Litauens Wärmewende: Weltrekord bei der Umstellung von Gas zu erneuerbaren Energiequellen

Zu sehen ist eine Fernwärmeleitung. Litauen geht in der Wärmewende voran.Foto: struvictory - stock.adobe.com
Der Anteil der erneuerbaren Energien in der litauischen Fernwärme ist in nur drei Jahre auf fast 70 % angewachsen.
Das Beispiel Litauen zeigt, wie Wärmewende geht: Die Fernwärme wird schon heute zu 70 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen gespeist. Bisher vor allem mit überschüssigem Holz aus der Holzindustrie. In Zukunft sollen Sonnenenergie und Wärmepumpen hinzukommen.

Während die Regierungen anderer EU-Staaten noch darüber streiten, ob sie neue Pipelines brauchen oder den Gashahn abdrehen wollen, hat Litauen seine Wärmeversorgung im Rekordtempo umgestellt, um heimische Biomasse nutzen zu können und die Ära der Energieabhängigkeit von Russland hinter sich zu lassen. Jetzt rüstet Litauen seine Netze auf und bereitet den nächsten Schritt vor, um mit Sonnenenergie und Wärmepumpen die Wärmewende weiter voranzutreiben.

In Stelmuze dreht sich alles um Holz. Das kleine Dorf in den Wäldern im Nordosten Litauens ist bekannt für seine Holzkapelle, die ohne Sägen und Eisennägel gebaut wurde. Und für die berühmte Stelmuze-Eiche – Europas älteste, 23 Meter hoch und mehr als 1500 Jahre alt. Um ihren Stamm zu umarmen, müssen sich nicht weniger als 9 Personen an den Händen halten.

Die alten und ausgedehnten litauischen Wälder sind auch der Schauplatz einer der schnellsten und umfangreichsten Energieumstellungen Europas von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien. Die Geschichte der litauischen Energiewende ist eine dramatische Verdichtung internationaler Politik, Klimaschutz und technologischen Fortschritts.

Litauen: Schnellste und umfangreichste Wärmewende in Europa

Als Litauen 1990 seine Unabhängigkeit von Russland wiedererlangte und 2004 der Europäischen Union beitrat, musste sich das Land auch von seiner Energieabhängigkeit lösen. Die Sowjetunion hat Litauen nicht nur das monumentale Atomkraftwerk Ignalina vom Typ Tjernobyl hinterlassen. Wie in den meisten osteuropäischen Ländern hat man auch Litauens hochentwickeltes Fernwärmenetz fast ausschließlich mit russischem Erdgas oder schwerem Heizöl befeuert.

„Im Jahr 2013 produzierten wir noch den größten Teil unserer Fernwärme mit aus Russland importiertem Erdgas“, sagt der Direktor des Litauischen Energieinstituts, Sigitas Rimkevičius. „Seitdem haben wir in rasantem Tempo und großem Umfang von Gas zu erneuerbaren Energiequellen umgestellt.“ Tatsächlich war der Anteil der erneuerbaren Energien nur drei Jahre später auf fast 70 % angewachsen, was ihn zu einem der höchsten Anteile erneuerbarer Energien in Europa macht. „Wir nennen das Weltrekord“, so Rimkevičius.

Rekordanteil an erneuerbarer Wärme

Während das Konzept der Fernwärme in einigen westeuropäischen Ländern wie Großbritannien mit einem bescheidenen Anteil von 2 % kaum bekannt ist, haben buchstäblich alle litauischen Städte ein Wärmenetz. „Mehr als die Hälfte der litauischen Haushalte sind an Fernwärme angeschlossen“, erklärt Rimkevičius. „Und die Zahlen steigen sogar noch an.“

Das einzigartige Tempo der Wärmewende in Litauen wird noch deutlicher, wenn man sie mit der größten und stärksten Volkswirtschaft der EU vergleicht. Während Deutschland plant, noch mehr Erdgas aus Russland über die weltberühmte, im Bau befindliche Nord-Stream-Pipeline zu importieren, hat Litauen die Unterstützung aus den EU-Strukturfonds genutzt, um stattdessen den Gashahn abzudrehen. „Die litauischen Wälder sind nicht nur groß“, sagt Valdas Lukoševičius, Präsident des litauischen Fernwärmeverbands LDHA. „Sie gehören auch zu den am besten für die Holzproduktion geeigneten der Welt. Überschüssige Biomasse aus der Holzindustrie nutzen zu können, ist also nicht nur günstiger und klimafreundlich, sondern auch ein Akt der nationalen Befreiung!“

Energie bezahlbar zu halten, ist eine der wichtigsten Herausforderungen für die Energiewende weltweit. Litauen hat sich bei der Wärmewende als Vorbild erwiesen, da die Preise seit 2011 sogar gesunken sind. Vor allem dank der lokalen Biomasse und des technologischen Fortschritts. Tatsächlich entspricht der durchschnittliche Preis für lokale Biomasse, die für Fernwärme genutzt wird, etwa einem Drittel des Erdgaspreises.

Nächste Herausforderung: Jenseits von Biomasse

Doch trotz dieser großen Erfolge ist die schnelle Transformation des litauischen Fernwärmesektors noch lange nicht abgeschlossen. „Wir sehen neue Herausforderungen auf uns zukommen, da Biomasse zunehmend auf ihre tatsächlichen Klimaauswirkungen hin untersucht wird. Und obwohl die in unseren Netzen verwendete Biomasse ein nachhaltig gewonnenes Nebenprodukt der Holzindustrie ist, entsteht durch den globalen Wettbewerb ein immer größerer Druck, so dass sie zu einem knapperen Rohstoff wird“, sagt Lukoševičius.

Deshalb beschäftigt sich das Land bereits mit der nächsten Phase der Umstellung. In den kommenden Monaten werden effizientere KWK-Anlagen, die Wärme- und Stromerzeugung kombinieren, ans Netz gehen und einfache Biomassekessel ersetzen. Lukoševičius fügt hinzu: „Und, was noch wichtiger ist, wir erforschen bereits Lösungen jenseits von Biomasse.“

Litauische Winter sind kalt. Daher wird die Deckung des hohen Wärmebedarfs mit anderen erneuerbaren Energiequellen unmöglich sein. „Aber die Nutzung von Solarenergie anstelle von Biomasse für die Warmwassererzeugung in den Sommermonaten ist eine erste Möglichkeit, die wir jetzt prüfen. Es ist allerdings keine einfache Umstellung. Eine wichtige Voraussetzung für den schrittweisen Einsatz von Sonnenenergie ist die Senkung der Betriebstemperatur im Netz auf 60 °C. Das wiederum erfordert eine Reduzierung der Wärmeverluste sowohl im Gebäudebestand als auch im Netz“, sagt Lukoševičius zu den Herausforderungen des nächsten Schrittes der Wärmewende in Litauen.

Solar und Wärmepumpen ersetzen Biomasse

Für die nahe Zukunft wird die gesamte staatliche Unterstützung Litauens für Biomasse gestrichen. Neue Subventionen für intelligente Lösungen in Kombination mit Solar und Wärmepumpen sind in Vorbereitung. „Wir brauchen jede Unterstützung, die wir für die Transformation bekommen können”, sagt Lukoševičius: „Unsere Regierung in Vilnius ist bereit, aber die EU muss grünes Licht geben. Dann kann die Rekordjagd der litauischen Energiewende weitergehen.“

5.5.2021 | Quelle: LDHA | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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