Besser spät als nie

Zu sehen ist eine Solarthermie-Großanlage. Eine effiziente Weise erneuerbare Wärme zu gewinnen.Foto: Ritter XL Solar
Das Foto zeigt eine solarthermische Großanlage sowie eine Holzhackschnitzelanlage, die seit 2017 Wärme für die Solarsiedlung Hallerndorf liefert.
Die neue Bundesregierung setzt sich endlich ambitionierte Ziele für erneuerbare Wärme. Nun geht es darum, wie bis zum Ende dieses Jahrzehnts das Ziel erreicht werden kann, 50 Prozent des Wärmebedarfs klimaneutral zu decken. Ein Gastbeitrag von BSW-Referentin Charlotte Brauns.

Es ist natürlich eine Binsenweisheit, dass der Gesetzgeber besser schon vor 10 oder 20 Jahren begonnen hätte, unsere Wärmeversorgung in großen Schritten erneuerbar zu machen, beispielsweise über Mindestquoten oder auch über einen moderat ansteigenden CO2-Preis. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) hat solche Maßnahmen stets gefordert. Stattdessen dominiert die Verbrennung von Erdgas. Jedes Jahr werden über 600.000 reine Gasheizungen ohne Solarthermie in deutschen Heizungskellern eingebaut. Es steht außer Frage, dass dieser fossile Weg nicht zum Ziel führt. Die Zielstellung im Koalitionsvertrag lässt nur einen Schluss zu: Wir brauchen jetzt umso schneller umso mehr erneuerbare Wärme in allen Bereichen. Die sicher gut gemeinte Solarpflicht für Neubauten – hier wird sich der BSW vehement für eine Gleichwertigkeit der Solarthermie als Erfüllungsoption einsetzen – hat dabei eher symbolischen Charakter. Das ungleich größere Potenzial schlummert im Gebäudebestand.

Weichen für deutlich mehr erneuerbare Wärme gestellt

Die Neustrukturierung des Marktanreizprogramms (MAP) im Januar 2020 und die Einführung der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) im Januar 2021 haben die Weichen gestellt hin zu deutlich mehr erneuerbarer Wärme in und auf deutschen Heizungskellern und Dächern. Der BSW konnte den Entstehungsprozess eng begleiten und dank zahlreicher Hinweise aus der Mitgliedschaft entscheidende Verbesserungen für die Branche erreichen, die sich bereits im Geschäftsklima und den Absatzzahlen niederschlagen. Trotzdem kann man nicht zufrieden sein angesichts der weiterhin deutlichen Dominanz fossiler Heiztechnologie.

Auch die Fernwärme hat noch einen weiten Weg vor sich. Bisher haben die erneuerbaren Energien erst einen Anteil von 18 Prozent erreicht. Bis zum Jahr 2030 sollen es 50 Prozent werden. Große Solarthermieanlagen können entscheidend dazu beitragen, dass Wärmenetze schnell dekarbonisiert und die fossilen Anteile sukzessive ersetzt werden. Dabei muss das Motto lauten „nicht kleckern – klotzen!“

Unser Nachbar Dänemark hat in dieser Hinsicht lange die Nase vorn gehabt und gezeigt: Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, dann ist die Solarthermie ein wichtiger Player auf dem Gebiet der klimaneutralen Wärme und wenn im Rahmen einer kommunalen Wärmeplanung ganzheitlich gedacht wird, kann die Solarthermie ihre Stärken so richtig ausspielen. Immens wichtig ist außerdem eine deutliche Verbesserung der Flächenverfügbarkeit. Langwierige Genehmigungsprozesse können wir uns nicht mehr leisten. Eine Privilegierung der Solarthermie im Baugesetzbuch ist daher unbedingt notwendig.

Der Elefant im Raum

Ich möchte gar nicht verhehlen, dass es frustrierend ist, wenn die Solarthermie in der öffentlichen Fachdebatte als der „Elefant im Raum“ so oft übersehen wird. Leider dreht sich alles um die Fragen „Wo soll der erneuerbare Strom für die Wärmepumpen herkommen?“ und „Woher kommt der Wasserstoff für unsere Brennwertkessel?“

Die naheliegende, vergleichsweise preiswerte und extrem flächeneffiziente Solarthermie wird bei diesen Fragen oftmals einfach nicht berücksichtigt. Mutmaßlich auch deswegen, da man die Solarwärme nicht so einfach vermarkten, verkaufen und handeln kann wie beispielsweise Wasserstoff. Das ist geradezu irrational. Denn mit Solarthermie wird jede Wärmetechnologie besser, weil effizienter. Dies gilt übrigens insbesondere auch für Wärmepumpen, weil sie mit Solarthermie- oder auch mit PVT-Kollektoren in ganz neue Effizienz-Dimensionen vorstoßen können. Damit könnten wir sofort anfangen. Jeder Quadratmeter Kollektorfläche hilft, kostbare Biomasse oder erneuerbaren Strom einzusparen!

Starker Anschub für solare Fernwärme

Dazu muss die Anzahl der Solarthermieanlagen auf deutschen Dächern bis 2030 mehr als verdoppelt werden sowie ein starker „Push“ für die solare Fernwärme kommen. Der BSW hat deshalb ein ausführliches Konzept für ein Ausschreibungsprogramm vorgelegt. Mit diesem können über einen Zeitraum von 25 Jahren insgesamt 20 Terawattstunden emissionsfreie Wärme produziert werden. Mit einer besonders attraktiven „Booster“-Förderung könnten je eine Anlage mit mindestens 30 MW installierter Leistung pro Bundesland zusätzlich belohnt werden.

Ebenso wichtig ist die unterbrechungsfreie Förderung in der BEG. Dass monatelang keine Fördergelder fließen, weil der Geldtopf leer ist (wie zum Beispiel im Jahr 2010 geschehen), ist also nicht zu befürchten. Diese Förderung darf auch durch Verschärfungen im Ordnungsrecht (zum Beispiel Erhöhung der Mindestquote für Erneuerbare Wärme) nicht angetastet werden.

Der „schlafende Riese“ Gebäudewärme ist also bereits wachgekitzelt. Seine nicht minder kleine Schwester, die Prozesswärme, schnarcht noch eher gemütlich vor sich hin. Auch in diesem Bereich darf es nicht der Innovationsfreudigkeit einzelner Unternehmen überlassen bleiben, ob diese vorrangig in solare oder generell in erneuerbare Prozesswärme (insbesondere Tiefe Geothermie, aber auch Biomasse und Wärmepumpen) investieren wollen. Eine Politik, die hoffentlich die Unternehmen belohnen wird, die aktiv Kohlendioxid einsparen, soll in den kommenden Jahren endlich den Durchbruch im Bereich der Prozesswärme bringen.

Der BSW mit seinen Mitgliedsunternehmen steht bereit, die Solarisierung aller Wärmebereiche voranzutreiben.

Autorin: Charlotte Brauns

Die Autorin ist Referentin Politik & Solartechnik des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW).

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Solarthermie-Jahrbuch 2022, das am 21. März erscheint.

23.2.2022 | Quelle: BSW | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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