Solararchitektur: „Gute Gestaltung ist auch eine Grundlage nachhaltigen Bauens“
Solarserver: Es gibt nicht viele Architekten, die von der Solarthermie so überzeugt sind wie Sie. Warum setzen Sie sich so stark für eine Solararchitektur mit Solarthermie-Anlagen dafür ein?
Uwe Fickenscher: 2006 haben wir begonnen, Gebäudeheizungen zu bauen, die durch Solarthermie unterstützt wurden. Alle Beratungen vorher gingen wirtschaftlich zu Ungunsten der Solarkollektoren aus. Das änderte sich nach der Einführung der EnEV 2002 und der Novellierung 2004 und mit den in der Zeit massiv steigenden Kosten für Öl und Gas. Wer das hat kommen sehen und ökologisch vorbildlich gehandelt hat, der entschied sich schon vorher für diese Art der Sonnenenergienutzung.
Wenn man berücksichtigt, dass durch die Solarthermie-Anlagen vom Frühsommer bis in den Herbst der Heizkessel aus bleiben kann und der Warmwasserbedarf einfach durch Solarenergie gedeckt wird, dann merkt man wie sinnvoll solche Kombinationen sind. Die Solarthermie verlängert die Lebenszeit von konventionellen Wärmeerzeugern, ist wirtschaftlich und ökologisch.
Da es bei Wohnhäusern, aber auch bei vielen Gewerbe- oder Handelsimmobilien, vorrangig um die Versorgung mit Wärmeenergie geht, und es vom physikalisch-technischen Prinzip naheliegend und einfach ist, diesen Wärmebedarf mit Solarthermie zu decken, planen wir mit Solarkollektoren. Weil unsere Bauherren das verstanden haben und gerne so haben möchten, sind wir als Architekten dabei behilflich und setzen das um.
Sie planen auch Sonnenhäuser, also weitgehend solar beheizte Gebäude. Durch die großen, prominent platzierten Solarflächen heben diese sich von herkömmlicher Architektur ab. Die Optik beanstanden auch hin und wieder in Architekten. Was halten Sie Kritikern entgegen?
Nach dem ersten Schritt blieb nicht aus, dass wir uns überlegt haben, was man machen könnte, wenn Solaranlagen größer dimensioniert und auch Speicher größer geplant werden. Der Schritt zum Sonnenhaus war gar nicht so einfach, weil wir in einer Region (HochFranken, Anmerkung der Redaktion) planen und bauen, die einen kleinen Nachteil im winterlichen Solarstrahlungsangebot hat und gleichzeitig durch die Mittelgebirgshöhenlage einen etwas höheren Wärmebedarf. Das sind aber gleichzeitig auch die Gründe, warum wir uns auf den Weg gemacht haben. Die Forderungen der Klimakonferenz von Rio 1995 oder die EU-Gebäude-Energierichtlinie von 2010 sind relativ klar in ihren Forderungen – nur passiert noch zu wenig.
Wenn man sich auf den Gedanken einlässt, dass die Solararchitektur für das 21. Jahrhundert das sein muss, was die Architektur des Bauhaus für das vergangene war, dann muss man konsequent daran arbeiten, dass Solaranlagen in der Architektur zum Normalfall werden. Etwa so wie Fenster eben Tageslicht für Räume bringen, müssen Dächer oder Fassaden nebenbei noch Energie erzeugen.
Alle Architekturströmungen bedürfen der Diskussion und der Prüfung und müssen sich eben erst durchsetzen. Letztlich stehen wir mit der Entwicklung von Gebäuden, die mit Solarenergie versorgt werden, noch immer relativ am Anfang.
Solarthermie-Systeme sind gut etabliert und ausgereift. Trotzdem geht die Entwicklung von Lösungen weiter: Hybridkollektoren, modulare Bauweisen, flexible Maßordnungen, Freiheit in der Farbgestaltung und Kostenoptimierung werden sicher noch mehr Auftraggeber überzeugen.
Man darf schließlich auch den Blick nicht verschließen, es gibt leider auch unglückliche Beispiele für die Gestaltung von Solaranlagen auf und an Gebäuden. An der Stelle kommt der Anspruch der Architektur als eine ganzheitliche Betrachtungsweise ins Spiel. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass alles, was man gut gestaltet hat, von den Menschen meistens mehr gepflegt, mehr geliebt wird und daher auch langlebiger ist. So ist gute Gestaltung auch eine Grundlage nachhaltigen Bauens. Dafür müssen wir uns als Architekten einsetzen.
