technologie ist es viel vernünftiger, eine neue Linie in einem Zug zu bauen.

Sie werben schon eine ganze Zeit lang für diese X-Gigawatt-Fabrik. Suchen Sie denn vor allem einen Investor oder geht es um öffentliche Förderung?

Es geht eindeutig hauptsächlich um den Investor. Bis Mitte letzten Jahres waren wir in aussichtsreichen Verhandlungen mit einem sehr potenten französischen Investor. Aber dann hat diese Firma im August beschlossen, sich wegen eigener Schwierigkeiten ganz aus dem Solarsektor zurückzuziehen. Das hat uns Zeit gekostet, denn praktisch haben wir erst dann ernsthaft angefangen, selber nach Investoren zu suchen, die mit einer hohen Beteiligung in das Projekt einsteigen könnten. Jetzt haben wir da einiges in der Pipeline und wir müssen schauen, in welcher Konstellation es funktioniert. Jeder Investor hat dann auch gewisse Vorstellungen über den Standort. Der französische Investor wollte einen Standort in Frankreich. Wenn es ein anderer Investor ist, dann sind auch andere Standorte denkbar.

In welchem Maße spielt öffentliche Förderung eine Rolle? Sie haben sich ja auch darum bemüht, die X-Gigwatt-Fabrik auf den Investitionsplan der Europäischen Union zu bekommen?

Es geht um den Teil, der durch Kredite finanziert werden soll. Da ist die Europäische Investitionsbank eine hervorragende Adresse. Für den Kreditanteil ist entscheidend, dass er zinsgünstig ist, wie es mit Kreditgarantien leicht zu bekommen wäre. Diese wünschen wir uns von der öffentlichen Hand und der Europäischen Union.Darüber hinaus ist es aber auch von großer Bedeutung, dass die Europäische Union an die Investoren ein Signal sendet und sagt: Ja, wir wollen für einen verlässlich wachsenden PV-Markt in Europa sorgen und wir wollen mithelfen, dass wieder eine starke europäische Solarindustrie entsteht. Die Verunsicherung der Investoren ist für uns heute das größte Problem.

Sie haben die Gigawatt-Fabrik anfangs mit dem Airbus-Projekt verglichen. Das ist eine sehr stark öffentlich unterstützte Investition.

Diese Aussage konnte – zugegeben – missverstanden werden. Ich meinte immer, airbusartig im Sinne eines europäischen Konsortiums, aber nicht im Sinne einer Eigentümerschaft durch Regierungen. Das ist der Aspekt von Airbus, den ich gerade nicht haben möchte. Ich möchte nicht, dass Regierungen Firmenanteile übernehmen. Das war im Fall von Airbus wichtig, wo man die Luftfahrtindustrie retten wollte. Und es gab keine Chance, eine von staatlichem Geld unabhängige Firma aufzubauen. Aber in der Photovoltaik gibt es natürlich Unternehmen, die in das Projekt einsteigen könnten.

Aber wenn nun die X-Gigawatt-Fabrik diese starke Unterstützung durch staatliche Kreditgarantien erhalten würde, die andere PV-Firmen nicht bekommen, würde das nicht zu einer Verzerrung im Markt führen?

Grundsätzlich können sich ja alle Unternehmen um eine Finanzierung bemühen. Es liegt aber im Interesse von Europa, dass starke europäische Unternehmen mit aussichtsreichen Technologien im weltweiten Wettbewerb mithalten können. Zum Beispiel bei SolarWorld ist das eine Frage der Technologie. Es hat sicher keinen Zweck, in der alten Technologie zu expandieren. SolarWorld ist allerdings gerade in dem Prozess der Umstellung auf die PERC-Technologie, wobei das ISE sie nach Kräften unterstützt. Dass der einzig verbliebene große europäische Hersteller dabei unterstützt wird, bei der Verbesserung der heute dominierenden Technik an der Spitze zu bleiben, ist sicher sinnvoll. Es soll keine Bevorzugung für unsere X-Gigawatt-Fabrik geben. Eine derartige Förderung ist übrigens nichts Neues für Europa.Es gibt sie so ähnlich in der europäischen Regionalförderung, in der es um die Förderung der regionalen Wirtschaft geht. Warum tun wir das nicht auch technologiegetrieben, bei Technologien, die wichtig sind für die Zukunft unseres Kontinents?

Was sind die nächsten Schritte?

Wir suchen vor allem einen Finanzinvestor und einen Industriepartner. Vor allem im zweiten Stadium ist es sehr hilfreich, einen Industriepartner zu haben, der über Erfahrungen mit ähnlichen Produktionen verfügt. Wir sind mit verschiedenen im Gespräch. Gerne würden wir mit einem Unternehmen wie SolarWorld kooperieren. Aber natürlich sind wir auch an anderen Industriefirmen interessiert, auch um gemeinsam neue Systeme zu entwickeln. Sehr hilfreich wäre zudem ein großer Energieversorger. Ein sehr interessanter Kandidat wäre z.B. die neue E.ON, wenn sie sich in die angekündigte Richtung tatsächlich weiterentwickelt.

Wenn Sie um Investoren werben, die in eine neue Technologie einsteigen sollen, was können Sie denen garantieren?

Das würde man natürlich im Detail besprechen, aber kurz zusammengefasst können wir von Anfang an Zell-Effizienzen von bis zu 22 Prozent garantieren, die sich tendenziell in Richtung 24 oder sogar 25 Prozent entwickeln würden, und Kosten, die zu Beginn im Bereich der heutigen Kosten von Standard-Modulen liegen, später deutlich darunter. Damit käme man auf Stromgestehungskosten, die in Freiburg bei etwa 6 und in Sevilla bei etwa 4,5 Cent pro Kilowattstunde liegen würden.

Interview: Andreas Witt
Foto: ISE Fraunhofer

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