Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog: Mit Windstrom heizen

Zu sehen ist eine Luftaufnahme von Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog: Ein einsamer Hof und viele Windräder.Foto: IWO / WuW
Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog aus der Vogelperspektive
In einem Modellprojekt erprobt die schleswig-holsteinische Gemeinde Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog Power-to-Heat. Abgeregelter Windstrom wird für Elektroheizungen genutzt, um Heizöl zu ersetzen.

Die Agentur für Erneuerbare Energien hat Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog (FWLK) zur Energie-Kommune des Monats ausgezeichnet. Die Kommune mit ihren 80 Haushalten versorgt mit ihren 30 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 70 Megawatt circa 100.000 Haushalte mit regenerativem Strom. In den letzten Jahren musste in der beschaulichen nordfriesischen Gemeinde immer mehr Windstrom aufgrund mangelnder Netzkapazitäten abgeregelt werden. Im Rahmen der – vom Europäischen Landwirtschaftsfond für die Entwicklung des ländlichen Raums geförderten – Wind-und-Wärme-Modellregion erprobt man seit 2018, wie man diesen abgeregelten Strom effektiv nutzen kann.

2017 haben die Netzbetreiber deutschlandweit über 5,5 Milliarden Kilowattstunden Windstrom abgeregelt und damit nicht in das Stromnetz eingespeist. Den höchsten Anteil hatte hier Schleswig-Holstein mit knapp über 50 Prozent und 2,86 Mrd. Kilowattstunden. Der Anstieg der Produktionskapazitäten und fehlende Netzkapazitäten führten dazu, dass in den letzten Jahren immer mehr Strom abgeregelt werden musste, um einer Überlastung der Netze vorzubeugen. Gleichzeitig stagniert der Anteil Erneuerbarer Energien im Wärmesektor bei knapp unter 15 Prozent. Durch die Kopplung von Windstrom und Wärme testet Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog, wie man diese Überkapazitäten zum Heizen nutzen kann. „Dank Power-to-heat-Technologien und virtuellen Kraftwerken sind wir mittlerweile einen großen Schritt weiter in puncto Effizienz und Bezahlbarkeit, wenn es um die Nutzung von abgeregeltem Strom zur Wärmeerzeugung geht. Unsere Energie-Kommune des Monats zeigt, wie wichtig innovative Modellprojekte sind, um die Energiewende voranzubringen“, sagt Robert Brandt, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien e.V. (AEE).

Umstellung von Öl- auf Elektroheizung

Nach der Konzeptphase wurde 2018 mit der Umsetzung des Projekts begonnen. Hier soll bis Ende 2020 eine Auswertung vorliegen, welche die Machbarkeit und das Potenzial der Modellregion für die Nutzung von abgeregeltem Strom bewertet. Gemeinsam mit den Partnern ArgeNetz, dem Institut für Wärme und Oeltechnik e. V. (IWO) und dem Bürgerwindpark erprobt man momentan, inwieweit man die Überkapazitäten bei der Erzeugung von Windstrom für die lokale Wärmeversorgung nutzen kann. 13 der 80 Haushalte der Gemeinde haben dafür eine Öl-Hybridheizung erhalten, die von der Verbrennung von Öl auf eine Elektroheizung umstellt, sobald der lokal produzierte Windstrom nicht mehr in das Stromnetz fließen kann. Das System läuft schon jetzt vollautomatisch. Das virtuellen Kraftwerk der ArgeNetz in Husum steuert es. 

Bis zur Vorlage des Abschlussberichtes ist es schwer, genaue Zahlen zu nennen. Erste Schätzungen gehen jedoch davon aus, dass es möglich ist, zwischen 30 und 40 Prozent der Heizenergie aus anderweitig abgeregeltem Windstrom zu gewinnen. Der Bürgermeister der Gemeinde, Christian Nissen, ist optimistisch: „Beim Projekt ging es darum, die Möglichkeit der Nutzung von zuvor abgeregeltem Windstrom zu Heizzwecken in größerem Umfang zu prüfen. Der Beweis dafür ist erbracht“. Handlungsbedarf sieht er vor allem bei der Politik, denn obwohl das System technisch funktioniert, ist dessen Wirtschaftlichkeit noch nicht sichergestellt. „Es geht darum, eine Gleichrangigkeit der Energieträger herzustellen. Wir hoffen da auf die Politik“, kommentiert Bürgermeister Nissen.

Öl ist nicht gleich Öl

Mittelfristig lässt sich gerade in dünn besiedelten Gebieten wie in Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog eine zentrale Wärmeversorgung schwer umsetzen. Da abgeregelter Strom nur bis zu 40 Prozent der Wärmeenergie eines Haushaltes bereitstellen kann, bleiben die Lübke-Kooger*innen zumindest mittelfristig auf Öl als Energieträger angewiesen. Um die, in der Modellregion installierten Öl-Hybridheizsysteme, dennoch möglichst klimaschonend betreiben zu können, hat das IWO im Rahmen des Projekts einen erneuerbaren Energieträger aus Reststoffen entwickelt, den man dem regulären Heizöl im Verhältnis eins zu eins beimischt. Damit reduziert sich der Verbrauch des restlichen Heizöls um die Hälfte. Das Konzept soll so zunächst als Vorbild für Schleswig-Holstein dienen, denn hier gibt es nicht nur viel Wind, sondern auch noch rund 200.000 Ölheizungen.

Auch in Zukunft sucht die Gemeinde weiter nach Wegen, ihre Windenergie möglichst effektiv nutzen zu können. So ist aktuell ein Konzept zur Förderung der Elektromobilität in Planung und auch die Erstellung einer Wasserstoffstrategie ist angedacht.

29.6.2020 | Quelle: AEE | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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