Für eine ansprechende Optik eines Sonnenhauses: Was ist Ihrer Meinung nach nötig? Welche Empfehlungen haben Sie für andere Planer?
Wir versuchen, dem Motto von Professor Brian Cody vom Institut für Gebäude und Energie an der TU Graz zu folgen: „Form follows Energy„. Architekten und andere Bauplaner müssen sich mit diesem Anspruch auseinandersetzen. Das verlangt unsere Zeit. Solaranlagen müssen – wie alle anderen Gebäudetechnikausstattungen auch – detailliert geplant und integriert werden. Natürlich bedeutet das immer mehr Koordinierungsaufwand und auch steigendes Haftungsrisiko für die Planer. Daher sollte man an der Stelle eine faire Regelung für den notwendigen Aufwand für Planung und Betreuung treffen.
Die Gebäude erhalten dadurch einen deutlichen Mehrwert. Nachhaltigkeit wird in der Zukunft der Immobilienwirtschaft eine entscheidende Rolle spielen. Mit steigender Erfahrung und Routine bekommt man diesen Aspekt der Gebäudeplanung in den Griff wie alle anderen Bereiche auch.
Heizen mit Strom ist weiter auf dem Vormarsch, was ja auch von der Bundesregierung gewollt ist. Sehen Sie noch eine Perspektive für größere Solarthermieanlagen im Wohnungsbau? In welchen Sektoren?
Das Heizen mit Strom hat seine Grenzen. Keinesfalls wird es möglich und sinnvoll sein, den gesamten Wärmebedarf in Deutschland alleine auf der Basis von elektrischer Energie zu decken.
Es gibt ja heute schon Konflikte um den Ausbau von Windenergie, neue Leitungstrassen oder auch die Frage von Freiflächen-Photovoltaikanlagen. Elektrischer Strom als veredelte Energieform ist viel zu kostbar und zu teuer und man kann ihn nur sehr mühsam speichern. Solarthermie wird über die Anwendung im Sonnenhaus hinaus in vernetzten Einfamilienwohnhaus-Gebieten aber auch für Mehrfamilienhäuser und ganze Stadtquartiere – zum Beispiel auch in Altstädten – einen sehr wertvollen Beitrag zur Entlastung und Leistungssteigerung von Wärmepumpen-Heizungen leisten.
Den vernetzten, hybriden und kooperativen Energieversorgungssystemen gehört die Zukunft. Was der eine gerade übrig hat, kann der andere brauchen oder kann gemeinsam gesammelt und gespeichert und später genutzt werden. An der Stelle ist noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit notwendig, um zu intelligenten und kooperativen Versorgungsstrukturen zu kommen, an denen viele teilhaben können.
Alltag in den Architekturbüros wird interdisziplinärer
Gibt es Defizite in der Ausbildung beziehungsweise im Architektur-Studium? Was müsste geschehen, damit mehr Architekten und Planer Solarthermie einsetzen?
Das Architekturstudium ist wesentlich komplexer geworden, gerade auch was die Gebäudetechnik betrifft. Die Vielfalt der Möglichkeiten, der Materialien und Systeme und auch der Planungsinstrumente ist geradezu explodiert. Es ist da eine gute Empfehlung, sich mit vielen Dingen zu beschäftigen und sich dann doch auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wesentlich ist alles das, was den Menschen dient; oft das Naheliegende.
Der Alltag in den Architekturbüros wird interdisziplinärer und dieser Anspruch beginnt bereits in der Ausbildung. Die Anforderungen der Zukunft in Bezug auf klimafreundliches Bauen kann kein Berufsstand alleine lösen, sondern es braucht die Kooperation.
Wir haben gelernt, Kilowattstunden zu berechnen und beschäftigen uns mit Klimapotenzialen und Ökobilanzen. Bauplanung muss sich mit dem Gedanken beschäftigen, dass Gebäude die Deckung des Energiebedarfes ihrer Nutzer selber erreichen können. Das Studium bietet dabei den Freiraum, Basiswissen zu erwerben, aber auch neue Konzepte zu entwickeln. Ich glaube, dass die Hochschulen und Institute in Deutschland immer noch führend auf diesem Gebiet sind. Wir sollten dazu helfen, das als Zukunftsperspektive auszubauen.
Das Interview zur Solararchitektur führte Ina Röpcke.
14.12.2020 | Solarthermie-Jahrbuch © Solarserver / Solarthemen Media GmbH
Diesen Beitrag hat das Redaktionsteam des Solarthermie-Jahrbuchs verfasst. Sie können das Solarthermie-Jahrbuch 2023 unter diesem Link bestellen.